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hatte ihm ein paar Mal Fragen vorgelegt, daß es dem Alten eiskalt über den Rücken gelaufen war. Das schien ja bei nahe, als ob man ihn im Verdacht habe, das arme, unglück liche Geschöpf, das man in der Nähe seines Hänschens gefunden hatte, ermordet zu haben!

Dann war es auf einmal todtenstill über die ganze An­gelegenheit geworden. Wie es hieß, waren sämmtliche Aus­fagen nach Magdeburg an das Gericht geschickt worden, und man glaubte schließlich, die Sache sei um endgiltig ab­gethan.­

An all dies dachte der alte Schäfer, während er regungslos nach dem trüben Horizont jenseits der Stoppelfelder ſtarrte. Die Schafe drängten sich um ihn, mit emfigem, gleichförmigem Geräusch ihre färgliche Nahrung suchend. Von Zeit zu Zeit erhob sich hier und da ein lautes, vereinzeltes Blöken, dem gleich in allen Tonarten eine dugendfache Antwort folgte. Die beiden Hunde jagten unausgesetzt um die Herde, die ver­einzelt und abgesondert stehenden Thiere mit mit lautem und Gebell zum Haufen treibend dabei meist ganze Schaaren der geängstigten Thiere in ein fluchtähnliches Gedränge versezzend. Dann setzten sie sich lechzend zu den Füßen Dörfler's, ihn mit flugen Augen anblickend und sehnsüchtig Lob oder Tadel oder neue Befehle erwartend. Der Alte schien jedoch heute keinen Blick für sie übrig zu haben; unausgesetzt schaute er in die Weite.

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versammelt, um einen Gast zu ehren, einen reichen Kaufherrn aus einer großen Fabrikstadt. Für ihn giebt man das Fest, denn er ist der Wohlthäter des Ortes, der Wohlthäter der Menschheit. Suppe aufgetragen, als sich der dicke Herr Bürgermeister langsam erbebt, seine wichtigste Amtamiene aufsetzt und eine wohl auswendig gelernte Rede vom Stapel läßt. Meine verehrten Anwesenden!

Kaum haben die Lohndiener mit den Trinkgeldgesichtern die

Einen herrlichen Tag begrüßen wir heute, einen Tag, der den Bürgern unseres Ortes ewig unvergeßlich bleiben wird. Wir haben heute die Ehre und das Vergnügen, einen geliebten Mitbürger, ein Kind unserer Stadt wieder unter uns zu sehen, zu bewillkommnen. Seimathstadt noch nicht vergessen hat, der treu an ihr und ihren Einen Mann, der in dem Getümmel der großen Welt seine kleine Bürgern hängt. Einen Mann von edler und herrlicher Gesinnung, geachtet von allen wegen seiner Klugheit, geliebt von allen wegen der Güte seines Herzens. Eine erhabene Gestalt, wohl werth, jenen des klassischen Alterthums an die Seite gestellt zu werden. doch ein Mann von echter deutscher Schlichtheit und Bescheidenheit. Seht nur, wie still und bescheiden er dort sitzt, als ob alle diese Worte nicht ihn, sondern einen anderen beträfen. Und dennoch ist Baisen dieser Stadt wie ein liebevoller Vater ein Heim ge­er es, den wir heute hier festlich begrüßen, er, der den armen schenkt hat.

Und

Meine Herren! Erheben Sie mit mir das Glas, der Wohl­thäter dieser Stadt, der Wohlthäter der Menschheit, er lebe hoch! hoch!! und noch einmal hoch!!!- Haustapelle Tufch!!!!"

Die Galavorstellung.

Von August Strindberg .

Auf einmal zuckte Dörfler zusammen. Seit einer Weile hatte eine Gestalt, die von Hogwiz her den gestohlenen Weg" entlang fam, seine Aufmerksamkeit erregt. Es war eine Frau. Sie näherte sich ihm laufend. Wie es schien, winkte Seine Majestät hatte sich bei einer im übrigen wohlgelungenen. fie ihm zu. Ja, ganz recht, sie winkte ihm! Wie, war dies Eisenbahn- Einweihung einen bösen Magenkatarrh zugezogen, wes­nicht seine Frau? Gewiß, jetzt erkannte er sie; deutlich unterhalb dieselbe eine Brunnentur gebrauchen mußte, die denn auch die schied er ihre Armbewegungen und vernahm ihre Stimme, glückliche Wirkung hatte; daß die Krankheit gehoben wurde. während sie eilends näher kam. Dörfler ging ihr rasch ents gegen, gefolgt von der blökenden Heerde und den bellenden Hunden, die die schenen Thiere nach allen Richtungen durch­einanderjagten.( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

Ein

Der Wohlthäter der Menschheit. Befehl feinen Schwierigkeiten. Gine Galavorstellung besteht eigentlich

Von Georg Hermann .

I.

Eine einfame, ärmliche Krankenstube; auf schmutzigen, zerwühlten Riffen liegt ein todeskranker Mann. Vor dem Bett stehen auf dem einen Stuhl Medizinflaschen. Auf dem anderen sitzt seine Frau und liest ihm scheinbar ruhig aus einem Buche vor. Ihre rothgeweinten Augen irren über das Papier, auf dem die Buchstaben ihr zu tanzen scheinen, hin und wieder huschen ihre Blicke auch zu dem Kranken hinüber. Er darf ja nicht merken, daß sie ihn beobachten, denn er hat es nicht gern.

Der Kranke hat den Kopf zurückgebeugt, so daß der gewaltige rothe Bollbart emporftarrt. Die Wangen und Schläfen sind entsetz­lich eingefallen, die Nase schon unheimlich spitz. Die Augen flackern, wie Frrlichter, manchmal bell auf, manchmal scheint der Glanz in ihnen fast zu verlöschen. Der Athem klingt röchelnd und metallisch, als ob man in weiter Ferne Blechgeschirr flappern hört. Es flingelt. Ein eingeschriebener Brief! Ah, mein Gehalt! Gott sei Dant! Ich wußte, Frau, es würde zur rechten Zeit fommen."

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Lichtzieher, der Stadtverordneter war, nahm seine fünf Schwäger mit, und man beschloß, daß das schwedische Volk die Hauptstadt des Reiches illuminiren sollte. Der erste Hofmarschall schickte eine Ordre an das Nationaltheater, daß es durch eine italienische Oper der das schwedische Volk erfüllenden Freude über die Wieder­herstellung Seiner Majestät Ausdruck verleihen sollte. Da sich zufällig ein paar deutsche Sänger in der Hauptstadt aufhielten, begegnete sein darin, daß man eine alte Oper aufführt, die Armleuchter an den Logenbrüstungen anzündet und ein Versstück vordeklamirt. Da feine. per auf dem Repertoire war, die einige Beziehung auf einen Magentatarrh hatte, entschloß man sich für Don Juan ". Das Versstück wurde vom Hofmarschall gleichzeitig mit den Erfrischungen bei den Hoflieferanten bestellt und pünktlich geliefert. Das schwedische Volk steht natürlich Mann hinter Mann vor dem Billetschalter, aber wenn derselbe eröffnet wird, sind bereits

alle Billets ausverkauft.

Am Abend ist dann das schwedische Volt im Theater ver­sammelt. In der ersten Reihe des Parquetts steht die Blume der Nation: niedrige Stirnen, hohe Hemofragen, feine Fracks. Sie haben eine eigene Art auf den Orchesterschranken zu sitzen, so daß es aussieht, als wenn sie stehen. Seltsame Blumen! Weiter hinten im Parkett Statisten und Choristen; und auf dem Amphitheater sitzt das schwedische Weib, ausgeschnitten und mit dem Straußenfächer verdeckend, was nur bestimmt ist, in Vogel­perspektive von den hinteren Reihen gesehen zu werden. Im ersten Range das Corps diplomatique, eine bunte Ber wachen soll, daß das friegerische schwedische Volt feine Unvorsichtig= sammlung aus den gebildeten europäischen Staaten, die darüber feiten begeht. Im zweiten Range Statisten und Choristen, im theile hierdurch ergebenst mit, daß es mir aufrichtig leid thuen würde, dritten Range Choristen und Statiften, im vierten Range die Hof­dienerschaft und im fünften ja, das weiß niemand. wenn Sie Ihre Thätigkeit nicht voll und ganz wieder aufnehmen Es ist eine strahlende Versammlung, und man kann stolz auf tönnten, daß ich Ihnen aber in diesem Falle, wie Sie doch wohl ein solches Volk sein. So sollte die Nation immer repräsentirt selbst einsehen werden, nur das halbe Gehalt zahlen kann. werden! Hochachtungsvoll."

Der Krante richtet sich mühsam empor und erbricht haflig den Umschlag. Herrn Schul

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Indeffen wird die schwedische Nationalhymine gefungen( das Corps diplomatique nimmt nicht am Gesange theil), und dann tritt Er fant zurück und weinte, schluchate wie ein Kind. der Liebling des Publikums vom Nationaltheater oder auch der Siebzehn Jahre in demselben Geschäft als Barchentzuschneider fönigliche Nationaltheater- Intendant auf der Bühne hervor. Er gearbeitet, um einen Hundelohn, mit Lust und Liebe gearbeitet, um hundert Mart monatlich. Sein Leben ruinirt, durch die vornüber:( der Verfasser nämlich) beginnt natürlich mit der gewöhnlichen Er­gebeugte Haltung, durch das fortgesetzte Staubschlucken; seine Gesund- flärung, daß er nicht gelernt habe, zu schmeicheln, aber daß er doch heit in den öden, dumpfigen Räumen gelassen, und jetzt, da man seine Sache so gut machen wolle, wie er fönne. abgenutzt, abgebraucht, wie ein alter, ausgetretener Schuh auf die Straße geworfen. Ah!

Frau, morgen gehe ich wieder ins Geschäft." " Richard, bleib doch nur zu Haus, ich werde hingehen und ihn

bitten.'

"

Das wirst Du nicht thun, Frau! Von Lumpen nehme ich teine Geschenke an!! Von Ein Hustenanfall verhinderte ihn am Weitersprechen. Am nächsten Tage war er im Geschäft.

In einer Woche war seine Beerdigung.

II.

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Dann trägt er einen Gruß vom schwedischen Volke vor, das er bei einem Mittag auf Hasselbacken*) fennen gelernt, und erzählt, daß er es fehr glücklich und zufrieden fand und daß es ihn bat, dem König zu melden. daß es immerdar treu und ergeben sein werde. Dann steigt er in seine eigenen Tiefen hinab, kehrt allmälig wieder vermeidet es zum Königshause zurück, gewandt, den unpoetischen Namen der Krankheit zu nennen, und verneigt sich schließlich im Namen des schwedischen Volkes.

"

Der Vorhang geht für Don Juan " auf. Die deutschen Sänger fingen aus Leibeskräften, um der Freude des schwedischen Volkes über die wieder hergestellte Gesundheit Seiner Majestät Ausdruck zu diverleihen.

Die ganze, Kleine Stadt ist festlich illuminirt. Der Herr Bürger­meister giebt ein Diner, sämmtliche Honoratioren bes Ortes find

*) Ein Restaurant, so fein" wie Dressel.