Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 229.
Dienstag, den 23. November.
( Nachdruck verboten.)
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XXII.
1897.
Rochereuil und der Abbé sahen sich mit verzweifelter
Der Roman einer Verfihwörung. Miene an. Keiner hatte den Muth, zuerst zu sprechen.
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Bon A. Ranc.
Endlich stand Rochereuil auf.
„ Wir
" Ich werde unsere Freunde suchen," sagte er. müssen ihnen die Wahrheit sagen und mit ihnen berathen.". Als alle fünf beisammen waren, setzte Rochereuil ihnen die Lage auseinander, ohne etwas zu verbergen. st„ Meine Herren," sagte er zum Schluß ,, Georget und ich vertreten hier die Zensur der Gesellschaft. Die Statuten ermächtigen uns, allein eine Entscheidung zu treffen, aber der Fall ist zu ernst, und Sie sind zu sehr dabei betheiligt, so daß wir diesmal von unserem Recht keinen Gebrauch machen werden." Einer der blauen Brüder nahm das Wort.
"
Jus Deutsche übertragen von Marie Kunert . In Miene und Ton des Marschalls drückte sich Verlegenheit aus, aber ich sah wohl, daß, wenn er sich auch schämte, sein Entschluß darum nicht weniger fest war. Dennoch sprach ich zu ihm, wie ich mußte. Ich erinnerte ihn an sein Versprechen, sein Wort, daran, daß Ihr nicht gezaudert hättet, Euren Kopf auf das Spiel zu setzen. Er antwortete durch ein Achselzucken. Ich ließ mich dadurch nicht entmuthigen. Ich appellirte an seine Ehre, seinen Patriotismus. Ich sagte ihm, daß die Niederlage Napoleon's die Invasion bedeute, und wenn Bürger Rochereuil," sagte er, es sind zwei Punkte in I wir nicht handelten, würde Frankreich vielleicht mit dem betracht zu ziehen, zuerst die Sache selbst und dann unsere Kaiser untergehen. Ich sah ihn starr an. Da erröthete er persönliche Lage. Ich glaube, wir müssen über beide Punkte und wandte die Augen ab. Aber ich hatte alles begriffen. getrennt verhandeln. Bürger Rochereuil, Sie haben bis jetzt Dieser Mann, mein lieber Rocherenil, hat vielleicht mit dem die Leitung des Unternehmens gehabt. Sie kennen seine Stärke Hauptquartier , mit dem Kaiser Alexander, mit den Fürsten und seine Schwäche. Es ist also an Ihnen, Ihre Meinung unterhandelt. Man hat ihm Versprechungen gemacht und sich abzugeben." ihm gegenüber verpflichtet. Er ist sicher, daß er in den Es sei," antwortete Rocherenil. Wohlan! Was die Sturz Napoleon's nicht mit hineingerissen wird. Nicht wahr, Sache selbst anlangt, so ist alles in Gefahr, alles verschoben, wir, die Republik , hätten ihm doch seine bisherigen Einkünfte aber nichts verloren. Bis zu Napoleon zu gelangen ohne die nicht erhalten? Je länger die Unterredung dauerte, desto Hilfe, welche wir hier bei einer mächtigen Persönlichkeit finden flarer wurde mir dies. Ich versuchte eine letzte Anstrengung. sollten, ohne den Freund, den wir verloren haben, ist unIch wollte ihn erschrecken, ihn wenigstens in Unruhe versetzen, möglich. Decius ist todt, meine Herren, er ist bei Möckern indem ich von Fouché sprach. Da fing er an zu lachen. getödtet worden. Der Marschall verräth uns. Wir dürfen Fouché ," sagte er; aber der ist ja immer damit einverstanden uns keinen Illusionen hingeben, die Thätigkeit in der Armee gewesen, daß wir im Falle einer endgiltigen Niederlage der und durch die Armee ist uns fünftig unmöglich gemacht. Sehen Armee und damit des Kaisers auf das geplante Unternehmen Sie den Offizier, der dort, von Müdigkeit überwältigt, auf dem verzichteten. Das ist doch eine endgiltige Niederlage, nicht? Bette schläft? Er ist der legte, der uns von unsern MilitärHoffen Sie denn, daß wir unser Leben in einer so ernsten sektionen bleibt, der letzte, hören Sie wohl: es bleibt uns Sache auf das Spiel sehen würden, um tin größer Ueber niemand als er!" stürzung ein Resultat herbeizuführen, das die Gewalt der Ereignisse binnen kurzem von selbst bringen wird?"
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Jch fiel von einer Ueberraschung in die andere. Wie! Fouché auch! Fouché , der sich in der Revolution so fompromittirt hat, Fouché schmeichelte sich, von den Verbündeten angenommen, von den Bourbons gelitten zu werden? Das ist unmöglich. Ich bemerkte es ihm. Er lächelte.
Siehst Du, es ist nur zu klar; während diese beiden Männer sich uns verpflichteten, unterhandelten sie mit den Bourbons. Wir waren für sie nur im schlimmsten Falle vorhanden. Ach, Rochereuil, ich habe geweint. Ja, auf mein Wort, ich fühlte, wie große Thränen in meinen Bart rollten. Alles was ich vom Marschall erlangen konnte, war, daß er Euch, wenn Ihr wollt, helfen wird, durch das feindliche Gebiet zu kommen, Euch den Krallen Napoleon's zu entreißen. In der schrecklichen Unordnung, in der wir uns befinden, wird dies leicht sein."
"
Hier bebte Rocherenil's Stimme wider Willen. Man sah, daß er sich Gewalt anthat, um seine scheinbare Unbeweglichkeit zu bewahren.
So besteht also", fuhr er fort, über den ersten Punkt fein Zweifel. Alle unsere Anstrengungen müssen sich jetzt auf Baris richten. Es ist ein beträchtliches Stück Arbeit, eine schwierige Aufgabe! Alles muß von vorn angefangen werden,"
Aber", fragte der blaue Bruder, der schon gesprochen hatte, sollten die Pariser Sektionen nicht zu gleicher Zeit mit uns vorgehen?"
„ Glücklicherweise nicht; der Führer des Aktionskomitees wird sich nicht eher rühren, als bis er Nachrichten von uns erhalten hat. Es wird sogar gut sein, Bürger, daß einer von Ihnen sich aufmacht und ihm mittheilt, was wir eben beschließen. Ach, alles versagt mit einem Male, und wir sind ausschließlich auf unsere eigenen Kräfte angewiesen! Die französische Armee kann sich nicht mehr halten. Sie wird sich an den Rhein zurückziehen. Die Bataillone, die in diesen drei Schlachttagen vernichtet worden sind, waren die Reserve Frankreichs . Es giebt keine Männer, keine jungen Leute mehr. Frankreich ist erschöpft. Es hat den letzten Mann den " Auf Deine Ehre und Gewissen, glaubst Du, daß es und letzten Sou hingegeben. wird Bonaparte ohne die Hilfe des Marschalls noch eine Möglichkeit, eine feine neue Armee aus der Erde stampfen können. einzige, giebt?" Wenn selbst Männer dazu vorhanden wären, so würde Reine", antwortete Philopoemen. Wenn Decius noch ihm die Zeit dazu fehlen, denn die Verbündeten werden ihn lebte, wäre es Tollheit, aber es giebt tolle Wagniffe, die ge- nicht Athem schöpfen lassen. Sie wissen jetzt, wie man mit lingen. Da Decius todt ist, giebt es keine Möglichkeit, ich wiederhole es Dir, nicht eine einzige."
Rochereuil und Abbé Georget hatten Philopoemen an gehört, ohne ihn durch einen Ausruf zu unterbrechen, ohne daß eine Muskel ihres Gesichts sich bewegte. Als er geendet hatte, legte Rochereuil ihm eine einzige Frage vor.
Es ist gut." Rochereuil sprach nur dieses Wort, dann fetzte er sich und stügte den Kopf in die Hände.
" Jch werfe mich auf dieses Bett," sagte Philopoemen zu dem Abbé, ich werde versuchen, eine Stunde zu schlafen, denn ich fühle, daß ich sonst bald ohumächtig werde. Ueberlegt alles, meine Freunde, und wenn Ihr einen Entschluß gefaßt habt, weckt mich. Ihr wißt, was mir an Kraft bleibt, gehört Euch. Verfügt darüber."
Dann schritt er[ wankend auf das Bett im Hintergrund des Zimmers zu und ließ sich hineinfallen. Man schrieb den 22. Oktober, und seit dem 17. Oftober war er ganze Tage lang zu Pferde gewesen und hatte in den Nächten kaum eine oder zwei Stunden geruht. Bald war er tief eingeschlafen.
diesem Gegner umgehen muß. Sie sind im stande, erst vor Paris Halt zu machen. Ein neuer Feldzug wird vielleicht genügen. In dieser Stunde ist Napoleon befiegt; er wird sich nicht wieder anfraffen. Die Marschälle und Fürsten des Kaiserreichs suchen schon das Hinterpförtchen. Heute Morgen sprach man in einer Gruppe von Offizieren darüber, daß Murat die Armee verlassen und nach Italien zurückkehren würde. Ja, Bonaparte ist verloren, und um seinen Sturz mit anzusehen, brauchen wir nur ruhig die Arme zu verschränken und zuzusehen. Doch wenn Bonaparte vom Auslande besiegt ist, so bedeutet das soviel wie die Zerstückelung Frankreichs und die Restau ration der Bourbons! Wollt Ihr das? Kämpfen wir für dieses Resultat seit zehn Jahren?"
" Nein, nein!" riefen die blauen Brüder wie aus einem
Munde.
Wir sind einig, Bürger. Unerwarteter Verrath ver