Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 217. n$ 19528

Donnerstag, den 4. November.

( Nachdruck verboten.

Der Roman einer Verfihwörung. werde ich Sie erwarten.

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Von A. Ranc.

1897.

Der Offizier erhob sich. Er war wieder ernst geworden. Adieu, meine Herren," sagte er, vom 10. Oftober ab Wenn ich bis dahin gefallen sein sollte, so weißt Du, Rochereuil, wie Du bis zum Marschall gelangen kannst..

Jus Deutsche übertragen von Marie Kunert . Er war bewegter, als er zugestehen wollte. Er umarmte Nein," sagte Rocherenil, der Abbé hat Recht. Nur sagt Rocherenil und den Abbé, drückte dem Italiener die Hand, er Ihnen nicht die wahren Beweggründe seines Handelns. grüßte und ging hinaus. Am Tage nach dem Triumph, am Tage nachdem wir Wann wird er wieder bei der Armee sein?" fragte Bonaparte inmitten seiner Armee und in Gegenwart Rochereuil. des Feindes festgenommen haben, sind wir unmöglich; fühlen" D, bald!" erwiderte der Italiener. Er wird mit Sie das nicht? Wir geben dem Vaterlande mehr als unser seinem Hollwagen nur bis Tours fahren. Dort wird er in Leben. Wir haben Absolution durch das Volksgewissen. Die einer neuen Verkleidung die Post benutzen, und in Paris vers Völker werden uns seguen, aber unter der Bedingung, daß wandelt er sich wieder in den Generalstabsoffizier. Aber meine auch nicht einmal der Verdacht des Ehrgeizes oder persönlicher Herren, wir müssen uns trennen, es ist Zeit. Wollen Sie mir Jutereffen uns berührt. Wir müssen verschwinden.... Vor folgen, mein Herr," sagte er zu Fouché ; die Nacht ist finster, der Abreise werden wir dem Rath unser Entlassungs- Sie würden Ihren Weg in diesen wenig gepflegten Gärten gesuch übersenden: Für den Fall der Niederlage sowohl als nicht leicht finden. Ich werde Sie bis zur Hinterthür des des Erfolges werden unsere Plätze durch andere ausgefüllt. Bürgermeisterhauses führen." Es muß sein. Es ist übrigens wirklich sonderbar, daß wir über die Zukunft grübeln, während unser Leben uns nicht der mehr gehört. Ich spreche für meine Person, Abbé. Du hast ftets ein unverschämtes Glück im Trictrac;*) Du wirst Dich auch diesmal herausziehen. Ich spiele besser als Du, nur der Würfel ist mir immer ungünstig. Diesmal werden wir ge­winnen, Freunde, ich hoffe es; nur ich werde verlieren. Deshalb will ich meinen Bruder nicht mitnehmen."

Bah! bah!" unterbrach der Offizier in Rutschertracht ihn, das ist dasselbe, was wir in der Armee Vorahnungen nennen. Nun, mein alter Rochereuil, das will durchaus nichts sagen. Ich habe jedesmal vor der Schlacht solche Vorahnungen, und mein Körper, auf den ich etwas halte, hat auch noch nicht die Kleinste Schramme abbekommen. Die Vorahnungen, siehst Du, find nichts weiter als die natürliche Schen, die jeder vor dem Tode hat. Bei diesem Mantel aus Ziegenhaaren, den ich seit acht Tagen schleppe, und der reichlich sechzig Pfund wiegt ich werde es Dir vergelten, Rochereuil, daß Du mir diese Verkleidung und einen so wichtigen Posten im Fuhr­wesen gegeben haft bei diesem Mantel, wir werden alle in sechs Wochen in Paris sein. Abbé, ich biete Dir einen Bunsch bei Corazza an und werde Dich in die Galerie de Bois hinein­Lotsen. Ach, Abbé, welch' bezaubernder Drt! Das ist das Asyl der Grazien und des Spiels!"

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Abbé Georget zuckte die Achseln.

Ach, Abbé," fuhr der Offizier fort, werde nicht gleich böse und laß' mich ein wenig lachen. Du siehst doch, daß ich scherze. Ich kenne ja Deine strengen Grundsätze. Bei mir ist das etwas anderes. Sagen Sie, Herr Michel, Sie werden doch nicht etwa die Enthaltsamkeit dekretiren? Schön, da sieht mich nun noch einer unwillig an! Herr Michel, bedenken Sie ich flehe Sie an daß doch nicht alle Leute Ihre Strenge haben fönnen. Ich bewundere, ich verehre Sie, aber ich kann Sie nicht nachahmen."

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" An den schlechten Sitten," sagte ernst der Italiener, " gehen die Republiken zu Grunde."

"

dray

Ah. Sie sind bei Herrn Bourgeois abgestiegen?" sagte Abbé. Er ist ein sehr liebenswürdiger Mann." " Ja, und was mehr ist, er gehört mir." " Aber da muß er ja in Todesängsten sein." Gewiß, aber er wagt nicht einmal seine Furcht zu zeigen. Wir fennen uns seit 92. Er wird mich übrigens bald los. Morgen Vormittag fahre ich ab. Ich habe einen Abstecher nach Poitiers gemacht, um Sie zu sehen, aber es ist un erläßlich, daß ich mich so bald wie möglich in Mailand zeige. Ich laffe Jacotin hier, der unser Vermittler sein wird. Er ist sehr geschickt, beinahe ehrlich, und mir ergeben. Ich habe ihn oft auf die Probe gestellt, und er hat mich nie verrathen." " Hat er andere verrathen?"

" Bielleicht, dann aber aus Passion; er ist seinem Beruf ganz und gar ergeben und hängt nicht zu sehr am Gelde. In diesem Augenblick ist es seine fire Idee, sich an Revigo zu rächen, der ihn fortgejagt hat. Seien Sie im übrigen vor­fichtig und sagen Sie ihm nur das Nöthigste. Er erräth ohne­hin schon zu viel." Es ist schlimm, daß man sich solcher Werkzeuge bedienen muß. Es ist schlimm, aber nicht zu umgehen. Adieu, Herr Rochereuil; auf Wiedersehen Herr Abbé. Herr Michel, ich folge Ihnen."

"

Als sie fortgegangen, herrschte zwischen Rochereuil und dem Abbé für eine Weile Schweigen. Um welche Stunde erwartet Descoffes uns?" fragte der

Abbé.

zwölf."

"

Um zwei Uhr früh," erwiderte Rochereuil; es ist kaum

Wird Juliette zurückkommen?"

" Ja, sie sollte schon hier sein, vorausgesetzt, daß ihr mitten in der Nacht allein auf der Straße nichts zugestoßen ist."

General Polizeiministerium.

XIII.

Bericht Nr. 8421.

Kabinet des Ministers. Aber ich versichere Sie, daß meine Sitten nicht schlecht find. Ich bin nur insofern schuldig, als ich Rochereuil, der zur Melancholie neigte, etwas aufheitern wollte. Zum Teufel, alles hat seine Zeit! Die Berathung ist zu Ende, die Sitzung Wir sind alle einverstanden. ist aufgehoben. Bei meinem

"

" 1

Sr. Exzellenz dem Herrn Herzog von Stovigo. Poitiers , im September 1813.

Herr Minister!

härenen Mantel, ich habe Recht, wenn ich lache. Ich bestätige Ew. Exzellenz den Inhalt meiner Depesche Es ist dringend nöthig, daß die In diesem Augenblick hörte man ein leises Geräusch im von heute Vormittag. Garten. Der Italiener ging sofort hinunter. Person des Herrn Pavie, genannt der Mann mit den Er Nach einigen Minuten kam er wieder herauf. großen Taschen" auf das Sorgfältigste überwacht wird. Dieser Alles steht gut," sagte er. Die Wege nach dem Garten wird wahrscheinlich morgen in Paris ankommen. und dem Boulevard sind frei. Fernande , Louis und einer Mensch hat zweifellos die Schlüssel zu der ganzen Sache in seiner Freunde haben während des ganzen Abend mit der Hand. Ich beharre bei meiner Ansicht, daß Rochereuil Degrange's Leuten Versteck gespielt. Ihm selbst ist und der Abbé Georget nur einen untergeordneten Rang in der durch einen Bericht die Herberge zu den vier Bypressen, geheimen Gesellschaft bekleiden. In jedem Falle sind sie jetzt eine Meile von Boitiers entfernt, als von verdächtigen Ber - auf vollständige Unthätigkeit beschränkt. Der Gefängniß­und seine Pensionäre sonen besucht angezeigt worden. Er hat sich in Person dort- inspektor ist sehr intelligent, mir nicht genau hin begeben und ist noch nicht zurückgekehrt. Sie können, fönnen keine Bewegung machen, die Während der zwei Stunden, in denen fuhr er, sich an den Offizier wendend, fort, ruhig fortgehen berichtet wird. es ihnen erlaubt ist, mit einander zu verkehren, spielen und in Ihre Herberge zurückkehren." fie Trictrac. Abbé Georget empfängt keine Besuche. Rochereuil sieht nur seine Mutter. Diese ist eine sehr respektable Dame,

*) Trictrac, cine Art Brettspiel.