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• Literarisches.
vorsichtigen: Ihr seid ja ohne Zweifel im Recht, aber schonet Jetzt fommt die helle Friedrichstraße. In ihr schieben sich noch viele dynastische Empfindlichkeiten, schont alles mögliche in der Welt! Und Menschen durcheinander; Menschen, die die Sucht nach Vergnügen heute lehrt die Noth dieselben sanften Leute murren und lärmen und und Zerstreuung noch nicht zur Ruhe kommen läßt. Wieder Halt. fluchen. Beinahe möchte es scheinen, als ob man im allzeit fanguini In die Wagen drängt eine ganze Menge Fahrgäste, Thürenschlagen, schen, hoffnungsdufeligen Deutsch- Desterreich die Noth wiederum der Zug fährt an. Zwei junge Herren fommen angeeilt, springen zu einer Tugend, die Ruppigkeit zu einer Größe stempeln wollte. auf das Trittbrett und kommen unter Lachen in das Wagenabtheil. Dann wird der temperamentvollste Radaumacher zum bewunderten Sie finden noch Platz neben mehreren jungen Genußbürgern, die bierHelden, und die Gefahr steigt, daß man die harte schweigsame Arbeit müde ihre Augen schließen. Mehrere Herren rauchen noch. Der im Rampf unterschätzt. Ein parlamentarischer Neuling, Herr Lecher, Rauch mischt sich mit dem Alkoholdunft, der den Schlafenden aus hat im Wiener Parlament das Kunststück fertig gebracht, zwölf dem Munde strömt. Es geht nochmals über dunkles Wasser und Stunden lang ununterbrochen auf der Rednertribüne zu stehen und durch Häuserzüge. Jenseits glänzt die goldene Kuppel des Reichstags. zu sprechen, und das unter beispiellofem Lärmen auf der rechten gebäudes. Zwei Eisenarbeiter, fnochig, zäh, in geschwärzter, fettiger und linken Seite des Hauses. Man hat ihn, wie in den Tele- Kleidung, die von einer Versammlung fommen, fangen an zu disgrammen stand, mit einem Lorbeerkranz geehrt, wie einen Helden, tutiren. Ginige der jungen Herren blicken neugierig auf, als sie die der Badeni's wider- parlamentarische Verwaltungspolitik nieder Worte: Streit Rechte Solidarität hören. Der dicke Händler, gezwungen hat. Was Lecher gethan, ist eine Leistung von förperlicher der den Arbeitern gegenüber sitt, nicht mit geschlossenen Augen vor Ausdauer, die allen Respekt verdient. Aber am Ende sollte man sich hin. Seine fetten Hände, an denen dicke Ringe leuchten, liegen mit dem Lorbeer doch spärlicher umgehen. Selbst im so unerquick auf den runden Schenfeln. Die jungen Herren schließen schlaflichen österreichischen Parlament wird zum Schluß die Entscheidung trunken wieder die Augen und leisten ihm Gesellschaft. Die Arbeiter im Kampf mit geistigen Waffen herbeigeführt. Vielleicht wird gegen reden weiter, die anderen schlafen, schlafen die Deutschen eine absolutistische Fauft sich emporrecken und da werden sie auf ganz andere Kampfmittel sinnen müssen; da wird der nationalistisch hochmüthige Brüllhans wohl ganz anders Manuel Schnizer: ,, Drillichauer Lebens. eingeschätzt werden, als heute, vorausgeseht daß die Deutschen läufe". Berlin 1897. Friedrich Schirmer. Charakterzeichnungen Desterreichs sich wirklich als Vermittler und Vertreter moderner eines Feuilletonisten, dem es hauptsächlich auf den scharfen Umriß Kultur bewähren wollen. Es ist fläglich genug, wie in Defterreich seiner Figuren ankommt. Alle diese Originale aus dem galizischen unter der nationalen Vergewaltigungspolitik die sozialpolitischen Auf- Judenstädtchen sind mit scharfen Augen gesehen und mit spiger Feder gaben leiden. abkonterfeit worden. Die Vortragsweise ist fließend, an Wiz und In der vorjährigen Kairo Ausstellung zu Treptow brüllten die lugen Bemerkungen fehlt es nicht. Doch erscheint es uns, als wären braunen, egyptischen Zuckerwaaren Händler ihr immerwährendes: alle diese Personen allzusehr verstandesmäßig erfaßt, ihre Gesichter Billig, billig, billig, daß den Besuchern die Ohren gellten. Damit werden nur von einer Seite beleuchtet, und so stellt sich beim Lesen bei uns die sozialpolitischen Aufgaben nicht verfümmern, fand sich das Gefühl ein, daß der Autor mit seinen Figuren spiele. Das ein gemischtes Komitee zusammen, das am 13. und 14. November beste Stück der Sammlung deucht uns„ Seine Mitgift" zu sein. bei uns in Berlin , im Bürgersaale des Rathhauses sogar einen Der junge, von Gesundheit und Faulheit stroßende Schnorrer ist Rongreß für Wolfsunterhaltung abhalten will. Ein prächtig herausgekommen. Die Blüthezeit der Wiener Feuilletoniften. seltsam gemischtes Komitee ist es wohl, der Ideologe Egidy schule ist wohl vorbei. Der Geschmack von heute verlangt, ganze marschirt neben dem Direktor Grube vom Hoftheater, der Menschen zu sehen, nicht Silhouetten, und wenn diese auch mit noch Reimschmied Schmidt- Cabanis neben Frau Jeannette Schwerin von so großer Kunst und Geduld angefertigt worden find. der Ethischen Kultur".( Merkwürdigerweise fehlt Frau Lina Morgenstern .) Allein, in dem Einen vereinigen sich die alliirten Brüder und Schwestern. Sie schreien füßes, sozialistisches Backwert Im Neuen Theater hat als Oswald in Jbsen's Ge fürs Volk aus, und in schrillen Klängen ertönt es: Billig, billig, fpenstern" am Freitag der Italiener Ermete Bacconi fich billig!" Genau wie bei den Egyptern auf der Gewerbe- Aus dem Berliner Publikum vorgestellt. b ftellung. Das sind andere Wolkenbeschwörer als Professor Es ist von hier aus nicht leicht, nach den verwirrenden Reklamen, Reinhold. Sie wollen das düstere Gewölke mit der Heiterkeit, die dem Gastspiel von Bacconi's Truppe vorausgingen, 311 bes mit lieber Vergnüglichkeit zertheilen; fie find überzeugt, urtheilen, was Herr Bacconi in seiner Heimath gilt. Wahrheit und daß die Sorge um das leibliche Wohl die Pflichten gegen die wirth. Uebertreibung fließen da durcheinander. Jedenfalls tritt Bacconi bei schaftlich Schwächeren nicht erschöpft, daß es vielmehr eine gleich uns mit der Absicht auf, sich als Haupt der veristischen wichtige und gleich eble Aufgabe sei, dem Bedürfniß von Hundert Schauspieler" zu präsentiren. Als solcher wurde er in Wien und taufenden nach Bildung und geistiger Anregung nachzukommen". Best erst neulich gefeiert." Veristen" nannten sich in Italien Universitätslehrer, Pädagogen, Mitglieder Mitglieder städtischer Ver zunächst die Schriftsteller und Komponisten, die, ähnlich wie unsere waltungen heran! So fann man im Aufruf lesen. Also fünstlerische Jugend vor mehreren Jahren, strenge Wahrheit, strikte foll der weise Professor und der Schulmeister wiederum Naturtreue auf ihr Programm schrieben. voranmarschiren. Sie wissen ja das soziale Weh der Menge am besten zu furiren. Nun taun es nicht mehr fehlen, wenn die gelehrten Häuser sich anschicken, dem Volt die verlorene Heiterfeit wieder guerobern; und Heiterfeit schafft zufriedene Leute. Darum auf zum fröhlichen Tagen, das Volk will amüsirt sein, das Komitee rührt die Trommel. Wir schaffen euch das Amüsement, und dabei erhebt sich, was die Hauptsache ist, der Lärm der neuen Wolfsbeglücker: Billig, billig, billig! Alpha.
Kleines Feuilleton.
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Theater.
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Herr Bacconi war übel berathen, als er in Berlin in Jbsen's Gespenstern" zum ersten Male auftrat, oder es fällt auf seinen fogenannten„ Berismus", auf seine Wahrheitsdarstellung, ein schiefes Licht. In Oswald's Krankheit gipfelt Jbsen's tragischer Aufbau nicht; an Frau Alwing erfüllt sich ein tragisches Geschick; das Krankheitsbild Oswald's ist ein episodisches Mittel, das sollten heute auch die ganz Philiftrösen schon einsehen. Gewissenhafte Psychiater und Naturkundige haben längst erkannt, was Jbsen an dem Para lytiker Oswald in unrichtigen Zügen gezeichnet hat. Nur soll man vom Dichter nichts allzu Kleinliches verlangen. Im Wesentlichen, im Großen bleibt es wahr, daß die Sünden der Väter an den Kindern heimgesucht werden.
-h. Der letzte Zug. In dem Schalterraum unter dem Nun kommt ein Schauspieler und sagt: ich entwerfe das richtige, Stadtbahnbogen flimmert eine dicke Luft. Selten geht ein Fahrgast das einzig wahre Krankheitsbild dieses Oswald. Wer will ihn die ausgetretenen Stufen zum Bahnsteig am Alexanderplatz hinauf kontrolliren als etwa eine Versammlung erfahrener Psychiater? Wie auf dem nur wenige Leute stehen. Eine alte Waschfrau fizt auf einer Bank, am Diensthäuschen fegt ein Beamter den Bahnsteig mit dieser Oswald von vornherein den Eindruck eines jah verfallenden einem langen Besen. Kleine Staubwolfen fliegen vor ihm her. In Menschen macht, wie er mit offenem Munde nach den Worten zu dem tonnenartigen Gewölbe, in dem die Eisengerüfte zart und doch schnappen scheint, wie er aus Apathie in krampfhafte Erregungen fest emporklettern, hört man nur das Kratzen des Befens. Die leeren verfällt, wie seine Intelligenz gänzlich verblödet und im Lallen Räume der Großstadt machen so müde Ueber allem liegt erlischt, das ist ein Virtuosenstück Zacconi's, manchmal schreckhaft, Licht, viel weißes, enthüllendes Licht von den elektrischen Kugeln. aber doch niemals ergreifend. Es ist eine pathologische Studie, tragisches Menschenschicksal. 3 fällt auf die Nerven und Ein taktmäßiges Rollen, ein ratterndes Schlagen, dann Derlei tann stellenweise graufig ein Röcheln und Puffen, zwei grellgelbe zwei grellgelbe Augen mit einem greift nicht an die Seele. Rann Zacconi rothglühenden Rauchschweif. Der Zug fährt auf der anderen wirken, nie den Eindruck von Größe machen. Seite ein, denn es ist ein Fernzug. Wie das in der hohen Halle nur das zerstörte Menschenbild veranschaulichen, so hat er eben ein dröhnt und schallt! Wieder ein taftmäßiges Rollen, blendende raffinirtes Stunftstück gelernt, aber nicht schauspielerische Kunst im Lichter. Fauchend fährt ein Stadtbahnzug ein und hält fuarrend; großen, persönlichen Stil geübt. Ein klinisches Bild, so unruhig es Thüren klappen, der Zug fährt an. Ueber Straßen weg, durch das erscheine, ist noch lange nicht das Bild bewegter menschlicher Leidens veraltete finftere Bentrum; nur wenige belle Hochbauten zwischen schaft. Als tünstlerische Person hat Bacconi bisher nicht zu uns ge niedrigen, dunklen Gebäuden vergangener Geschlechter. Drüben ragt sprochen; es ist vielleicht vorschnell geurtheilt, anzunehmen, daß er der grüne, weißbeleuchtete Kirchthurm auf. Der Mond steht hell das überhaupt nicht kann. Man muß eine tragende Rolle von ihm und voll über ihm. Bahnhof Börse". Thüren flappen Breite Straßen, große Bauten. Die Nationalgallerie mit dem Reiterstandbild davor sieht aus wie der Spielwagen-er-. Ronzerte. Eine langjährige Bühnenthätigkeit hat eines Riefentindes. Hü, Pferdchen, hü! Schwarze, glänzende dem Baritonisten Karl Mayer genügende Mittel übrig gelaffen, Wasserläufe, auf denen sich die spiegelnden Laternenlichter wie Licht um auf dem Konzertpodium selbst in rein stimmlicher Beziehung schlangen ringeln. Wieder stille Straßen, todte Häuser. Einzelne noch erfreuliche Wirkungen zu erzielen. Das in vernünftiger Schule Fenster sind gelbroth erleuchtet; das einzige, was auf Leben deutet. herangezogene Organ, das selbst über die eng begrenzte Höhe hinweg
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weiter.
abwarten.
Musik.