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guten Menschen ja selten zu sein pflegen, aber sie hatte ein Arbeit gethan. Ihnen pflegt die Welt weitaus dankbarer zu sein, lebhaftes Gefühl für das Rechte und Feine, und diese Rolle des als den mühsam Ringenden, die eine Bahn weisen. nach Beute spähenden Weibchens paßte für sie recht unglück- starken theatralischen Sieg zu verbürgen. Es enthält die Mischung, Das Drama Johannes" schien ganz danach angethan, einen starken theatralischen Sieg zu verbürgen. lich. Sie sehnte sich nach einem Manne, der ihr Liebe entgegen die gemeiniglich behagt. In der Tragödie des Johannes", der bringen würde, aber sie dachte auch an ihr verblühendes ahnt und vor seinem Ende nicht begreift, der verkündet Gesicht, das diese große Frühlingsliebe wohl faum noch er- und nicht wird, der das gelobte Land sterbend schauen, aber warten durfte. Mehr aber fast sehnte sie sich, fort zu nicht betreten darf, findet man den Kern zu höchsten, dichterischen tommen aus dieser Tyrannei der Mutter, die mit ihr handeln Problemen; und in dem Haß- und Liebespiel von Salome und Herodias wollte, wie mit einer Waare und die ihr das trostlose Loos die Elemente, über die Sudermann's theatralische Virtuofität treff­des verblühten Mädchens mit realistischer Kunst täglich schilderte. lich zu gebieten weiß. Man kann so diejenigen beschwichtigen, War denn sie schuld daran, daß keiner je sie hatte haben die vom Dichter hohes Wollen verlangen, und diejenigen ergößen, wollen? War es ihre Schuld, daß die geit dahinfliegt und die denen das Spiel, ob in modernen Gewanden, ob in vergangenen, zeitgeschichtlichen Kostümen, von jeher auf dem Theater die Haupt­Frische der Jugend vergeht? fache war. Aber es gelang nur eines, das Theatralische. Das andere ging weit über die Kraft Sudermann's. Und so trug das Publikum zwei Seelen in sich, wie das Stück felber; hier sowohl, wie in Dresden . Die eine gehorchte dem Dichter, der mit fleinlichen Instinkten für überragende weltgeschichtliche Entwick lung den Täufer Johannes in das höfische Getriebe des Vierfürsten Herodes und in die Liebesraferei der jungen Salome verstrickte, die andere versagte.

Sie starrte vor sich hin. Sie dachte an Eva, die wie eine Freundin, wie eine Schwester zu ihr gewesen war, an Eva's glühende Erregung und die heißen Küsse, die sie auf Klaus' Bild gepreßt hatte. Die war glücklich gewesen, und als der vernichtende Schlag kam, hatte sie ihn nicht überleben wollen. Clara!"

Sie fuhr auf aus ihrem Brüten, sie sah, wie die Geheim­räthin fich höflich gegen einen Gentleman verneigte und dem selben huldvollst gestattete, an dem Tische Platz zu nehmen. Der Herr verbeugte sich auch gegen Klara und bat die Damen, sich durch ihn nicht stören zu lassen.

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Alle Tische sind überfüllt, die Damen werden verzeihen." Die Geheimräthin theilte unter dem Tische nach rechts und links an ihre Töchter kleine aufmunternde Stöße, während sie wie ein geschickter Schachspieler die Gelegenheit zu einer Fortsetzung des Gesprächs sich nicht entgeher ließ.

Diese Sonntagskonzerte," sagte fie, find schon deshalb nicht jedermanns Sache, weil sie erstens von einem sehr ge­mischten und zweitens von einem allzu zahlreichen Publikum besucht werden. Aber man besichtigt die wilden Thiere und will sich doch wenigstens einige Augenblicke ausruhen."

Der Fremde lachte, wozu eigentlich kein Grund vorlag, dann sagte er:" Ja, es ist sehr hübsch hier."

( Fortsetzung folgt.)

Sudermann's ,, Johannes" im Deutschen Theater.

Bor etwa fünf Monaten war es, als Sudermann nach dem Polizeiverbot seines Johannes" dies Drama vor einem engen Kreis von Kritikern vorlas. Damals schon war das Drama seinem literarischen Wesen nach an dieser Stelle eingehend gewürdigt worden. Nunmehr hat es am Sonnabend am Deutschen Theater zu Berlin wie am Hof Theater zu Dresden seine Feuerprobe be­ftanden.

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Als Sudermann's Tragödie seinerzeit schon hier besprochen wurde, da war schon darauf hingewiesen worden, wie es der heutigen Erkenntniß, der heutigen Empfindung widerspricht, eine große geistige Umwälzung und deren Träger von allerhand Aben­teuern, die von außen her hineingetragen werden, abhängig zu machen. Hier herrschen Nothwendigkeiten, nicht irgendwelche theatralische Zu fälle. Die geistige Bewegung zu Anfang unserer Zeitrechnung hatte ihre ökonomisch- politischen Ursachen. Auf ihrem Grund ers wuchs sie; auf ihrem Grund entstanden die neuen Lehrer, die sich an die Aermften und die Elenden wandten; auf ihrem Grund lebte die Sehnsucht nach Erlösung; und auf ihrem Grund entstanden Männer, wie Johannes der Täufer, der in der Wüste predigte. Er war ein Vorläufer; aber seine Persönlichkeit selbst muß doch inner­lich groß gewesen sein, wenn der arme Handwerker sein Zelt verließ und in die Wüste zog und dem Manne lauschte, den die Mächtigen Jerusalems haßten und fürchteten. Daß er in Rameelhaar fichtleidete und wie ein Asket lebte, das macht noch nicht die imponirende Größe aus, vor der man einem ganzen Bolt als der große Rabbi, der große Meister erscheint. Alle Menschen, deren Schaffen wir als Höhepunkt irgend einer Entwickelung betrachten, hatten ihre Vorläufer. Sie mußten dem, der da kommen soll, die schwersten Hindernisse aus dem Weg Weg räumen; aber das Menschlich­darin, Tragische lag nicht daß fie geringwerthig Wuchs und Natur, darin, sondern daß ihnen die Zeit nicht reif war. Wir betrachten den Tragiker Sophocles als die reiffte Erscheinung hellenisch- klassischer Literatur. Aber Aeschylos, sein Vorläufer, ist nicht minder groß. Ehe das Genic Shakespeare's entstehen fonnte, mußte ein Marlow erscheinen, ein Mann von ungewöhnlich kühnem Gedankenflug.

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Darau ist Sudermann gescheitert, daß man in seinem Schau­Spiel wohl viel von dem großen Rabbi reden hört, aber nicht viel mehr von seinem Wesen sieht, als daß er ein bedürfnißloser, ehr­licher Mann ist, der selbst den Lockungen einer Salome wider­In fürzerer Frist, als es sonst zu geschehen pflegt, wenn man sich stehen kann und die Großen der Erde in seinem Glauben nicht an das Verwaltungsgericht wendet, ist diesmal das Polizeiverbot zurück fürchtet. Das ist aufrecht gegangen, das ist viel; es ist nur nicht genommen worden. Sudermann hat sich an den Minister Recke ge- die überragende Führergröße. Es ist nur nicht genug, um tragische wandt, und durch diese persönliche Verbindung war das Schauspiel Erschütterung zu wecken, wie sie der Mann erweckt, der sich eines dem Kaiser unterbreitet worden, der zu gunsten von Sudermann's Hohen vermesser durfte, der vor der Zeit zusammenbricht und, was " Johannes" entschied. Auch das Vorkommniß ist ein kleiner Bei- er begann, von Größeren( oder Reiferen) wird vollenden lassen. trag zur Zeitgeschichte. Ein deutscher Schriftsteller, dessen Name Warum war Johannes in Sudermann's Drama der Täufer?" heute Weltruf hat gleichgiltig, ob mit Recht oder Unrecht, ein Was war seine überlegene Macht über die menschlichen Gemüther? Schriftsteller jedenfalls, der Ernstes will, wird auf den Gnadenweg Sudermann verlangt: Das muß geglaubt werden. Aber die Bühne hat ihr besonderes Leben. Der Hörer muß mit erleben. Erst wenn gewiesen und vertraut selbst eher der Gnade als dem Recht. Solche Vorgeschichte, wie die des Johannes", erregt in gewiffen mich die Größe des Vorläufers überzeugt, rührt mich seine Kreisen die unbezwingliche Sehnsucht, bei der Erstaufführung mit Tragödie. Johannes schwebt noch an der Grenze zwischen dabei gewesen zu sein. Es hub denn auch ein fürchterlicher S.ampf längst Gewordenen und untiar Werdendem., Noch glaubt er, der fommen wie ein friegbereiter König, und um Ginlaßtarten. an, und die. Billethändler hatten goldene Tage. Messia? werde Tröpfe, die das Theater gleichsam für einen Mittelpunkt gesellschaft da wird sein Glaube an sich und seine Sendung erschüttert durch lich geistiger Interessen halten und außerhalb der schwülen Theater- die neue Botschaft, die er von armen Leuten aus Galiläa vernimmt. atmosphäre nicht athmen und nicht denken können, mochten wohl Beffer denn Opfer und Gesetz ist die Liebe, erfährt er; und das glauben: Hier haben wir endlich die Auslese von Berlin " bei- Wort: Liebet cure Feinde, trifft sein aufhorchendes Ohr. Jezt sammen. Das stimmt nun wieder nicht. Bei uns wird faßt er, feierlich erschüttert, die neue Welt, für die er noch Jetzt darf er den Schänder Holofernes teinerlei Runstereigniß so geachtet, daß man irgendwann nicht bereit war. eine andere Lehre hat Macht einer Auslese von ganz Berlin sprechen könnte. nicht mehr steinigen, denn Das Volk, das zu ihm, wie zu Aber lebendiger, umfassender als sonst war das ungewöhn über ihn gewonnen. lich erregte Publikum diesmal doch. Selbst der Polizei- dem Meister aufgeschaut hat, versteht ihn nicht mehr, und seine präsident v. Windheim war gekommen und überzeugte sich, ob dieser treuesten Jünger fallen ab von ihm. Seine Tragödie ist erfüllt, die innerliche Tragödie. Großes Wollen ist gestürzt, weil die Zeit zur " Johannes" wirklich so gefährlich sei oder nicht. Die Religiosität wird Sudermann's Johannes" gewiß nicht Ausführung noch nicht gekommen war. Diese Vorläufer- Größe aber untergraben, und der Kunst im hohen Sinn nicht Stüze noch sah man auf dem Theater nicht wirken und so war man nicht er­Pfeiler sein. Man sagt, Sudermann, den die Johannesidee griffen, als Johannes erkennt, daß seine Verkündigung nur ein fchon feit feiner Jugend beschäftigt, habe in fein Drama Ahnen und Tasten war, daß er im Wahn gelebt habe und nach ihm ein Stück feiner eigenen Seele verfentt. Danach wäre er gleichsam der wahre Lichtbringer erscheine.

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der Vorläufer, der einen Späteren, einen Größeren verkündige. Hätte Sudermann diese Tragödie geschrieben, dann wäre er Aber zu den Pfadfindern wird man doch Sudermann, nicht zählen auf das merkwürdige Theaterspiel nicht verfallen, daß er die lüftern dürfen, selbst wenn man nur die verhältnißmäßig enge Entwickelung verwöhnte Prinzeß Salome nach dem düster- schönen Einsiedler unferer modernen Kunst im Auge behält. Durch verworrenes Ge- Johannes begehrlich werden läßt, und daß die Hizige, Verschmähte ftrüpp bahut er feinen Weg; er gehört zu den vermittelnden für einen wilden Tanz vor Herodes den Kopf Johannes' fordert. Naturen, die immer dann auftreten, wenn im Neuen schon halbe

Die Hafferin Herodias gab Frl. Dumont mit starter, tünfte