Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 211.

Mittwoch, den 27. Oktober.

( Nachdruck verboten.

1897.

Bolitische, Herrn Pierre Rochereuil und den Herrn Abbé Georget, die wahrhaft gelehrte und überhaupt feine Leute sind. auf dem Hofe sehen."

Der Roman einer Verschwörung. Sie werden sie morgen Mittag, wenn das Wetter schön ist,

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Von A. Ranc.

,, Um so besser; guten Abend, Herr Aufseher. Noch ein Glas Wein und guten Abend. Ich werde den Schlaf der Unschuld schlafen."

Jus Deutsche übertragen von Marie Runert. Seit bald fünf Monaten wurden nächtlicherweile Diebstähle von außerordentlicher Kühnheit begangen. Es verging feine Jch zweifle nicht daran, mein Herr, glauben Sie, das ich Woche, ohne daß ein Einbruch geschah. Die Diebe hatten die nicht daran zweifle." Dreiftigkeit gehabt, sich sogar an die Kasse des General- Zahl- Nichts wahr dem ehreuwerthen Descosses unangenehmer, meisters zu wagen und waren nicht einmal vor dem Bellen als die beleidigende Benennung Herr Ausscher", und ges eines riesigen Cevennenhundes, der im Bureau schlief, wöhnlich litt er nicht, daß man sie ihm gegenüber anwandte. entflohen. Am anderen Morgen hatte man die Aber Herrn Pavie gegenüber hatte er es für passend ge Eisenblechplatte, welche das Fenster schützte, von halten, nachsichtig zu sein. Erstens hatte der Antömmling ihm

äußerst geschickter Hand durchsägt gefunden. Es war eine ein Glas Wein angeboten, eine Höflichkeit, die Descosses zurüc Arbeit, die nur von einem gewandten Arbeiter oder einem zuweisen nicht im stande war; jodann machten die zwanzig Einbrecher von Beruf herrühren konnte. Eine wahre Banit Napoleons  , die in der Kanzlei deponirt waren, den Herrn herrschte in der Stadt; man verriegelte die Thüren dreifach, Ober- Inspektor geschmeidig wie einen Handschuh. Wenn diese die Kaufleute schliefen in ihren Läden, die Dienstboten standen glänzenden Goldstücke in den Kochtöpfen der Frau Descoffes zweis oder dreimal des Nachts auf, um die Runde zu machen, geschmolzen waren, ließ man sich, wenn keine anderen nach­und waren schon vollständig erschöpft. Die Diebstähle folgten, nicht mehr Herr Aufseher" nenuen. Denn Descosses nahmen dabei ihren Fortgang, und die Diebe waren un- rechnete darauf, seinen Pensionär einige Zeit zu behalten. faßbar. Eine lange Pragis in den Gefängnissen des Kaiserreichs hatte Der Polizeikommissar Galerne setzte den Behörden vergebens ihn gelehrt, daß es viel leichter war, hinein, als hinaus zu auseinander, daß es bei der kleinen Zahl von Beamten, über die er verfügte, schwierig, um nicht zu sagen unmöglich wäre, eine ernstliche Ueberwachung einzurichten; man häufte darum die Berautwortung für das lebel nicht weniger auf ihn, und er fürchtete sehr, beim ersten Anlaß, der sich bot, abgesetzt zu

werden.

Man begreift jetzt seine Unentschloffenheit. Wenn er Herrn Pavie in das Gefängnißregister einschrieb und dieser Bavie ein ehrsamer Bürger war, wie würde er es bereuen! Anderer­feits, wenn Pavie einer der Männer war, welche Drault suchte, oder wenn er vielleicht zu der Bande von Dieben   gehörte, welche die Stadt ausplünderten, welch' Gespött dann, wenn Galerne ihn entwischen ließ!

Nachdem er alles wohl erwogen hatte, entschloß Galerne fich für das Gefängniß und führte Méhu selbst nach der " Heimsuchung". Es war neun Uhr abends und alles schon zu Bett; der ehrliche Descoffes murrte sehr wegen der Störung. Nichts desto weniger wurde er sehr liebenswürdig, als er fah, daß sein neuer Pensionär gut gekleidet war und im Besiz einer wohlgefüllten Börse zu sein schien. Er schritt un verzüglich zu den Formalitäten der Aufnahme, schrieb das Signalement Méhu's auf und maß ihn. Darauf nahm er ihm gewandt die Uhr, die Berloques und das Geld ab.

fommen.

X. Am andern Morgen früh trat Descosses am Ende seiner ersten Runde bei Rochereuil ein, um seine Aufträge entgegen zu nehmen und ein wenig mit ihm zu plaudern, wie ihm dies von Drault und dem Unterpräfetten Bourgnon, der speziell mit der Aufsicht der Gefängnisse betraut war, empfohlen worden war. Allabendlich richtete er an Bourgnon einen Bes richt, und dieser Bericht schloß uuabänderlich mit der Bemer fung, daß der Gefangene Rochereuil nichts gesagt hätte, was der Mühe verlohute, zu Papier gebracht zu werden.

An diesem Tage empfing Rochereuil den Oberinspektor mit offener Miene.

Sie fommen gerade recht, Herr Descosses", sagte er, ich habe Sie um die Vergünstigung einer Unterredung zu bitten." " Zu Diensten, Herr Rocherenil."

" Nun, danu nehmen Sie einen Stuhl, denn es wird ein wenig lange dauern."

Descoffes war sichtlich gespannt.

Herr Descosses, leihen Sie mir Ihre ernste Aufmerksam. keit," fuhr Rocherenil fort. Sie wissen, daß die Polizei sich nicht nur sehr angelegentlich mit mir, sondern auch mit den jenigen meiner Frennde beschäftigt, welche frei geblieben sind, Es ist in Ihrem Interesse, mein lieber Herr," sagte er. und selbst mit den Mitgliedern meiner Familie. Sie werden es Es giebt so schlechte Menschen, die sich kein Gewissen daraus also, denke ich, ganz natürlich finden, daß, da die Polizei fich machen würden, sogar einen armen Gefangenen zu bestehlen. um nus fümmert, wir unsererseits uns um die Polizei tüm. Man wird Ihnen morgen, wenn Sie das Gefängniß verlassen, meru. Man überwacht uns. Wir überwachen ebenfalls, lurz alles wiedergeben, denn ich hoffe, daß ich Sie nicht lange um wir spielen, frei heraus gesagt, ein wenig Kontrepolizei. beherbergen werde; Sie sind zweifellos das Opfer eines Jrr- Aber, Herr Rochereuil, Sie sagen mir da Dinge... thums, der bald erkannt werden wird; man sieht dem Herrn Bedenken Sie doch, wenn ich nicht ein ehrlicher Maun wäre fofort an, mit wem man es zu thun hat. Ich brauche Sie und wenn ich nicht so viel Achtung vor Ihnen hätte, könnte wohl nicht zu fragen, ob Sie eine gute Zelle haben wollen. ich es ja weiter sagen." Ja? Ich habe Zimmer für zehn Sous und andere für" Nein, Herr Descoffes, nein, Sie werden es nicht weiter einen Frank. In der ersten Nacht kostet es dreißig Sous wegen fagen  ; ich kenne Sie und weiß, daß Sie deffen nicht fähig der frischen Bettwäsche." sind Aber wollen Sie mich, bitte, nicht unterbrechen, soust kommen wir nicht zu Ende. Sie werden sehen, daß ich Jhuen interessantes zu sagen weiß. Es ist also jest zwei Monate her, als einer meiner Freunde, der in der Rue des Grandes- Ecoles  wohnt, um Mitternacht Stimmen auf der Straße zu hören glaubte. Er stand auf, näherte sich dem Fenster, und sah durch die Scheiben trotz der Dunkelheit sehr dentlich, wie vier Männer über die Mauer stiegen. Diese vier Männer blieben gerade dem Zimmer meines Freundes gegenüber vor dem Bijouterieladen der Gebrüder Gorini stehen. Dort beriethen sie einen Augenblick, dann gingen sie schleichend wie die Wölfe auf der Seite der Place d'Armes weiter. Unser Freund sagte sich, daß diese vier Kerle zweifellos Polizeiagenten seien. Er 30g eine Hose an, schlüpfte in ein Paar Tuchpantoffel, die Ein letztes Wort noch, Herr Aufseher. Giebt es unter ausgezeichnet waren, um beim Gehen nicht gehört zu werden Ihren Gefangenen wohl einige Leute, mit denen man ver- und folgte der Spur. Es schien ihm, daß die vier tehren könnte?" Männer, als er ihnen nachging, ihre Vorsicht verdoppelten, Wie denn nicht, mein Herr! Wir haben hier zweil wahrscheinlich um nächtliches Gesindel oder die Spizbuben,

Also, ein Zimmer zu dreißig Sous, Herr Aufseher, und wie wird hier das Essen geregelt?"

Ganz wie Sie wollen, mein Herr. Wenn Sie es wünschen, können Sie dieselbe Küche wie im Hotel des Trois­Biliers haben. Bevor meine Frau Madame Descoffes wurde, war sie Röchin bei dem Herrn Bischof."

" Sehr gut. Führen Sie mich also in mein Zimmer, Herr Aufseher, und bringen Sie mir eine Flasche Guten."

" Das ist gegen die Vorschrift, Herr. Judeß, weil es das erste Mal ist, und um es Ihnen nicht abzuschlagen, werde ich es übernehmen, Sie zu bedienen; aber Sie müssen es geheim halten. Man soll den Gefangenen zu so ungewöhnlicher Stunde teinen Wein geben."

"