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Mädchen wurden splitternackt an einen Stuhlblock gebunden und geprügelt, als wären sie deutsche Pfandweiber in Afrika . Erst durch eine Mißhandlung, die ganz unfelig ausfiel, tam das Treiben an den Tag, und ein irrsinniger Verbrecher, ein völlig bestialisirter Unmensch wurde entlarvt.
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weckt den Epott von Carlweis, sondern deren modische Entartungs. form. So fehrt sich sein satirisches Spiel im groben Hemd nicht einmal gegen sozialistische Mitläufer und andächtige Echwärmer", die gleich erschrecken, wenn ihnen die Thatsachen auf den Leib rücken; sondern es nimmt geradezu das sozialistische Gigerlthum Man muß bedenken, in diese Anstalt wurden besonders Mädchen auf Wienerischem Grund aufs Korn. geführt, deren Jugend und deren Umgebung so erniedrigt war, Mit bewußtem Sozialismus hat das Stück denn gar nichts daß diese verlorenen Frauen im zarten Alter dem„ Laster" verfielen. zu schaffen; auf ihn geht Carlweis nicht ein; ihn zu hütet er sich wohl. Bom Laster" sollten sie noch furirt werden. Das Muckerthum einer treffen, Er umgeht ihn und hilft republikanischen Bourgeoisie dachte, die Gefallenen der Frömmigkeit sich mit bequemen Phrasen, wie etwa: Das ist zu ernst, das wieder zuführen zu müssen: durch Buße natürlich, durch Buße und find Dinge, mit denen sich nicht spielen läßt. Erbauung, wie das dem Muckerthum schon so eigen ist. Andererseits darf man von seiner Verklärung des gesundIn diese finsteren Seelen leuchtet fein Strahl des freudevollen bürgerlichen Menschenverstandes im wienerisch- gemüthlichen Sinne Erbarmens. Wenn in der Faust Tragödie um Grethchen's Schuld sich nicht blenden lassen. Wie der alte Schöllhofer dem Sozialistengerungen wird, dann erklingt die heiter erbarmende Stimme: gigerl, seinem Sohn, im„ groben Hemd" zuruft: Das ist ja. alles Gerettet! Amtlich heißen Anstalten, wie die in Bern , gleichfalls unecht, so kann man dem Autor des Schauspiels zurufen: Du spielst Ein Mann, der Rettungsanstalten. Wenn eine Stimme aber von der Höhe erklingen bei Deiner Beweisführung mit falschen Karten. sollte und sie spräche im Hinblick auf das Schicksal so vieler durch Ausbeutung von Kinderarbeit und ähnliche bürgerlich- ehrliche Mädchen, die da verwarnt und verwahrt werden: Sie find Mittel vom einfachen Arbeiter zum Millionär sich„ emporschwingt", gerettet!" mit welchem schneidend sarkastischen Zon müßte diese wie der alte Schöllhofer es that, bevor die Gewerbe- Inspektoren das Stimme erfüllt sein! Alpha. Geschäft störten, ist jedenfalls ein höchst zweideutiger guter Kerl". Wenn der alte Schöllhofer fagt: Einen ersparten Tausender ( Taufend Guldenschein) habe ich zum anderen gelegt, ein einziges Mal habe ich mir ein Theatervergnügen gegönnt, so ligt er mins destens so sehr, wie sein Sohn, das sozialistische Gigerl, der über die Besitzlosen und Enterbten seufzt, und seine theuren Kostüme fürs Nadeln und Lawn- tennis- Spiel nicht missen kann. Das sind Taschenspieler Kunststücke, nicht poetische Lebenserkenntniß und Wahrheit. Getnüpft und gelöst werden die Vorgänge, wie es in alten Boltsstück- Mustern üblich war.
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Kleines Feuilleton.
h. d. Ordensritter".„ Kinder! Nu wartet noch' n bisfen! Erst woll'n wir uns noch eene ins Gesichte stecken!" ruft ein junger Mann dem Schwarm nach, der laut sprechend und lachend die Stille der Nacht aus den dunklen Straßen jagt. Pf-- Pf! Das auf: flammende Streichhölzchen beleuchtet einen Augenblick den Sprecher. Die Hige und Bewegung des Tanzes zittern noch in seinem Gesicht. Unter feinem offen gelassenen Mantel leuchtet etwas auf seiner Brust auf. Sit! Das Streichholz erlischt. Er geht mit großen Schritten dem Schwarm nach. An der nächsten Ecke erreicht er ihn. „ Gute Nacht! Wünsche angenehme Ruhe! Gute Nacht! Gute Nacht! Unsinn; es ist ja schon Morgen!" Winken, Händeschütteln, der Schwarm hat sich an der Ecke zerstreut. Der junge Mann bleibt mit einigen jungen Mädchen und Freunden verspielt. stehen.„ Na, wir geh'n doch noch ins Café!"
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Ach nein, das wird zu spät!"
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Der alte Schöllhofer geht auf den Zalmisozialismus seines Sohnes ein; besonders da es ihn empört, daß ihm vorgehalten wird, an seiner Million flebe ein Makel. Auch höchst einfache Weise dozirt der Alte seinem Sohn, daß Geld niemals riecht. Er ersinnt sich die Finte, er habe sein ganzes Vermögen auf der Börse Vater, Tochter und Sohn beziehen in der Vorstadt eine kleine Wohnung, und der sozialistische Sohn ist wie umgewandelt, seit er sich sein Geld selbst verdienen
" Aber, Fräulein Grethe! Sie werden uns doch nicht zu guter- foll. legt im Stich laffen!"
Aber nein
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das geht doch nicht!"
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Aus dieser Komödie der Irrungen erwächst der Spaß. Der Sohn und manch' anderer mit ihm hat die Goldprobe" nicht bestanden, man fehrt ait Er faßt sie unter: Ach was gehen wir!" Fleischtöpfen des Alten zurück. Der Sohn ist geheilt", er erkennt: Die anderen Paare folgen lachend hinterdrein. Niemand begegnet Besitz schändet nicht", und die bourgeoise Ethit ist wieder einmal ihnen; sie sind jetzt die Herrscher in der Straße. Doch, da hinten flackern gerettet. grelle Lichter auf dem Straßendamm. Helles Bochen und Schlagen, Beim Publikum intereffirte am meisten der Aft, in dem in dumpjes Stampfen durchdringt die Nacht. Die vom Ball Heim- wigblatt mäßigen Einfällen vom alten Schöllhofer Armuth" getehrenden werden stiller, je mehr sie sich dem Platz näbern, an dem spielt wird. Man könnte dem Verfasser einwenden: Auch das ist so lautes Leben herrscht. In dem hin und her gewehten Schein fein Spielzeug, aber so ernsthaft darf man ihn nicht nehmen. offener Flammen arbeiten knochige, schwarze Gestalten. Das Pflaster Schauspielerisch stand Dr, Tyrolt vom Wiener Volkstheater Sein alter Schöllhofer war als ift aufgeriffen. Der Asphalt und der Zement ist aufgeschichtet neben als Gaft im Vordergrunde. den schwarzen Löchern, die wie Wunden des Straßendammes aus. Wiener Vorstadtbürger eine echtere Studie, als die des Verfassers sehen. Die Männer arbeiten, ohne zu sprechen. Selten sieht einer selber. Von der wienerischen Manier, allzu absichtlich ins Publikum auf, wenn er ein Stück Werkzeug hechnimmt und die Zwischentheile hineinzuspielen, ist Dr. Tyrolt freilich auch nicht frei. Der alte an die neuen Schienen setzt, die in das Pflaster eingefügt werden. Schöllhofer mit dem robust- rothen, weinfrohen Geficht und den Sein Blick streift hufchend die Umstehenden, die wohl den Mantelfragen gegen den kalten Wind hochgeschlagen haben aber die Mäntel felbst auf der Brust offen lassen. Ihre weiße, angeschmuste Wäsche, ihr schwarzer Rock ist zu sehen auf der linken Rockseite leuchten blante Flecken auf. Die Damen sind in lange Mäntel gehüllt, doch leuchten unten die Ballschuhe und die Kleider, weiß, rosa und hellblau, hervor. Sie starren stumm auf die Arbeitenden. Sie hatten es beinahe vergessen, daß auch sie in wenigen Stunden wieder ins Geschäft müssen.
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fleinen, nicht gerade geiftvollen, aber bauernschlauen Augen; mit seiner besonderen Proßennoblesse und Gutmüthigkeit in nebenfäche lichen Dingen; mit seiner scharf- realen Auffassung vom Recht des Befiges" im allgemeinen: das war eine durchaus geschlossene, schau-ff. spielerische Gestalt. Viel vom Beifall galt Herrn Tyrolt.
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Mufik.
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-er-. Ronzerte. Die musikalische Mittelmäßigkeit hat heuer teinen volleren Triumph gefeiert, als an dem Abende, da uns ein Herr Otto Her big eine Reihe eigener Arbeiten vorführen zu müssen Na, nu aber in's Café!" Die wenigen Stunden sollen nun auch noch ausgetoilet glaubte. Es war von traurigster Luftigkeit, eine Symphonie zu hören, noch ausgetoflet in der mit fläglichster Sorgfalt auch nur halbe Gedanken, poetische werden.. Die Gesellschaft tommt wieder zurück. Die Arbeiter Empfindungen, rhythmische Gliederung und ein symphonischer Bau find fertig. Der Straßendamm ist wieder glatt. Die letzten Flammen vermieden sind und auch nicht eine individuelle Phrafe den ver werden ausgelöscht; der qualmende Asphaltwagen fährt weiter. Sein bläulicher Dunst mischt sich mit der die Straße durchziehenden wegenen Angriff einer graufamen Talentlosigkeit zu entschuldigen vermochte. Es gab auch einige kleinere Sachen, eine Streicher Morgendämmerung. Die Gesichter der Heimkehrenden sehen so serenade, ein Violoncell Konzert, eine Fidelitas" Ouverture ; farblos aus wie die graue Luft. Nur unter den Mänteln sehen die überall der Eindruck, daß der versagenden Natur von Menschen, die von innen die Häuser aufschließen und zur Arbeit Herrn Herbig schlimme Gewalt angethan wurde. Von eilen, blanken Flitter aufleuchten. dem Pariser Geschwisterpaar Madeleine und Jean ten Have ist der weibliche, zugleich der künstlerisch stärkere Theil. Madeleine spielte Schumann's G- moll- Sonate und mit ihrem Bruder die erste Klavier- Biolin- Sonate von Saint- Saëns mit fließender, durchgearbeiteter Technit, mit intelligentem Erfassen des geistigen und gemüthlichen Juhalts der Tonstücke und mit bein den Im Lessing Theater wurde am Freitag eine gesellschaftliche lebtem Feinfimu Anschlagsarten. Bruder Jean's Satire„ Das grobe Hemd" von Carlweis zum ersten Male Geigenspiel hat fleinen Ton, kleine Technik und kleine Seele; so eraufgeführt. schienen die F- dur- Romanze Beethoven's und Joachim's Violin. Eine Satire ist wohl ein bischen zu viel gesagt; denn vom variationen als freundliche Durchschnittsleistungen ohne würdigen, ehrlichen Ingrimm, der die Satire ausmacht, ist das leichtere, innigen und großen Charakter. Frl. Ada Osann thut unrecht, tarifirende Poffenspiel des Wieners Carlweis meilenweit ent- ihren warmen Mezzosopran zur Sopranhöhe forciren zu wollen. fernt. Dem Wiener Autor hilft die alte künstlerische Ueberlieferung Sie fang einiges von Brahms und Schumann mit wirklicher und giebt ihm einen natürlichen Vorsprung vor den elenden Volts: Empfindung, die sich sogar so weit steigerte, daß sie die Sängerin ftück- Stribenten, die im heutigen Berlin dugendweise emporwachsen. vom Gefühlsathem Worte zerreißen ließ. In der Kunst Darum ist Carlweis noch lange fein ursprüngliches satirisches Talent. steht jedoch der Athem über der Ueberschwänglichkeit des Gefühls. Hinter dem satirischen Getändel, das manchmal sehr witzig, sehr er- Eine wirkliche Sopranistin ift Frl. Else Pöhn, deren aus heiternd wirkt, steckt keine Lebenstiefe. Nicht eine Zeiterscheinung an sich geprägte Kraft des Ausdrucks nach der Bühne zu verlangen scheint,
Auf den Sonntag freu' ich mir!" fummt einer der„ Ordensritter". Er blickt stolz und zärtlich auf seine geschmückte Brust und dann auf seine Begleiterin: Sie hat ihm alle ihre Orden angesteckt... Theater.
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