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treffenden Person mit der Stärke der Erregung fast tomisch| zerrte, war gewiß nicht der intelligentefte Mann. Das Machtgefühl fontraftirt, so mag man sich erinnern, daß der Ausbruch batte ihn berauscht. Im übrigen zog er nur äußerste Folgerungen: scheinbar längst erloschener Krater zerstörende Gewalten mit Was, Frau, du wagst zu widersprechen? Mir, dem Uniformirten? sich bringt. Nun muß ich dir erst recht zeigen, was Autorität ist. Er dachte erwarten zu dürfen.

Rührend war es, wie der Kandidat und seine Mutter auf vielleicht insgeheim, eine Belobigung für besondere Schneidigkeit Jettchen mit Ermahnungen einzuwirken suchten: wie sie die Bei allen Nadelftichen, die die Wizblätter ertheilen, bei allen Tante hüten und pflegen, alle Details beobachten und unter pathetischen Deklamationen: Schutz gegen die Schuyleute, bei aller allen Umständen sich anständig benehmen solle. Alles das bürgerlichen Empörung über die bösen Dinge, die den an. versprach Jettchen feierlich. Sie trug ein neues graues Kleid, ständigen Frauen auf der Straße pafsiren tönnen, wird man eine fleine schwarze Winterjacke und hochelegante Knöpfftiefel. die Empfindung nicht los: All der aufgehäufte Merger entlädt So fab fie eigentlich feiner aus als die Tante, was diese sich, weil selbst die sonst sorgsam behüteten Frauen werden verletzt bem In auch nicht ohne Mißfallen sogleich bemerkte. Natürlich Bater von Fräulein Köppen, der jetzt im Wortlaut veröffentlicht ist, Brief an den follte die Tante zweiter Klaffe fahren und Jettchen dritter; wird darüber gesprochen, wie über Unbequemlichkeiten, benen eben auf dem Bahnhofe aber stellte es sich heraus, daß der Kurier- jeder Mensch ausgesetzt ist. Eine Denunziation ist erfolgt, man ift zug nur für noble Leute berechnet war und mit der gemeinen verdächtigt, man wird fistirt. Das ist ein Fatum, Rismet fagen die britten Klasse sich nicht befaßte. ( Fortsetzung folgt.) Orientalen. Zu prüfen hat der Subalterne nicht. An individuelle Ausübung ist er nicht gewöhnt. Das strenge Reglement ist sein Gesetz.

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Sonntagsplandevei.

Als ob die einzelnen Frrthümer und Ueberhebungen, die nach einander bekannt wurden, die Hauptursache wären! Der preußische Subalternbeamte ist im allgemeinen zu sehr ans Kommando gewöhnt als daß man ihm eine übergroße Berantwortung für das, was er begeht, aufladen sollte. Neulich habe ich ein Geschichtchen von einem englischen Ronstabler gehört. An einer belebten Straßenfreuzung zu London wird eine Radfahrerin vom Policeman angehalten. Es war in den Abendstunden, die Radfahrerin hatte nicht, wie die Vorschrift gebietet, Licht angezündet. Die Dame fonnte sich nicht legitimiren, meinte aber, fie hätte die Vorschrift erfüllt, das Licht müsse eben, als fie um die Ecke bog, ausgegangen sein. Der Konstabler befühlte das Glas der Laterne, sah, daß es noch erhitzt sei, steckte Licht an und ließ die Dame unbehindert weiter fahren. Das war ein höchst einfaches Auskunftsmittel und sparte beiden Theilen unnüße Scheerereien. Bei uns hätte der Schuhmann im gegebenen Falle vielleicht nicht das Maß von Selbständigkeit bewiesen, sondern sich ftritte an den Buchstaben der Vorschrift gehalten. Das Licht brannte nicht, Strafe muß also sein.

fönnen.

Dazu kommt, um auf das Thema Frau" zurückzukehren, die Arme Schuhleute! Was haben sie zu leiden! Wer die Witz- starr reglementirte, durchaus männische( nicht männliche) Er­blätter der jüngsten Tage zur Hand genommen hat, mußte erkennen, ziehung. Jede Unregelmäßigfeit, jede Auffälligkeit allein macht ver­wie sie von Mückenftichen gepeinigt werden. Das war doch sonst dächtig; und wo erst der Verdacht rege geworden, ist der Vers anders. Was wußte man fonft für freundliche Bildchen zu malen? folgungseifer schon erwacht. Vor wenigen Jahren kam hier in Da war der Schuhmann der liebe Onkel, der das Kind, das heulend Berlin der Fall vor, daß zwei ausländische Damen, die bei Tage in an der Straßenecke stand, oder im Biergartentrubel der Hafenhaide ein Café gegangen waren und zwar ohne Herrenbegleitung, vom feine Eltern verior, sorgsam behütete und allerlei Zeichen von Bart- Oberkellner schmählich hinausgeworfen wurden. Die eine verfiel in finn aufwies. Bald liebt man die Schönfärberei, bald das gallige einen Weinkrampf. Die Frauen trugen sich vielleicht etwas auf Wesen. Es trifft die Sache nicht. fälliger, als es in Berlin , wo man dunkle Farben vorzieht, bei Der Pfahlbürger freut sich innerlich mit seinem Wihblatt. Sein Straßentoiletten üblich ist. Das war ungewohnt, das war verdächtig: augenblicklicher Erregungszustand ist befriedigt. Er schmunzelt zu also regte fich beim Kellner die Bulldoggenmanier. Derselbe den Hänseleien und, ist er besonders gut aufgelegt, so sagt er: Die Cafétier, der vielleicht bei Nacht mit den Prostituirten ergiebige haben den Blauen einmal gebörig die Wahrheit gegeigt. Ist die Geschäfte macht, glaubte, fittlich entrüftet sein zu müssen. Es stellte Erregung verflogen, so ist der Witblatt- Rummel und alle papierne sich heraus, daß anständige Frauen, die nachber ihr Abenteuer Entrüftung vergessen, und gemeiniglich bleibt es beim alten. in ausländische Zeitungen veröffentlichten, beleidigt wurden; also Wenn es aber nicht zufällig wohlfituirte Frauen viel Bedauern. aus angesehenen Familien gewesen wären? Die Antwort ist immer ein Achselzucken. Oder der Stumpffinn antwortet: die Frau" darf eben nicht den Schatten eines Verdachtes aufkommen lassen. Und schon im Hamlet sagt der Dänenprinz zu Ophelien: Sei weiß wie Schnee und du wirst der Verläumdung nicht entgehen. Da schließt sich denn unheilvoll ein Glied ans andere. Verdacht, Verfolgungseifer greifen ineinander und die männische Gedanken­weise bringt erft ihr Opfer zu Falle, um sie dann im Herrenstolz grausam verachten zu dürfen. An den inneren Zusammenhang der Behandlung Verdächtiger mit der Behandlung der überführten Prostitution" denkt man nicht allzu oft; und die heute so helden­müthig ihr Schutz gegen die Schußleute" in die Lüfte schreien, weil einige anständige Franen schlimm angefaßt wurden, haben sich faft nie noch darüber entrüftet, wie die Vogelfreien des weiblichen Ge­schlechtes in den bösesten Vann gethan find. Nun ja, wo eine wo sich geistliche Ju lex Heinze gegen die Sünde wüthet, qifitoren finden, die im Zeitungsblatt nachspüren, ob nicht darin zweierlei Geschlechtern die Rede sei: da darf man Wenn die Satire unserer Wigblätter, die freilich bei dem von daß dieselbe Gesellschaft, die ihre gegenwärtigen Verfolgungssystem einen harten Stand haben, sich nicht wundern, schärfer zufaffen wollte, fie müßte ihre Pfeile gegen ganz Frauen fallen ließ, die eigenen Opfer mit Dornenruthen schlägt. andere Stellen abschnellen. Man braucht kein besonders Was man wie stinkend Vieh behandelt, muß zum Schluß ausarten. tiefer Beobachter zu sein, um zu erkennen, wie rasch Das ist so richtig, wie das Einmaleins; gesetzmäßig, wie Ursache und leicht der Subalternbeamte bei uns im Unteroffiziers- und Wirkung. Sachkenner behaupten dann freilich: In Berlin ist geift einienft. Bei uns und überall da, wo das gleiche das weibliche Lumpenproletariat sammt seinem männlichen Anhang militaristische Beispiel anzuziehen ist. Jeder von uns hat es er eben wüster, rüder und rauher, als anderswo. Beobachtungen hier­lebt, wie auf eine Ordre hin die Schußmannschaft bei großen über können niemals ganz allgemeine Bedeutung haben. Unglück Straßenaufzügen, bei Festgebräuchen, durch und Fall üben fast überall auf die Dauer diefelben feelischen Menschen Ein Wirkungen auf die Verlorenen. Wenn manches bei uns äußerlich ansammlungen bedingt find, ihren Ton zu ändern vermag. geradezu klassisches Beispiel fonnte man jüngst bei den Wiener frecher und gewaltthätiger erscheint, so erntet man eben, was man Straßenansammlungen aus Anlaß der parlamentarischen Unruhen ausgefät hat. In den Nachtbörsen für Weiberfleisch, in einer An­beobachten. Am Sonnabend waren die Demonstranten noch eine zahl von Grand- Restaurants, in denen gewiß nur Menschen mit ge Rotte mißvergnügter Burschen, denen man barich den Herren zeigen fülltem Geldbeutel verkehren können, herrscht ein ungeheuerlicher mußte; und als am Sonntag der Günstling Graf Badeni gestürzt Ton. Moralische Prügel fommen zu den leiblichen Schlägen; und war, da trat diefelbe Schuhmannschaft unter die beunruhigte hat sich eine Unfelige gegen irgend einen Paragraphen vergangen, da Menge und sprach, wie eben der gute Ontel zu sprechen pflegt: wird sie erst vollends wie ein Stück" behandelt, das aus den Reihen Aber bitte, meine Herrschaften, beruhigen Sie sich doch, der der Menschheit gestrichen ist. Das Stück", das ist nämlich solch Herr Graf sind entlassen! Die Schuhmannschaft schwenkte aufs männischer Lieblingsausdruck für das gefallene Weib". Wort ein.

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In wenigen Tagen fommt die bekannteste Chansonfängerin von Die Agitation darf darum nicht ins Stocken gerathen und nicht Paris , Frau Yvette Guilbert , nach Berlin . Auf ihrem Repertoir den Groll gegen einzelne Subalternbeamte in den Vordergrund stehen Chansons, die, überaus frech und launig zugleich, auch vom schieben, statt den Kern der Dinge zu treffen. Es ist ein bequemes Lumpenproletariat zu erzählen wiffen; von seiner dreisten Eigen Schlagwort ausgegeben worden: Schutz gegen die Schußlente. Bei heit, wie von seinem Jammer. Die Leute, dir für Frau vette diesem Schlagwort läßt sich nur verdammt wenig denken. Es riecht solche Liedchen verfaffen, tönnten bei uns noch so manches zu dem Frau Yvette fönnte ein wenig nach thörichtem Blaukoller. Abwehr braucht man, schroffe Ab- Thema Umgang mit dem Stück" zulernen. wehr gegen den Geist, der nicht in der oder jener Person verkörpert ist, der manche Strophe noch zu ihren Chansons fügen, von jenem zynismus vielmehr im allgemeinen betont: Ihr müßt euere Autorität wahren, voll, bei dem das Herz sich zusammentrampft, mit dem Kehrreim: Alpha. Schneidigkeit beobachten in allen Fällen. Dadurch werden die Ge- Gefallen, vogelfrei, zum Aas geworfen. müther subalterner Beamten verwirrt. Man tann in einer großen Rörperschaft nicht von jedem Einzelnen Feingefühl oder start ent­wickelten natürlichen Zatt erwarten. Um so eindringlicher muß es eingeprägt werden, daß der uniformirte Subalternbeamte nicht in h. d. Das erwachende Berlin . An der Weichbild den Gebanken verfalle, das Publikum sei eben nur" Zivil" in der grenze. Großstadt und Dorf umarmen sich bier. Doch die Liebe Bedutung, wie man's im Militärleben aufzufaffen liebt. Der Schutz der Großstadt ist eine tödtliche Liebe: Die Großstadt verschlingt das mann, der die Frau im Nachtkleide vom Hausthor weg zur Wachel Dorf. Und die alten Baracken scheinen zu zittern in dem

Kleines Feuilleton.