842

über die sich die braven Bürger von Poitiers   in diefem Jahre so sehr beklagen, um so sicherer zu überraschen. Bei jedem Schritt drehten sie sich um und sahen, ob sie nicht beobachtet würden. So ist es doch, nicht wahr, Herr Descoffes? Aber unser Freund ist listig wie ein guter Jäger; er weiß, wie man au das Wild heranschleicht, und dieses Mal merkte das Wild es nicht. Auf der Place d'Armes trennte sich einer der vermeintlichen Agenten von den übrigen und ging auf die Herberge du Plat- d'Etain zu; aber er fam sogleich wieder. Dann gingen die vier durch die Rue de la Mairie, die Rue Saint- François  , die Place Saint- Didier, die Rue de la Regratterie, die Place du Marché, die Rue de la Tête noire, die Rue des Flageoles und kamen endlich auf dem Prangers plaz an. Dort blieben sie vor dem Hause des Registrators stehen, und einer rüttelte sogar am Schloß, zweifellos um sich zu vergewissern, daß es im stande war, den Brecheisen und Meißeln der Diebe zu widerstehen. Das Schloß war gut, und fie setzten ihren Weg fort. Sie stiegen wieder in die Stadt hinauf durch die Rue de la Prévôté, die Place des Petits Jesuites, die Place Saint- Didier, die Rue de la Mairie, die Rue Saint- Porchaire  ; aber unstatt sich wieder nach der Place d'Armes zu wenden, bogen sie in die Rue des Basses- Treilles ein und erreichten die Heimsuchung".

Herrn Descosses rann der Schweiß in großen Tropfen herunter. Ganz dicht, ganz dicht am Gefängniß angekommen, fuhr Rochereuil fort, verschwanden sie, und unser Freund konnte niemals begreifen, wo sie geblieben waren. Gestehen Sie doch, Herr Descoffes, daß er für jemand, der nicht seinen Beruf daraus macht, nicht allzu ungeschickt gewesen war." ( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

Mnvergängliche Trauer.

Von H. du Pleffac.

( Autorisirte Uebersehung.)

Mit peinlicher Regelmäßigkeit kam Frau Boucheron jeden Sonnabend zwischen 9 und 10 Uhr auf den Kirchhof. In strenger Trauerkleidung, den Kreppschleier vor dem Gesicht, schritt sie daher, in der einen Hand ein Deckelförbchen, in der anderen einen Immortellenkranz. Langsam, fast feierlich ging sie durch die Allee, aber trotz des gemessenen Tempos, fonnte man doch an jeder ihrer Bewegungen merfen, daß sie noch recht jung war. Raum einmal schweiften ihre Augen nach rechts oder links zu den Grab­monumenten, bis sie endlich an einem Hügel Halt machte, der mit einem glatten weißen Stein und einer Urne aus imitirter Bronze geschmückt war. Auf dem Stein stand folgende Juschrift:

Onesyme Boucheron,

Schlossermeister.

Seb. zu Paris   den 15. XII. 1845. Gest. daselbst am 17. IX. 1892.

Dann waren zwei Reihen frei geblieben und darunter stand: Unvergängliche Trauer!"

"

-

Euphrasie Lodoïne Gandillot, geb. Lechat, Geb. zu Coulommiers   am 20. April 1848. Gest. in Paris   am 8. Februar 1893.

Erwarte mich!

Frau Boucheron mußte bei dem frischen Hügel vorbei, und uns willkürlich machte sie eine leichte Berbeugung gegen den Leibtragenden, der den Gruß artig erwiderte.

Ein eigenthümliches Zusammentreffen! Auch Herr Gandillot fam jeden Sonnabend Morgen an das Grab feiner Frau, genau zur felben Stunde, da Frau Boucheron den Hügel des verstorbenen Gandillot ein stattlicher Mann von einigen dreißig Jahren war. Er Gatten schmückte. Der jungen Wittwe entging es nicht, daß Herr feinerseits schien nicht ohne Intereffe die hübsche junge Frau zu beobachten, die das Andenken des verstorbenen Gatten so treu in Ehren hielt. Jedesmal grüßten sich die beiden, und in dem Gruße lag die Theilnahme des einen für den Schmerz des anderen. Gesprochen hatten sie einander noch nicht.

Eines Sonnabends jedoch hatte Frau Boucheron ihre Gießkanne vergessen und bat Herrn Gandillot um die feinige. Daraus entstand über die Pflege der Blumen, die man in die Urnen steckte oder auch dann eine gewisse Nachbarschaft; fleine Dienstleistungen, Rathschläge Adressen von Geschäften, wo Grabfränze gut und billig zu haben waren, wurden ausgetauscht, und die so entstehenden leinen Unter baltungen wurden bald die Veranlassung, daß die Verstorbenen sich länger und immer länger der Gegenwart der beiden Lebenden au den Gräbern zu erfreuen hatten.

Eines Tages waren beide genau zur felben Zeit gekommen und infolgedeffen auch zur selben Zeit fertig. Gesentten Ropfes schritten sie zusammen dem Ausgange zu und sprachen über den traurigen Verluft, den sie erlitten. An der Pforte trennten sie sich. und ohne daß sie einander vorgestellt waren, flang es herüber und hinüber:

21

Adieu, Herr Gandillot!"

" Auf Wiedersehen, Frau Boucheron!" Drei Wochen später hieß es:

Auf nächsten Sonnabend, Frau Boucheron!" " Ja, auf Sonnabend, Herr Gandillot."

Eines Sonnabends schien die Sonne in voller Bracht. Die Vögel schmetterten ohne jede Rücksichtnahme auf diese Stätte der Todten ihre fröhlichsten Lieder und spielten flatternd zwischen und hinter den Gräbern Versteck. Ueber dem ernsten Ort der Ruhe lag es wie ein Hauch von Jugend und Freude.

-

An diesem Tage hatte Herr Gandillot sich von Frau Boucheron den Spaten geliehen diesmal war er der Bergeßliche gewesen und nun lehnte er an dem Gitter, daß den Hügel des seligen Onesyme umgab und plauderte mit ihr.

-

Seit wann sie Wittwe sei? Woran ihr Mann gestorben? Ob sie Kinder habe? Es war eine ganze Fülle von Fragen, die sicherlich indiskret gewesen wären, wenn die beiden Trauernden sich nicht schon so oft gesehen hätten, und sich nicht dadurch gleichsam ein fameradschaftliches Verhältniß wie zwischen Leidensgefährten ges bildet hätte.

Ach," seufzte die junge Wittwe, das Leben ist nicht sanft mit mir umgegangen drei Jahre war ich verheirathet, nun bin ich schon mit 24 Jahren allein, tein Kind, das mich trösten und er­heitern tönnte!- Armer Onesyme."

ich.

-

,, Sie haben gewiß Ihren Mann sehr gern gehabt!"

-

" O gewiß, Herr Gandillot- ich habe es erst so recht gemerkt, Diese beiden unausgefüllten Reihen waren Frau Boucheron eine als ich ihn verloren hatte. Als wir noch zusammen waren, da große Sorge. Sie wollte darauf etwas ganz besonderes Gefühlvolles waren wir nicht immer einer Ansicht. Er war eben viel älter als es ist ja Unser Geschmack ging oft sehr auseinander anbringen laffen, etwas, was für ihren verstorbenen Mann ein Lob auch erklärlich. Der Unterschied der Jahre war so bedeutend! und zugleich ein Ausdruck tiefen Schmerzes sein sollte. Bis jetzt Denken Sie nur! 28 Jahre war er älter als ich... Aber seit er hatte sie aber nichts Passendes gefunden, und der Steinmetz   wartete mich verlassen hat, mein treuester und bester Freund, weiß ich erst, noch immer auf ihren Auftrag. Wenn Frau Boucheron an dem Hügel angelangt war, fniete sie wie fehr er mir fehlt! Ich kann mich z. B. absolut nicht daran ... eine alleinstehende Frau ist so nieder und verharrte einen Augenblick in stiller Andacht, dann hob gewöhnen, allein auszugehen vielem ausgesetzt! Denten Sie nur, neulich aber nein, ich fie den Kreppschleier und ließ ein rosiges jugendliches Gesicht sehen, tann Ihnen das nicht erzählen. Wie gesagt, es ist für eine junge das im Verein mit den lichtblonden Haaren einen seltsamen Kontrast Frau traurig, niemand zu haben, bei dem sie Schutz findet! zu der schwarzen Wittwenschnebbe bildeten. Aus ihrem Körbchen Doch, erzählen Sie mir von sich selbst!-- Sie haben Ihre Frau holte sie eine fleine Harte, ein Kinderschippchen und eine zierliche

Gießtanne und fing an das Grab in Ordnung zu bringen. Darnach auch sehr geliebt?"( Schluß folgt.)

nahm sie mit einem Seufzer den Kranz ab, der in der verflossenen Woche dort gelegen hatte und durch Wind, Regen oder auch durch die Vögel start mitgenommen worden war und legte an feinen Platz den mitgebrachten neuen. Dann zog sie den Schleier wieder über das Geficht und ging, diesmal durch die Seitengänge, dem Ausgangs­thore zu.

Seit fünf Monaten pflegte sie auf diese Weise das. Andenken an den Verstorbenen. Da bemerkte sie eines Sonnabends, daß die Dritte Grabstelle zur linken Hand von dem Grabe ihres Gatten nicht mehr frei war. Die frisch aufgeworfene Erde verrieth, daß es erst türzlich belegt worden war. Auf dem Hügel befand sich, jedenfalls nur provisorisch, ein einfaches Holzkreuz, und neben diesem stand in tiefen Schmerz versunken, ein Herr.

Unwillkürlich empfand Frau Boucheron für den Einsamen ein tiefes Mitgefühl, denn sie wußte, was es heißt, einen geliebten Todten betrauern. In der nächsten Woche war der Hügel mit einem schönen weißen Stein und einer imitirten Bronze Urne geschmückt, genau so wie das andere Grab. Auf dem Stein war folgende Infchrift zu lesen:

Kleines Feuilleton.

,, Die Würde der Hausfran". In einem Nachruf, den Emile Blavet  , der Pariser   Plauderer, dem nunmehr geschlossenen Salon des Malers Munkacsy   widmet, erzählt er nachstehende lustige Anekoote über Christine Nilsson  . Zur Zeit, da Blavet   feine Thätig­feit als- Chroniqueur beim Figaro" begann, wurde er zu einem Feste bei einem prince de la finance" geladen. Befagter Millionär hatte vor furzem eine Frau heimgeführt, die eine mehr als bewegte Vergangenheit hinter sich hatte, und die nunmehr mit ihrem Printe ihre ehemaligen Kameradinnen verblüffen wollte.. Die Ein­ladungen waren zu hunderten an der Börse vertheilt und vielfach auch angenommen, da für den Empfangsabend ein wahrhaft glänzendes Programm in Aussicht gestellt worden war. Christine Nilson hatte sich erst nach langem Zureden dazu bewegen laffen, für ein Honorar von 3000 Fr. bei der Dame zu fingen. Christine sang denn auch ,, und alle Anwesenden überschütteten sie