Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 25.

25]

Freitag, den 4. Februar.

( Nachdruck verboten.)

Alltagsleute.

Roman von Wilhelm Meyer- Förster  .

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1898.

Majorswittwe aus Pommern   und trug stets die Militärrang liste bei sich. Trotzdem ihr Mann schon lange todt war und sie teinerlei Verwandte in der Armee hatte, sprach sie eigentlich nur von militärischen Angelegenheiten, bekämpfte der Geheim­räthin gegenüber die Bedeutung des Beamtenstandes und war Sie versuchte es zunächst durch Liebenswürdigkeit, aber ihr erstaunlich zu sagen!- an Beredsamkeit so die stand ihr schlecht zu Gesicht und war auf die Dauer troß überlegen, daß die Geheimräthin beständig besiegt wurde und guter Vorsäge nicht durchzuführen. Denn selten gab es einen allmälig vollständig zur Sklavin der Majorin herabsant. Sich Schwiegersohn, der Achtung, Respekt und Liebe so außer acht frei machen von ihrer Quälerin konnte sie nicht, deun die sette. Eine Hochzeitsreise machte er überhaupt nicht, weil das Majorin erschien pünktlich und nahm fie sofort in Beschlag. zu theuer sei, und benutzte diese sonst geheiligte Zeit dazu, die und schließlich war sie auch herzensfroh, überhaupt jemand Geheimräthin in schwärzester Weise zu verunglimpfen. Wie zur Unterhaltung zu haben. So lernte sie in diesem Sommer Dieser Delfabrikant es zum Lieutenant der Reserve hatte bringen nicht nur die modernen Bilder kennen, sondern wurde auch in können, muß stets ein Räthsel bleiben, aber er legte gerade allen militärischen Dingen bewandert, tannte die Namen der darauf ein seinem Stande lächerlich widersprechenden Werth kommandirenden Generale und träumte nachts, wenn der Alp und hatte Hedwig vielleicht in erster Linie deshalb lieb ge- fie drückte, von der Konstruktion des Mausergewehrs. wonnen, weil sie eine nahe Verwandte des Generals v. Böck Einmal tam Klaus in den Ausstellungspark und bezahlte war. Ganz grenzenlos war sein Born, als er nach der für die beiden Damen Eis, ein Ereigniß, das alle Kellner des Hochzeit erfuhr, daß die Geheimräthin und der General Restaurants in Staunen versetzte. Natürlich kam die Rede für einander nicht existirten und daß überhaupt die auf seine Lieutenantszeit und auf den milde verschleierten ganze vornehme Verwandtschaft mit der alten Dame Grund seines Abschieds. Die Majorin witterte aber sofort auf dem Kriegsfuße lebe. Ein Glück, daß er in seine den richtigen Sachverhalt und ereiferte fich in höchst junge Frau wirklich leidlich verliebt war und seinen unangenehmer Weise gegen die Geldheirathen der Offiziere. Born diese nicht entgelten ließ. Natürlich war die Geheim- Klaus vertheidigte sich und gerieth dabei dermaßen mit der räthin der Rolle eines Blizableiters bald müde und beanspruchte Majorin in Streit, daß er schließlich aufsprang und ohne nicht nur eine ehrenvolle Behandlung, sondern auch einen An- Abschied davon ging. Nachher nahm die erbitterte Geheim­theil an dem finanziellen Glanze ihres Schwiegersohns, an dem räthin ihres Sohnes Partei, wurde aber Don ber Opernabonnement, den Spazierfahrten im Thiergarten und der spartanischen Majorin so zugedeckt, daß sie in einer Mischung geplanten Sommerfrische im Riesengebirge  . Der Delfabrikant von Wuth, Verzweiflung und Mangel an Gegengründen jagte nicht ja und nicht nein, das praktische Resultat war aber bereits um sechs Uhr aufbrach. Drei Tage erschien sie nicht regelmäßig ein negatives, und da nicht einmal zu den Diners in der Ausstellung, am vierten hielt sie es nicht länger aus für die Schwiegermutter eine Einladung erfolgte, so bemächtigte und kam mit dem Vorsage, der andern durch eisiges Schweigen sich dieser ein rasender Zorn.sly zu imponiren. Die Majorin hingegen nahm den abgeriffenen Faden sogleich wieder auf, und erst nach Verlauf etwa einer Woche war das Thema Klaus und Geldheirathen erschöpfend dargelegt. Die Geheimräthin magerte in dieser Zeit vor Kum­mer und Merger ab, alle Versuche aber, der Sklaverei der

In Hedwig fand sie keine hervorragende Verbündete. Die blühte in dem Wohlleben prächtig auf und hatte das Geschick, sich vornehm und reizend zu kleiden, das den Delfabrikanten entzückte und die Geheimräthin nicht ganz neidlos ließ. Denn nun, da diese einsam geworden war und für niemand mehr Majorin sich zu entziehen, waren vergebens. zu sorgen hatte, erwachte in ihr eine alberne Eitelkeit, und Wieder einmal, an einem Sonntage, erschienen Richard wenn ein würdiger Herr sich um ihre fünfundfünfzig- Kreiser und Frau in der Ausstellung, er hochvornehm, Klara jährige Schönheit beworben hätte, würde er feinen Korb leidlich hübsch gekleidet. In ihrer Begleitung befand erhalten haben. Das war natürlich unmöglich und undenkbar, sich Frau Ohnesorge, und natürlich that die Geheimräthin, wenn sie in den unmodernsten und abgetragensten Kleidern sich als bemerke fie Klara gar nicht. Die Majorin aber, die alle präsentirte, und so lange jede Gesellschaft ihr verschloffen Vorbeipromenirenden durchhechelte, studirte das Trio genau war. Aber jeder Appell an die Gutmüthigkeit des Del- und ersuchte ihre Freundin, sich die drei einmal näher an fabrikanten, dem schon die Unkosten ihrer Wohnung und zusehen. Für wen etwa fie diese Leute halte? Die Geheim eines mäßigen Lebensunterhalts zu viel waren, verhallte räthin saß bei diesem Gespräche wie auf Rohlen, und teine wirkungslos!

Dhrfeige, die sie in ihrem wahrhaftig mühsamen Leben er­halten hatte, war ärger als die, welche mit folgendem Aus­spruche der Majorin applizirt wurde: Dieser fein gekleidete Mensch ist ein Kellner, darauf wette ich, nun möchte ich nur wissen, wie der zu der Frau kommt. Manches im Leben be­greift man nicht."

Die Musit sette ein, die drei hatten in ziemlicher Ent­fernung Platz genommen, nun konnte die unglückliche Geheim­räthin in Ruhe über den Ausspruch ihrer Begleiterin nach­denken.

Kellner!"

Bisweilen überkam sie jetzt eine leise egoistische Sehnsucht nach Klara, die immer das gutmüthigste, wenn auch einfältigste ihrer Kinder gewesen war. Wenn die zu Glück und Reichthum gelangt wäre, so würde ihre Mutter goldene Tage gehabt haben, und hätte die klassische Bildung der Geheimräthin sich auf eine mehr als oberflächliche Kenntniß Shakespeare's   erstreckt, so würde sie das Gleichniß Lear- Cordelia ficher auf ihr verlassenes Alter angewendet haben. Wirklich verreisten der Delfabrikant und Hedwig im Juni nach Schreiberhau   im Riesengebirge  , ohne die Ge­heimräthin mitzunehmen, da aber Hedwig die in der That arge Verlassenheit ihrer Mutter doch leid that, so taufte sie ihr Also jeder Mensch sah das, nur sie hatte sich blenden und aus eigenen Mitteln für sechs Mark eine Abonnementskarte täuschen lassen! Ihr hohes Selbstvertrauen wurde in dieser für den Ausstellungspark, der von da an die Geheimräthin Stunde auf ein Minimum reduzirt, und von nun an ging es zu seinen täglichen Besuchern zählte. Sie hielt sich von vier mit ihr entschieden bergab. Sie beendete alle Kämpfe mit bis abends bei dem Konzert auf, ohne etwas zu ver- Klaus' Frau und dem Delfabrikanten und wurde so be zehren, die übrige Zeit verwendete sie aus Langeweile scheiden, demüthig und wehmüthig, daß Hedwig nach ihrer zum Durchwandern der Bildersäle, so daß sie nach Rückkehr aus dem Riefengebirge die Mama kaum wieder einiger Zeit sämmtliche Gemälde kannte. Gie prägte sich erkannte. Jeder Mensch hatte diese arme Frau besiegt: erst deren Standort so genau ein, daß sie zum Beispiel im stande Eva, die ihr auf den kunstvoll ersonnenen Brief eine so schreck war, bei dem Gedanken an irgend ein Bild mit fabel- liche Antwort gab, dann die v. Böcks, weiter dieser elende hafter Geschwindigkeit durch fünf, sechs Säle zu eilen und heuchlerische Kellner, dann Klaus' Frau, ferner der Del nach Verlauf etwa einer Minute das Bild zu finden. Dieses fabrikant und nun schließlich diese verhaßte fürchterliche etwas findliche Vergnügen wurde ihr Sport, und viele Leute Majorin. Eine solche Folge von Niederlagen mußte auch den wunderten sich, die alte Dame zu verschiedenen Malen an sich stolzesten Sinn demüthigen, und seit sie daheim teine Klara vorbeischießen zu sehen. mehr hatte, an der die Autorität sich beständig üben konnte, mußte ihre Angriffskraft sich ohnehin schwächen. Nichts ist leichter, als Untergebene zu schelten; kommt der bes treffende aber in die Lage, wo er niemand mehr zum

Später machte sie die Bekanntschaft einer anderen alten Dame, die täglich bei den Konzerten das Dreher'sche Restaurant durch Festhalten eines der Stühle schädigte. Sie war eine