Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 224.

Sonntag, den 14. November.

( Nachdruck verboten.)

1897.

Louis zur gewohnten Stunde nicht nach Hause kam, ging fie nicht schlafen. Er fam erst gegen 1 Uhr morgens.

Wie, Mutter", sagte er," Du hast auf mich gewartet?

Der Roman einer Verschwörung. Das ist nicht gut! Du wolltest" mich strafen, weil ich Dich

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Von A. Ranc.

nicht benachrichtigt hatte."

"

Du hast Fräulein Lefrançois heute Abend gesehen, Louis?"

Jns Deutsche übertragen von Marie Kunert  . Rochereuil war in strenger Einzelhaft, die nur unter- Ja, das Wetter war so schön. Da sind wir lange brochen wurde durch die Besuchserlaubniß, die der Unter- spazieren gegangen. Ich habe sie bis zu ihrem Hause begleitet präfekt ihm und seiner Mutter nicht abzuschlagen gewagt hatte. und mich wahrhaftig beim Plaudern mit ihr verspätet." Frau Rochereuil brachte ihrem Sohne Bücher, die er zu Höre, Louis", sagte Frau Rochereuil mit bewegter lesen wünschte, in das Gefängniß. Heimlich steckte sie ihm Stimme." Ich will Deine Geheimnisse und die Deines Zeitungen zu, denn die Leute, welche mit der Gefängniß- Bruders, die Euch vielleicht nicht allein gehören, nicht Brdnung und ihrer Ueberwachung betraut sind, verbieten gern wissen; aber meine lieben Kinder, ich habe eine Bitte, eine die Zusendung von Zeitungen, selbst von solchen wie der einzige. Ich bin start, ich bin muthig, davon seid Ihr Beide Moniteur" oder andere Blätter, die unter dem ersten Raiser überzeugt. Wohlan, wenn Ihr im Begriff seid, etwas zu reich erscheinen durften. Die Gründe dafür sind niemals be- unternehmen, wenn Ihr in Gefahr schwebt, dann bitte ich kannt geworden, aber die Sache ist so. Frau Rochereuil ver- Euch, benachrichtigt mich vorher. Ich werde nicht weinen, barg die chiffrirten Briefe bei sich, die Pierre ihr gab, um sie wenn ich Euch umarme, meine Hand wird nicht zittern. seinem Bruder auszuhändigen. Sie brachte Pierre auch die Fürchtet nichts von mir! Aber sagt mir die Wahrheit, sagt Antworten. Beim Eintritt und beim Verlassen des Gefäng- sie mir! Ich bin zu Ende mit meiner Kraft; die schreckliche nisses durchsuchte man sie. Die Frau cines Profoßen befühlte Angst, in der ich lebe, tödtet mich. Louis, ich beschwöre Dich, sie mit ihren unsauberen Händen. Wenn die Briefe gefunden schreibe es Deinem Bruder; ich habe nicht den Muth, mit ihm wurden, setzte sie sich der Bein aus, von einem Descosses ver- davon zu sprechen." höhnt, beleidigt und gedehmüthigt zu werden. Einmal nöthigte man sie, in das Zimmer von Frau Descosses ein­zutreten, wo sie von zwei Weibern vom Kopf bis zu den Füßen entkleidet wurde. An diesem Tage trug fie glücklicher­weise weder Briefe noch Zeitungen bei sich. Der Gefängniß- Beglaubigte Abschrift eines Briefes von Herrn Drault, inspektor stammelte einige Entschuldigungen. Sie antwortete Untersuchungsrichter am Gerichtshofe von Poitiers  , an den nicht. Was lag ihr daran! Herrn Herzog von Rovigo  , faiserlichen General Polizeis minister.

Die gröbsten Beleidigungen hätten sie gleichgiltig gelassen; sie hätte sie nicht einmal beachtet. Wenn sie ihrem Sohu einen Augenblick der Freude verschafft hatte, wenn sie einem seiner Wünsche zuvorgekommen war, wenn sie ihn endlich heiter und in besserer Stimmung als am Tage vorher verließ, dann dachte sie nicht an das, was es sie etwa tosten konnte. Trug sie nicht ihren Trost, ihre Belohnung mit sich fort?

Louis Rochereuil senkte das Haupt.

" Ich werde es thun, Mutter," antwortete er sanft. XVIII.

Herr Minister!

Poitiers  , im Oktober 1813.

Ich erlaube mir, Ihnen diesen Brief in anbetracht seiner Dringlichkeit direkt zu übersenden. Die Aushändigung auf dem Wege durch Ihre Bureaus währt so lange, daß ich ges glaubt habe, in diesem Falle die amtliche Ordnung einmal Seit einigen Tagen hatte Frau Rochereuil eine Vers durchbrechen zu dürfen. Ich werde übrigens eine Abschrift änderung in dem Wesen Pierre's bemerkt. Er schien dieses Berichtes dem Herrn Generalprokurator von Poitiers eher stark beschäftigt als gelangweilt zu sein, und übergeben, der ihn Sr. Exzellenz dem Herrn Oberrichter aus oft war er zerstrent oder in so angestrengtes Nachdenken händigen wird. vertieft, daß ihn die Anwesenheit seiner Mutter nicht einmal abzulenken vermochte. Bald aber wurde er wieder er selbst und sprach leichter und heiterer als sonst. Frau Rocherenil hätte darauf schwören mögen, daß diese Heiterkeit erkünftelt war, und sie verstand sich gewiß darauf.

Seit der Abreise des Herrn Degrange, dieses hervor­ragenden Beamten Ihrer Verwaltung, den Ew. Exzellenz mir gnädigst zur Verfügung stellten, ist bis zu den letzten Tagen nichts geschehen, was werth wäre, vermerkt zu werden und Ihre Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. Am letzten Montag In dem Augenblick, als sie das Gefängniß verließ, hatte jedoch hat der Agent, den Herr Degrange in Poitiers   zurück­er sie herzlicher gefüßt und umarmt als gewöhnlich. An dem gelassen, mich von einem ziemlich ernsten Vorfall benach­Abend, als sie sich diese Thatsache eingestand, fühlte sie sich richtigt. bis ins Herz getroffen. Sie fonnte einen Gedanken, der ihr Fünf in der Stadt unbekannte Judividuen, gut gekleidet, unaufhörlich durch den Sinn ging, nicht los werden. In aber von verdächtigem Aussehen, waren in einer Posttutsche dieser Umarmung scheint Pierre mich im voraus um Ber  - beim Hotel des Trois- Piliers angekommen. Sie hatten sich zeihung bitten zu wollen wegen des Kummers, den er mir dort zum Essen aufgehalten und angeordnet, daß ihnen be verursachen wird." fonders servirt wurde. Sie sprachen leise miteinander und fchwiegen, sobald der Kellner des Hotels sich ihrem Tische näherte.

"

Da beobachtete sie ihren Sohn Louis wie eine Spionin und überwachte ihn in jeder Minute. Sie merkte sich jedes seiner Worte; sie notirte sich die Stunden, in denen er von Hause abwesend war, sie achtete auf jede geringste Bewegung, auf die leiseste Veränderung in seinen Zügen. Aber Louis, dem sein Bruder mit bezug hierauf hundertmal die genauesten Vorschriften gemacht hatte, war sehr vorsichtig und fiel nicht in die kleinen Fallen, die ihm gelegt wurden. Er beschäftigte sich nur scheinbar mehr und war geräuschvoller als soust. Das war seine Art, sich zu verstellen.

Als er an dem Abend, da die Mitglieder des Aktions­komitees der blauen Brüder" sich in Juliette's Zimmer ver­sammelt hatten, überrumpelt worden und gezwungen war, un­verzüglich den Anordnungen des Italieners zu folgen, hatte er nicht daran gedacht, seine Mutter zu benachrichtigen, was er sonst stets that, wenn er spät nach Hause kam. Er war fort und etwa eine Viertelstunde auf dem Plate spazieren ge­gangen. Juliette Lefrançois, die Frau Rocherenil sehr wohl tanute, war ihm dort begegnet. Sie hatten einige Worte ge­wechselt und fich dann schnell entfernt.

Das war Frau Rocherenil sonderbar erschienen. Als

Nichts desto weniger hatte man einige verfängliche Worte auffangen tönnen. Schließlich hatte der Kellner bemerkt, daß einer von ihnen, der der Führer zu sein schien und zufällig seinen Reisemantel öffnete, bewaffnet war. Als er sich von der Tafel erhob, befahl er einem seiner Gefährten, Postpferde zu holen.

Der Agent wurde von der Anwesenheit dieser verdächtigen Männer durch einen der Pensionäre des Hotels benachrichtigt, einen Herrn Tribot, Kaufmann aus Paris  , den seine Geschäfte hier zurückhalten, und mit dem er geschickt Bekanntschaft au­gefnüpft hat.

Ich ließ augenblicklich den Kapitän der Gendarmerie rufen, der sich persönlich nach der Post begab, um sich dort zu erkundigen. Die fünf Menschen waren schon abgereist; sie fuhren nach Paris   zu. Auf der Post wie im Hotel war man von ihrem sonderbaren Auftreten überrascht gewesen. Sie schienen es sehr eilig zu haben und bezahlten doppeltes Trinkgeld.

Der Kapitän stieg mit sechs entschlossenen Leuten zu Pferde