Unterhaltungsblatt des Vorwärts

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Nr. 223. Freitag, den 12. November. Freitag, den 12. November.mt la mate 1897.

( Nachdruck verboten.)

feit. Und dann that er ja auch, was er für seine Pflicht

Der Roman einer Verschwörung. hielt, und sie hätte dem Gatten, den sie verloren, und ihrem

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Hiloduse d

Von A. Ranc,

Sohne unrecht gethan, wenn sie versuchte, ihn zurückzuhalten. Sie achtete ihn zu hoch, als daß ihr auch nur der Gedanke gekommen wäre, er könnte zurücktreten, wenn er sich und anderen versprochen hatte, zu handeln.

Jns Deutsche übertragen von Marie Kunert . Der kleine Louis, der zu dieser Zeit erst zwölf Jahre alt Pierre Rochereuil fonnte also einige Zeit lang hoffen, daß war, wurde größer, und Pierre, bisher noch ein Jüngling. seine Mutter nichts ahnte. Aber eines Tages preßte sie ihn beim reifte zum Manne. Sie trennten sich nicht von Frau Roche Abschied mit aller Junigkeit an das Herz und füßte ihn heiß. reuil, die ihnen mit ängstlichem Auge folgte und in jeder Ganz leise sagte sie zu ihm: Sei vorsichtig, mein lieber Sohn!" Minute zitterte, daß ihr Glück verloren gehen könnte. Denn Das war alles. Von da an bis zu dem Tage, als die Thore friedlich ihren Kindern und dem Andenken ihres Mannes des Gefängnisses sich hinter Pierre schlossen, machte sie nie lebend, genoß sie, da sie die Vergangenheit nicht eine Andeutung über ihre Befürchtung oder Hoffnungen, denn zurückrufen konnte, alles Glück, das die Gegenwart noch hoffte sie.

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ihr bot. Sie lebte vollständig zurückgezogen, empfing Als die Nachricht von dem verfehlten Verfuch des Generals nur den Abbé Georget und vielleicht noch einen intimen Freund Malet wie ein Blitzstrahl einschlug, war Pierre Rocherenil ihres Mannes, die wenigen Getreuen, die sie auch in bösen nicht in Poitiers . Er war seit acht Tagen verreist. Sein Tagen nicht verlassen hatten.lige liv sig Name wurde jedoch in den Zeitungen nicht genannt, er divisionName Mitunter brachte Pierre auch einen Fremden mit, bald wurde bei den Debatten nicht erwähnt. Eine Woche verfloß. einen Mann von ernſtem, zurückhaltendem Wesen und durch Zum ersten Mal fragte Frau Rochereuil Louis, von dem sie dringendem Blick, bald einen Offizier eines der Regimenter, glaubte, daß er der Vertraute seines Bruders wäre, ob er die auf dem Wege nach Spanien Poitiers passirten. Frau wenigstens wüßte, was aus Pierre geworden wäre. Louis war Rochereuil wunderte sich nicht, daß ihr Sohn so viele Leute ebenso ängstlich wie sie. Bei der Abreise hatte Pierre ihm kannte, von denen er niemals zu ihr gesprochen hatte. Sie nichts gesagt.

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begriff, daß es politische Glaubensgenossen waren. Eine Wolke Endlich in einer Nacht, die Frau Rochereuil wie so viele ging über ihre Stirn, die sich indeß bald aufhellte, und der andere in langer, peinigender Schlaflosigkeit verbrachte, hörte Besuch wurde auf das herzlichſte empfangen. hollfie sacht an die Thür flopfen. Sie ftand hastig auf und eilte hinaus, um zu öffnen. Pierre trat ein. Seine Mutter Erinnerte sie dies nicht an die Zeiten, als die Kollegen fiel ihm um den Hals, dann führte sie ihn an der und Freunde des Boltsvertreters Rochereuil nach den Sizungen Hand in ihr Zimmer, wo sie ihn beim Schein einer matt des Konvents in ihrem Salon zusammen famen? Aber wenn brennenden Lampe betrachtete. Sein Gesicht war entstellt. das Mahl beendet war, der Fremde sich von ihr verabschiedet Die Züge trugen den Stempel furchtbarer Müdigkeit und hatte und sie fah, wie ihr Sohn sich mit ihm in sein Zimmer tiefer Trauer; aber er schien seiner Person wegen nicht un­einschloß oder wenn sie ihnen von ihrem Fenster aus folgte, ruhig zu sein. Er füßte feine Mutter noch einmal und ließ während sie in einer entlegenen Allee des Gartens lange sich in einen Stuhl fallen, während er leise sagte: spazieren gingen, dann erschien die Wolke wieder auf ihrer Todt! Sie find todt! Alle drei!" 16

Stirn und sie sprach bei sich: Meine Kinder, meine armen" Fürchtest Du etwas? Wirst Du verfolgt?" fragte Frau Kinder, so werde ich Euch also auch verlieren!" Dann Rochereuil. rodi wurde sie in ihrer Angst von einem nervösen Bittern erfaßt, Er machte eine Bewegung, die ausdrücken sollte, wie und sie gab sich keine Mühe, Fassung zu erzwingen, denn sie gleichgültig es ihm jetzt nach dem Untergang aller seiner Hoff war allein. 510 linungen, nach der Niederlage und demi Tode von Malet, Guidal und Lahrin war, ob er sich in Gefahr befand oder nicht. Aber ich, unglückseliges Kind," sagte Frau Rochereuil in traurig vorwurfsvollem Tone, denkst Du nicht an mich?"

Pierre war oft abwesend. Er blieb mehrere Tage, manch­mal auch mehrere Wochen fern von Poitiers . Zuerst hatte Frau Rochereuil sich nicht weiter deshalb gesorgt. Es war zu der Zeit, als ein schnell bekannt gewordenes Verhältniß des jungen Mannes mit der am meisten umschwärmten Dame der Stadt, Frau von Pungarrean, begonnen hatte. Frau Rocherenil glaubte, daß Pierre seiner Liebschaft wegen so oft abwesend wäre. Obgleich sie etwas eifersüchtig auf die Herrschaft war, die eine andere Person auf ihren Sohn ausübte, so schmeichelten doch auch wieder diese Erfolge Pierre's ihrem mütterlichen Stolz. Denn Blanche von Buygarreau war die reizendste Frau von Poitiers . lo mus

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Es ist wahr, Mama, verzeih mir!" dus sijaondid gangenheit vor sich aufsteigen, ihren Gatten in seiner Jugend und Kraft, den Sohn auf den Knien, der die ersten kindlichen Laute stammelte. Gie fonnte eine Thräne nicht zurück­halten.

Verzeih mir," sagte Pierre, ich bin so verzweifelt! Nein, Du hast nichts zu fürchten. Ich habe fliehen können. Dant einem wunderbaren Zufall bin ich gerettet worden, jetzt kümmert die Polizei sich nicht mehr um mich. Aber sie, sie sind todt, gefallen unter den Kugeln der Soldaten Na­

Frau Rocherenil war übrigens zu gefcheidt, sich merken zu lassen, daß sie etwas von diesem Verhältniß wisse. Aber sie bemerkte bald, daß sie sich betreffs der Beweggründe für polcons!" Pierre's Abwesenheit geirrt hatte. Es handelte sich weder um Er stockte einen Augenblick, in bittere Betrachtungen ver Liebe noch auch nur um Galanteric. Er ging allein nach fenkt. Frau Rochereuil chrte seinen Schmerz und schwieg Baris, und Frau von Pungarreau blieb ebenfalls allein in ebenfalls. Poitiers . Als sie ihn einmal bat, fie mit zu nehmen, hatte Ach," sagte er, plötzlich aufspringend, so nahe dem Pierre es ihr abgeschlagen. Von da ab trat eine Verstimmung Triumph! Es ist, um mit dem Kopf gegen die Wand zu zwischen beiden ein, die einiges Aufschen in der Stadt, wo rennen! Ach! sein Stern bleibt ihm immer treu! Alle, alles bemerkt wurde, erregte. einer nach dem andern getroffen, mein Vater in Anjouae, Qudet in Wagram , Walet in der Ebene von Grenelle... Aber ich, ich lebe, und werde sie rächen.

Da fühlte Frau Rochereuil, daß sie fich nicht länger ihren Illufionen hingeben konnte. Die Wahrheit sah sie deutlich vor fich. Das Unwetter ballte sich zusammen. Die Fremden, die Am nächsten Tage erschien Pierre Mochexeuil ruhiger.Er berichtete unangemeldet in ihr Haus tamen,... die plötzlichen Reijen seiner Mutter, Louis und dem Abbó Georget die Einzelheiten ihres Sohnes. Sie mußte es sich eingestehen, daß Pierre über die Hinrichtung Malet's und feiner Mitangeklagten. Er in eine Verschwörung verwickelt war. Ihr Mutterinstinkt erzählte ihnen, wie der General nach zwei Salven noch lebte täuschte sie nicht, wie früher ihr weiblicher Justinkt sie nie und erst mit Bajonettstichen getödtet wurde. Bon sich selbst Er betrogen hatte, wenn ihr Mann sich in Gefahr befand. Sie und seiner Betheiligung an der Sache sagte er nichts. las in den Zügen Pierre's, wie sie einſt in denen ihres versicherte Frau Rocherenil nur von neuem, daß er nicht kom Gatten gelejen hatte. daß die Stunde der großen Ent promittirt wäre. In der That geschah es auch erst einige scheidung näher rückte. Mionate später, daß Rocherenil und Abbé Georget infolge von Berichten an das Generalpolizeiministerium, deren Verfasser man nicht taunte, verhaftet wurden. In einer so delikaten

Sie fragte ihren Sohn nicht, sie bat ihn nicht, auf seine Pläne zu verzichten. Nein! fie fannte feine unbefiegliche Zähig: