Anterhaltungsblatt des Vorwärts
yams asid sum
Nr. 203.
Freitag, den 15. Oktober.
1897.
( Nachdruck verboten. zusammenfuhr, wenn er ein freundschaftliches Wort an sie richtete? Wenn er mit Vater Lefrançois sprach, verschlaug
Der Roman einer Verschwörung. fie seine Worte, und in der Nacht dachte sie während langer
5]
Von A. Ranc.
Ins Deutsche übertragen von Marie Runert.
1II.
Juliette Lefrançois war die Tochter eines Trödlers, der feinen Laden bei den kleinen Krambuden auf dem Marktplatz an der Notre- Dame- Kirche hatte. Es war nur ein ganz bescheidenes Geschäft. Und nur darum und um keiner anderen Sache willen hatte seine Tochter, wie Gunde sagte, nicht das Recht, einen Hut zu tragen. Jeder muß in seiner Klasse bleiben. Diese Meinung ist in Boitiers noch immer start verbreitet.
schlafloser Stunden an ihn. Wenn sie einschlief, so beunruhigte Fernand Roy ihre Träume, aber sie glaubte nicht, daß sie ihn liebte.
Im Jahre 1803 starb der alte Lefrançois, der Trödler und Jakobiner. Juliette war taum achtzehn Jahre alt. Sie hegte für ihren Vater eine lebhafte Zuneigung; die Mutter, die sie nicht sonderlich liebte, fürchtete sie. Diese schalt immer, wenn Lefrançois in den Klub ging und machte ein böses Gesicht, wenn Fernand Roy an dem Laden des Trödlers stehen blieb. Frau Lefrançois war fromm, und an dem Tage, als die fleine Juliette in weißem Kleide mit dreifarbiger Schärpe, ein Bündel Aehren in der Hand, auf dem Wagen der Göttin der Vernunft stand, hatte sie in tiefster Verschwiegenheit eine neuntägige Andacht begonnen.
Der alte Lefrançois war während der Revolution ein fleißiger Besucher des Klubs gewesen, der in der ehemaligen Augustiner - Kirche tagte, und dessen Vorsitzender Fernand Am Tage nach der Beerdigung von Lefrançois arbeitete Roy war. Juliette war als Kind in dem Respekt vor Juliette im Laden, der für drei Tage geschloffen gewesen war. Fernand Roy groß geworden, der zuweilen vor dem Laden Sie weinte nicht mehr, aber sie dachte darau, daß sie sich jteben blieb, wo sie alte Kleider ausbesserte. Dann fünftig fehr langweilen werde. Sie wußte nicht recht, warum, wechselte er einige Worte mit ihrem Vater. Der Expräsident aber sie war dessen sicher. Als sie darüber nachsann, ließ sie des Klubs achtete nicht weiter auf das fleine, ichmächtige die Scheere fallen, mit der sie die Silberstickereien eines alten Mädchen, das fein Wort sagte und ihu. immer verstohlen mit Kleides abtrennte. Ihre Mutter rief sie heftig zur Arbeit. seinen großen, grauen, beständig wechselnden Augen ausah, Juliette, die aus ihrer Träumerei gerissen war, erbebte und nahm die Augen, die, wenn es lebhaft wurde, eine faft meergrüne Farbe Scheere auf. Zugleich hob sie die Augen und erblickte Fernand annahmen. Wenn Juliette sich bemerkt glaubte, fenkte sie den Ron, der über den Marktplatz ging und ihr freundschaftlich Kopf und nahm erschreckt ihre Arbeit wieder auf. Als junges unickte. Aber er hielt sich nicht auf und setzte seinen Mädchen war Juliette nicht hübscher als sie als Rind gewesen. Weg fort. Sie besaß nicht einmal die Schönheit der ersten Jugend. Ihre Das ist einer," sagte Mutter Lefrançois, den wir Gott Formen waren wenig entwickelt und verriethen fich faum unter sei dant los find. Er soll nur kommen, dieser Heide, ich werde dem Leibchen. Sie hatte eine niedrige Stirn, sehr feines ihm schon Bescheid sagen. Borwärts, arbeite!" und sehr dichtes Haar von unbestimmtem Braun. Der Juliette erwiderte fein Wort und trennte und nähte mit Mund war flein , aber die Lippen zu schmal und zu überraschender Schnelligkeit. Die Mutter hatte zuviel gesagt. fammengepreßt. Wahrhaft schön waren nur die wunder- Juliette wußte jetzt, warum fie fich langweilen, warum fie voll geschwungenen Brauen und die sehr dichten Wimpern, unglücklich sein würde. Am Tage erhob sie den Kopf die, von etwas dunklerer Farbe als das Haar und die Augen, nicht mehr. Als die Stunde des Abendessens tam, sagte dem Gesicht einen fremdartigen Ausdruck gaben. Die sehr sie, daß sie keinen Hunger hätte, und ging schlafen. Die großen Augen wären herrlich gewesen, wenn ihr Ausdruck ganze Nacht blieb sie wach, auf ihr Kopftiffen gestützt, den sich mit Juliette's Alter in Uebereinstimmung befunden hätte. Kopf in der Hand. Als der Tag tam, war ihr Entschluß Aber das waren die Angen eines Weibes und nicht die eines gefaßt. Sie stand auf und machte ein fleines Packet aus den jungen Mädchens. Fast immer sehr bleich, erröthete sie selbst Gegenständen, an denen sie hing: der dreifarbigen Schärpe, die bei stärtster Erregung nur wenig. Das Blut, das ihr sie bei den republikanischen Festen getragen, zwei Büchern, die dann in das Geficht stieg, färbte den matten Teint ihrer ihr Vater ihr gefchenft, einem getrockneten Stiefmütterchen, Wangen kaum etwas dunkler. In dem Biertel galt das Fernand Ron ihr einst im Scherz gegeben und das sie in Dieses Riech fie für häßlich, und sie war es auch. Aber wenn ein kleines Riechsäckchen eingeschlossen hatte. ihre von bläulichen Ringen umgebenen Augen sich säckchen trug sie um den Hals gehängt auf der Brust, und zufällig auf jemand richteten, so fühlte man sich ihre Mutter glaubte, daß es eine Reliquie wäre. bis ins Mark ergriffen. Am Abend bei Licht gewann ihr Juliette wollte das Haus schon am Morgen verlassen, Teint Leben, und wenn man nicht genau hinsah, konute mar. aber sie wagte es nicht. Es schien ihr, daß die Mutter wahrhaftig glauben, die kleine Kokette hätte unter den Augen ihre Absicht errathen und sie zurückhalten würde. Den einer schrecklichen VerSchwarz aufgelegt, um ihren Glanz und ihre Tiefe noch ganzen Tag verbrachte sie in zu heben. wirrung. Sie war entschlossen zu gehen und hatte nicht eins mal den Muth, sich von ihrem Stuhle zu erheben. Sie war bleicher als gewöhnlich und zitterte, wie wenn sie Fieber hätte.
Kokett war Fräulein Lefrançois nicht. Sie wußte nicht einmal, was das Wort sagen wollte. Wlan hätte sie auch sehr in Erstaunen versetzt, wenn man ihr gesagt hätte, daß sie Fernand Roy liebe. Sie bewunderte den großen ernsten jungen Mann, der mit fünfundzwanzig Jahren der Herr der Stadt gewesen war, vor dem die Aristokraten gezittert hatten, und der seit Eintritt der Reaktion ruhig und widerwillig inmitten seiner Feinde lebte. Die Achtung, die er forderte und die seine Gegner ihm nicht versagen konnten, bewirkte, daß er der Rache der Thermi dorianer und der goldenen Jugend entging. Zur Zeit der Verschwörung Babeuf's fand man bei Buonarotti einen ganz unbedeutenden Brief von Fernand Roy, und sofort wurde ein Steckbrief gegen ihn erlaffen. Er verbarg sich einige Zeit und erschien dann wieder, als die Sache eingeschlafen war. Es war im Jahre 1805, als die faiserliche Polizei, die ihn fürchtete und ihn nicht mehr überwachen wollte, Hand an ihn legte. Ohne irgend welches gerichtliche Verfahren wurde er auf der Insel Oléron internirt, wo er seine Kameraden von der Vers schwörung Babeuf's wiederfand.
Nein, Juliette Lefrançois liebte ihn nicht, wenigstens tam es ihr nicht zum Bewußtsein. Wie hätte sie auch daran ge dacht, sie, die nicht einmal wagte, ihm zu antworten, und die
,, Bist Du frank, Juliette?" fragte die Mutter. " Nein," antwortete sie.
" Num, dann versuche ein anderes Gesicht zu machen. Solche Mienen liebe ich zu Hause nicht."
Dann ging Mutter Lefrançois in den Hinterraum des Ladens, um das Abendessen zu bereiten.
Da stand Juliette auf. Sie öffnete die Thür und blieb einige Augenblicke auf der Schwelle stehen. Als die Mutter sie nicht beobachtete, machte sie zwei, drei Schritte hinaus und eilte, ohne zu zögern, über den Marktplatz. Von da ging fie schnellen Schrittes weiter. Eine Viertelstunde später war sie bei Fernand Roy.
"
Wie! Sie sind es, mein Kind," sagte er etwas erstaunt aber lächelnd zu ihr. Was giebt's denn?" " Ich will nicht mehr zu Hause bleiben."
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"
" Und warum? Mißhandelt die Mutter Sie? Sie ist etwas streng, aber sie ist im Grunde nicht schlecht. Sie müssen vernünftig sein, Juliette, und ihr ge horchen, selbst wenn sie Ihnen in heftigem Tone befiehlt. Thr armer Bater hatte Sie an mehr Sanftmuth gewöhnt, ich weiß