-

770

Beweise, Vater? Brauche ich Beweise? Glaubst Du etwa, daß er es nicht gewesen ist?"

Der Alte schwieg verwirrt.

" Verlaß Dich darauf, ich rechne mit ihm ab, Bater!" fuhr Wilhelm fort. Ich schwöre.

"

" Schwöre nicht, Junge," fiel ihm der Alte ins Wort, sondern sei vernünftig, Wilhelm! Hite thut nie gut."

"

"

"

-

-

" Gut, Vater! Ich will vernünftig sein, wie es Millionen armer Teufel vor mir gewesen sind und wohl auch noch nach mir sein werden. Um Euretwillen, weil Ihr mich so gern habt, weil auch ich Euch so gern habe..." ( Fortsetzung folgt.)

" So!" versetzte Wilhelm gereizt. Also ich soll die Schande Naturwissenschaftliche Rundschau. ruhig einstecken? Ueber ein Vierteljahr habe ich im Gefängniß( Moderne Riesenfernrohre; Entdeckung und Beobachtung des fünften zugebracht, um nichts und wieder nichts, nur weil es diesem Jupitermondes; die Bahn dieses Mondes und die Abplattung des Kerl gefiel, mir eins auszuwischen. Und nun, wo ich wieder Jupiter  ; ihre Wichtigkeit für die Berechnung seiner Anziehungskraft.) frei bin, sage ich danke schön, allergnädigster Herr, daß ich Himmels darbieten, ist des öfteren bestritten worden. In der That Der Nutzen, den die Riefenfernrohre für die Beobachtung des nicht an den Galgen gekommen bin!" Wenn er vorbeigeht, wächst mit der Größe der Linse auch ihre Dicke, und wenn durch ziehe ich demüthig meine Mütze und lasse mich höhnisch an die vergrößerte Oberfläche mehr Licht gesammelt werden kann, so grinsen, als ob er sagen wollte: Na Bursche, Dir wird das wird zufolge der vermehrten Dicke auch mehr Licht vom Glase ab­lose Maul wohl gestopft sein?" Nein, Vater, eher will ich forbirt oder verschluckt, so daß es fraglich erscheint, ob der Vortheil wieder ins Zuchthaus zurück! Lieber will ich meinen der größeren Oberfläche durch die vermehrte Dicke nicht wieder vers Ropf.. loren geht. Als das Riefenfernrohr in Treptow geplant wurde, beabsich= Versündige Dich nicht, Junge!" schrie der Alte. Gewiß, tigteman, ihm eine bisher unerreichte Linse von 110 Zentimeter Durchmesser Dir ist unrecht geschehen, und wenn einer drüber empört ist, au geben; der Plan scheiterte nicht am fachmännischen Widerspruch, der allerdings sehr lebhaft war, sondern am Geldmangel, so daß bin ich's. Aber was meinst Du, wie viel ich in schließlich nur eine Linse von 70 Zentimeter Deffnung zur Aus­meinem Leben habe erdulden müssen durch den Ueber- führung fam, eine Größe, wie sie das Objektiv des neuen Rohres muth der großen Herren und ihrer Beamten? Wenn in Potsdam   erhalten soll, und wie sie das große Rohr der Wiener ich auch jedesmal hätte daran denken wollen, ihnen den Schädel Sternwarte  , sowie derjenigen von Paris, Nizza und Pultowa haben. einzuschlagen oder das Genick zu brechen? Und wenn das Die Bedeutung des Treptower Robres soll allerdings auch nicht in jeder, dem Unrecht geschieht, thun wollte, was würde da der Größe der Objektivlinse liegen, sondern in der eigenartigen werden? Nein, für uns arme Leute giebt's nur eins: geduldig Konstruktion, die, falls sie sich bewährt, wohl geeignet ist, im Bau unsere Laft tragen und die Rache für unrecht erlittenes Leid großer Fernrohre einen Umschwung hervorzurufen. dem ewigen Richter zu überlassen. Also, sei vernünftig, Fernrohren von Paris, Nizza, Pulfowa an der Grenze der Während man in Europa   vielfach meinte, mit den großen Wilhelm!" Leistungsfähigkeit angekommen zu sein, ging man in Amerika   un­Natürlich, wir armen Teufel sollen vernünftig sein! bedeutlich über diese Grenze hinaus. Das große Fernrohr der Lick­Warum ist's der Teßmer nicht? Warum soll er's nicht sein? Sternwarte bei San Franzisko erhielt ein Objektiv von 90 Zentis Er hat mir schweres Unrecht gethan. Frage ihn, ob er nur meter Deffnung, und das Yerkes- Teleskop bei Chikago gar 104 Zenti­so vernünftig ist, es mir abzubitten; nichs weiter. Ich sage meter Deffnung. In Europa   verhielt man sich diesen Riesen- Fern­Dir, Vater, zum Hause. läßt er Dich hinauswerfen! rohren gegenüber vielfach skeptisch und meinte, ihr Nutzen könne Geh' mir mit Deiner Sorte Vernunft! So lange die Welt nicht den aufgewendeten enormen Kosten entsprechen. Es ist auch eine unbestrittene Thatsache, daß das Detail der Planeten­steht, haben die Armen, die Schwachen, die Hilflosen oberflächen von manchen Beobachtern mit verhältnißmäßig diese Vernunft gezeigt und was ist daraus geworden? Noch fleinen Fernrohren unter günstigen Verhältnissen viel besser behandelt man uns so wie vor hundert und aber hundert erkannt und gezeichnet worden ist, als dies anderwärts mittels Jahren, und so lange wir demüthig unseren Nacken bengen Riesenfernrohren der Fall war; so ist namentlich die Manora- Stern­und für jeden Fußtritt bescheiden danke schön" sagen, wird's warte auf der Insel Luffin bei Triest   zu erwähnen, wo Herr Brenner auch so bleiben! Nein, Vater, das ist nicht der Weg, uns mit einem Fernrohr von nur 20 Zentimeter Deffuung ganz vorzüg Achtung zu verschaffen! Wir sind keine Bettler, die um eine liche Planetenbeobachtungen erhalten hat. Aber es wäre nicht anständige Behandlung winseln müssen; wir haben das Recht, richtig, wenn man deshalb die Riesenfernrohre für überflüssig er­sie zu verlangen! Nur wenn wir entschlossen und trotzig darauf fleinere Fernrohre nicht aus und da muß man unbedingt zu den flären und verwerfen wollte. Für gewisse Leistungen reichen eben pochen, wird man sie uns geben, sonst nie und nimmer! Und Riesen seine Zuflucht nehmen. wenn ein solcher Kerl, wie Teßmer, der das Glück von Un­zähligen mit Füßen getreten hat, mir auch noch meine Ehre antastet, dann..

" Und dann, was hast Du davon?" fiel ihm der Alte haftig ins Wort.

Was ich davon habe? Was ich davon habe?" stotterte Wilhelm. Gerächt habe ich mich, Vater! Gerächt!"

"

Namentlich das Fernrohr der Lick- Sternwarte   hat die Probe der Leistungsfähigkeit bereits gut bestanden; am 9. September 1892 entdeckte Barnard mit demselben den sog. fünften Jupitermond, einen außerordentlich kleinen Weltkörper, der als ein Sternchen 13. Größe ohne jeden wahrnehmbaren Durchmesser erscheint. während die feit langer Zeit bekannten vier größeren Monde des Jupiter  , des größten und massigsten Planeten, der um die Sonne So, und hast Du dann Deine Ehre wieder? Unsinn, ist dieser nun entdeckte kleine Mond sogar in den lichtstärksten Riesen­freist, selbst in jedem kleineren Fernrohr deutlich zu erkennen sind, Wilhelm, erst recht nicht; denn ins Zuchthaus fommst Du, fernrohren nur sehr schwer zu sehen; denn in seiner größten Ent­unterm Scharfrichter seine Art kommst Du, und Deine Frau fernung vom Jupiter steht er noch nicht um einen Durchmesser der und, wenn Du Kinder hättest, auch diese laufen ihr Lebtag Jupiterscheibe von diesem ab, so daß sein Licht von dem feines Haupt­mit ewiger Schande herum. Ueberleg's Dir doch mal recht, förpers überstrahlt wird. Infolge dessen sind Beobachtungen dieses Wilhelm. Du bist ja sonst kein dummer Kerl. Was hättest Gestirns, aus welchen seine Bahn um den Jupiter   abgeleitet werden Du davon, wenn Du diesen Teßmer zu Boden schlägst? Ein muß, bei weitem schwieriger, als die der größeren Trabanten und gottloser Mensch ist weniger auf der Welt, das gebe ich zu. überhaupt der meisten bekannten Monde der Planeten. Nichts desto Aber ist Dir dieser Kerl so viel werth, daß Du für ihn Dein weniger liegen aus den Jahren 1892 bis 1895 eine ganze Reihe von Messungen der Stellung dieses Mondes von Professor Barnard und Lebelang in's Zuchthaus gehst, vielleicht Dein eigenes aus den Jahren 1893 bis 1895 von Professor Struve, der den Leben für ihn geben mußt? Und dann, Wilhelm, Du hast kleinen Mond mit dem großen Fernrohr in Pultowa beobachtet eine Frau, eine alte Mutter und einen alten Vater, die Dich hat, vor. Inzwischen ist der Jupiter in ungünstigere doch so gern haben! Und auch die könntest Du alle unglück Stellungen für die Beobachtung gerücft; er hat sich weiter wird entfernt und lich machen, nur um diesem gottlosen Manne heimzuzahlen, von was er an Dir und anderen verbrochen? Wilhelm, dazu nächsten Jahre seine größte Entfernung von der Sonne erreichen; haft Du gar kein Recht. Er wird seiner Strafe nicht ent- find somit neue Beobachtungen über die Stellung des fleinen Mondes erst wieder in einigen Jahren zu erwarten. Daher war gehen!" es eine dankenswerthe Arbeit des Herrn Fritz Cohn, die bis jetzt vorhandenen Beobachtungen zu einer genaueren Bestiminung der Bahn des fünften Jupitermondes zu verwenden.

Wilhelm kämpfte ersichtlich mit der Rührung. Kathinka hatte sich zärtlich an ihn geschmiegt; Thränen liefen über ihr hübsches, abgehärmtes Gesicht. Die Alte schluchzte von neuen, und auch der Vater wischte sich mit der Linken die Augen, während er die Rechte seinem Sohne über den Tisch reichte. Wir haben Dich doch alle so lieb, Junge! Wir sind alle so froh und glücklich, daß Du wieder bei uns bist! Drum laß die bösen Gedanken, denn die Rache ist mein, spricht der Herr!"

"

Nach einigem Zögern schlug Wilhelm fest in die dar gebotene Hand.

der Sonne und von uns

im

Nach Cohn's Berechnungen, die vor kurzem in den Astro­nomischen Nachrichten" veröffentlicht wurden, legt der kleine seine Bahn um Mond den Planeten in 12 Stunden zurück. Die Bahn selbst, eine Ellipse, wie die aller Planeten um die Sonne und die aller Monde um ihre Planeten, unterscheidet sich außerordentlich wenig von einem Kreise; der kleine Halbmesser der Elipse ist nur um ein Tausendstel teiner, als der große Halb­messer. Was aber an der Bahn besonders merkwürdig ist, ist die außerordentlich rafche Nenderung ihrer Lage. Auch die Bahn unseres Mondes behält ja nicht ihre Lage zur Erde unverändert bei, sondern