Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 176.

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Mittwoch, den 8. September.

( Nachdruck verboten.)

Der Bauernführer. Roman von Franz Kahler.

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1897.

durch Erreichung des Amtsvorsteherpostens auf den Gip, zu and gill bringen. In den Gemeindeversammlungen und durch Eingaber an die Regierung wetterte er gegen den Wucherer, Gründer und revolutionären Kopf von Bruder, der gewiffenlos alles mit Füßen trat, was jedem alten, redlichen Landmanne theuer war. Bergebens! Der Amtsvorsteher Alexander Teßmer er­hielt die Bestätigung der Regierungsbehörde.

So gefällst Du mir, Bruder!" entgegnete Alexander mit einem höhnischen Lächeln, indem er seinen Hut ergriff und frech auf den Direktor zutrat. Du nimmst die Gelegenheit beim Schopfe, um mich los zu werden, und ich gehe mit Ber­gnügen, einmal weil ich es satt habe, mir Deine Anmaßungen länger gefallen zu lassen und das andere mal, weil es sich für einen zukünftigen, reichen Grubenbesitzer nicht schickt, den Handlanger eines armseligen Fabrikdirektors zu spielen. Da! Lies!"

Che der vor Wuth sprachlose Waldemar noch ein Wort erwidern konnte, hatte Alexander das Komtor verlassen. sid Der Direktor hatte nicht übel Lust, ihm noch einige Liebenswürdigkeiten nachzuschreien, als sein Blick auf den Bettel fielden sein Bruder ihm aufs Pult geworfen. Er Soeben an zwei Stellen auf vorzügliche gestoßen.

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Kurz darauf machte der Tod Waldemar's dem Hasse der beiden Brüder ein Ende. Alexander tauste für ein Butter­brot den heruntergekommenen Besitz seines Bruders und galt von nun an unbestritten als Erster im wirthschaftlichen und fozialen Leben des Amtsbezirkes Senten. Er nutzte diesen Vortheil auch einige Jahre lang aufs gründlichste aus und brachte die Fabrit allmälig fast ganz in seine Hände. Gleich zeitig faßte er den Entschluß, eine neue Fabrik neben der alten zu bauen, um auf diese Weise eine weitere glänzende Absatz­quelle für sein reiches Rohlenlager zu gewinnen und immer weitere Gutsbesitzerfreise in seine Machtsphäre zu zwingen.

Die Ader scheint unermeßlich zu sein. Wleine herzlichen. Endlich hatte er auch dieses Ziel erreicht! get, a

tulation! Wiesemann."

*

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Seit jenem Julitage schritt Alexander Teßmer von Erfolg zit Erfolg. Die Grube, die er zu Ehren seiner Frau Louisen grube" getauft hatte, entwickelte sich glänzend, und ihr Be­gründer war in wenigen Jahren ein wohlhabender Mann. Geine Devise Leben und Lebenlassen" schuf ihm viele Freunde. Tod

Die ersten Erträge aus dem neuen Unternehmen benußte der Grubenrepräsentant" Teßmer dazu, ein größeres und einige fleine, unter den Hammer kommende Bauerngüter in Hogwitz zu erwerben.

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III. dan

Dicht an dem schmalen Fußwege, der mitten durch die reifen Getreidefelder von Hogwig nach Senten führte, lag das Hauptbesißthum des Bauern Wegner, eine Aderparzelle von vierzig Morgen. Das Getreide und die Rüben, mit denen sie bebaut war, stachen merklich gegen die Nebenfelder ab, die Teßmer gehörten. Das Getreide stand dünn und mittelhoch, die Rüben spärlich und welt, während auf Teßmer's Felde beide in üppiger und frischer Kraft prangten.

Das fühlte auch Wegner, der hinausgegangen war, um die Reife des Korns zu prüfen, und nun mit trauriger Miene die ficher sehr mager ausfallende Ernte abschätzte. Mechanisch HID Seinem Bruder Waldemar hatte der neugebackene Guts- ließ er die Aehren durch die rechte Hand gleiten, während besitzer inzwischen manchen moralischen Nackenschlag versetzt. er sich mit der Linken den Schweiß von der gefurchten Stirne Das reichlich fließende Grubenwaffer beseitigte mit einem wischte. Schlage das alte Hemmniß einer glänzenderen Entwickelung Obwohl es bereits fieben Uhr abends war, brannte die der Zuckerfabrik Senten. Es war Alexander ein Leichtes, Julisonne noch heiß und glühend auf die Ebene hernieder, durchzusetzen, daß die Fabrik gegen Ueberlassung des Gruben- lag die Luft schwül und drückend, wie eine athembeklemmende waffers seine Kohle faufte. Waldemar sträubte sich mit aller Staubwolfe, über den Getreidefeldern. Kein Hauch bewegte Kraft gegen dieses Abhängigkeitsverhältniß, aber die Aktionäre das meite Aehrenmeer. zwangen ihn zum Nachgeben. in illo en

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Wegner, in Hembsärmeln und ohne Hut, achtete jedoch wenig auf den glühenden Sonnenbrand, der auf seinen halbfahlen Schädel niederprallte. In Gedanken versunken stand er lange, während sein Blick unruhig über die Weiten schweifte...

Neben der Fabrit lag ein herrliches, ungefähr zwanzig Morgen großes Wäldchen mit zum theil uralten, stattlichen Bäumen. Das Wäldchen gehörte der Fabrik, und Alexander wünschte es zu kaufen, um sich eine Billa hinein zu bauen. Waldemar stemmte fich wieder mit aller Wucht gegen dieses Behn Jahre waren seit der Gründung der neuen Zucker­Verlangen. Das fehlte ihm noch, daß ihm dieser Junge so fabrik verflossen, die für ihn zu einer Quelle des Elends ge­auf den Leib rückte! Alexander drohte mit der Waffer- worden war. Die 5000 Mart, welche er von Steinig gegen entziehung und der Gründung einer neuen Fabrik, und Wechsel geborgt hatte, um seinen Antheil einschießen zu können, die Aktionäre waren mürbe. Ein Jahr später war aus waren im Laufe der kurzen Zeit zu einer Schuldenlaft von dem Wäldchen ein prächtiger Part geworden mit einem ftatt- 20 000 Mart angewachsen, die ihn fast erdrückte. Gewiß waren lichen Teich, der mit Grubenwaffer gespe st wurde. es nicht die Zinsen an Steinig allein, die ihn so tief hinein­Als Teßmer die Bauerngüter faufte, fielen ihm auch gerissen; bewahre, er zahlte nur sechs Prozent, feinen einige Fabrikantheile in die Hände. Der neue Aktionär machte Pfennig mehr; aber die Revolution seines fleinen Be dem Direktor viel zu schaffen. Krankheit und andauernde triebes durch die kostspielige Rübenwirthschaft hatte einen Mißerfolge in seiner Wirthschaft hatten die Lebenskraft Hundertmarkschein nach dem anderen verschlungen. Bon Waldemar's ohnedies sehr geschwächt. appal Quartal zu Quartal hatten die Zinsen seine Ueberschüsse auf­Einen neuen Triumph feierte Alexander durch den Ankauf gezehrt und ihn in neue, größere Verbindlichkeiten gestürzt. der Schäferei Hogwiß", eines Gutes von vierhundert Morgen, Die Fabrit hatte bisher noch feinen Profit abgeworfen, das die von Mohler'schen Erben zu Gelde machten. Damit da Teßmer den Betrieb nach jeder Kampagne vergrößert und fiel ihm ein neuer beträchtlicher Fabriksautheil zu. das Etablissement immer großartiger ausgestattet hatte.

Dieser Schlag war zu viel für Waldemar. Er fühlte, Wir müssen auf der Höhe bleiben, wenn wir das nächste daß seine Tage als Alleinherrscher in der Fabrik gezählt seien, und zog sich zurück, seinen Platz einer Kreatur Alexander's überlassend, der allmälig die Aktionäre auf seine Seite ge­bracht hatte.

Waldemar's Demüthigungen hatten damit jedoch noch nicht ihr Ende erreicht. Seine verschuldete Wirthschaft ging zusehends zurück, während seines Bruders Güter allgemein als Muster galten. Aus Mangel an Betriebsmitteln mußte der Ex: Direktor zusehen, wie die Zinsen der großen Schuldenlaft immer schneller die Erträge seines altmodisch bewirthschafteten Gutes auffraßen, indeß sein Bruder durch glänzend durch geführte, moderne Betriebsweisen goldene Ernten einheimste.

Noch einmal lebte in Waldemar die alte Energie auf, als sein Bruder Anstrengungen machte, seinen sozialen Einfluß

Mal einen glänzenden Abschluß haben wollen!" hatte er bei jedem Jahresabschlusse den Aktionären zugerufen, die stets nur widerwillig zustimmten, daß der größte Theil des Gewinns zu neuen technischen und maschinellen Einrichtungen verwendet wurde, anstatt in ihre Taschen zu fließen.

Die großen Besitzer, welche bei ihrer intensiveren Kultur aus dem Rübenbau alle möglichen Vortheile zogen und in der Lage waren, die kommenden, doppelt ergiebigeren Saisons abzuwarten, ftimmten, wenn auch ungern, Teßmer doch schließ­lich bei. Die Kleinbauern aber drohten unter der Last der gewinnlosen Kampagnen zusammenzubrechen. Und das war auch der Zweck des Teßmer'schen Verhaltens.

Allmälig war er der Gelddarleiher all dieser ver schuldeten Existenzen geworden, sehr zum Aerger Steinig's,