So? ságte Mewis.

-

107

Giebst Du Deinen zwei Pferden Sand zu efsen, giebft Du Deinen drei Kühen( oder wie viele Du jeht haft) Sand, giebst Du Deinen Schweinen Sand?

Aber richtig, es fommt im neuen Ghetto doch ein sozialistisches Moment vor. In das behagliche Arbeitszimmer des Advokaten Er ist aus Dr. Samuel in Wien   tritt ein Iter Grubenarbeiter. feiner Heimath bei Laibach nach Wien   gereift, um sich im Auftrag Das ja gerade nicht, sagte Mewis Kleinlaut. seiner Arbeitsgenossen wegen unleidlicher Zustände auf den Gruben Der Advokat erfährt von Und Deinen Bäumen willst Du Sand geben, Du nichtswürdiger des Herrn v. Schromm zu berathen. Kerl? Da haft Du nun den Seeschlamm vor Deiner Thür und den granenhaftem Elend. Bescheiden, ja demüthig vertrauend war Schutthaufen mit Kalk und Lehm hinter der Scheune. Und das ibm der alte Bergarbeiter genaht: ein Mensch dem anderen. feinem Blick, in feiner Miene war das Juden. haft Du Deinen Bäumen vorenthalten! Da kann ich Dir schon In Des Dr. Samuel getränkt worden. Der Arbeiter fagen, von denen wirst Du auch nicht eine Handvoll Aepfel   ernten. thum Ja, fagte Mewis, möglicherweise kann das stimmen, die alten vertraut, weil er hört, dieser Samuel fei ein anständiger Mann, Bäume haben auch nie was Rechtes getragen. Tausende und Abertausende seiner Mitbürger empfinden so, wie dieser alte, durchaus nicht sozialdemokratische Veonit.( So heißt der Slovene.) Aber was diese Tausende denken, wie sie handeln, das berührt den Dr. Samuel nicht. Den Leuten giebt er wohl gern das Almosen seiner Hilfe, sonst find sie Luft für ihn. Nur was ein relativ kleiner Theil seiner Klaffengenossen über die Juden denkt, verbittert ihn und bewirkt, daß er ewig einherfchreitet wie ein Märtyrer. JIhn felber achten viele seiner christlichen Das ist ihm Mitbürger aus gleicher gesellschaftlicher Kaste. nicht genug. Auch seine Verwandtschaft und seine Umgebung sei gewissermaßen heilig!

Da siehst Du's. Wer was leiften soll, der muß auch was zu effen friegen. Das ist die erste und letzte Weisheit in der Natur.

Mein Vater, Herr Tanzmann, sagte Mewis feierlich, hat die Bäume auch stets so gepflanzt.

Na ja, daran siehst Du, daß Dein Vater auch nicht flüger war wie Du. Das ist eben das schlimme, Ihr Landbewohner seid noch nicht genug Herren der Natur, Ihr steht noch zu sehr unter ihr, und wir Großstädter, wir sind zu sehr außerhalb von ihr, und das ist freilich vielleicht das allerschlimmste!

Du, Herr Tanzmann, ein Großstädter? sagte Mewis jetzt mit wachsender Ueberlegenheit. Du, ein Großstädter? Du stamist doch auch aus dem Niederbarnimer Kreise wie wir anderen.

Man hat in Wien   gerade die Wirklichkeitsdarstellung in den jüdischen Familienscenen gerühmt. Du staminst doch jüdischen Familienscenen gerühmt. Mir fommt schon die Voraus setzung unwahrscheinlich vor. Eine Familie ohne jeden Gemeinsinn, ohne jeves Gefühl für Welt- und Staatsbürgerthum, wird ihre Tochter nicht an einen Mann verheirathen, der ein unpraktischer Schwärmer", ein Rechtsfämpfer und Idealist sein will. Zumal wenn diese Tochter in Ueppigkeit erzogen ist. Nach den Vorstellungen solcher Menschen muß das schleichende Raubthier, der Börsen­tönig Rheinberg, im Stücke der würdige Schwiegersohn sein. Wie fäme der zur Verschwägerung mit dem Habe- und Tangenichts Dr. Jacob Samuel? Nun, vielleicht ist ein Wunder geschehen, oder die würdige Familie hofft, nach der Ehe würde der Advokat schon vernünftig werden, wie andere Advokaten auch.

Herr Tanzmann schwieg gekränkt. Sie schritten durch den Garten, in dem bereits die ersten Unträuter, die rothe Taubueffel, das gelbe Kreuzkraut und die Vogelmiere ihre zu dieser Zeit sehr unauffälligen, unscheinbaren Blüthen entfaltet hatten. Von einem alten Kastanien­baum ließ ein Finkenweibchen ein munteres Pint- Pink- Pint er schallen. Dann tamen sie an eine kleine, mit Buchsbaum eingefaßte Rabatte, in der die Schneeglöckchen bereits unzählige, zartweiße Blüthen getrieben hatten.

Alch, das ist wirklich schön! sagte Herr Tanzmann. Mitten im Februar schon solche Blumen, wie sie der Sommer faum schöner hervorbringt. Kannst Du Dir denken, Mewis, wie man sich über folche lachenden Frühlingsvorläufer freut, wenn man mitten aus der düstern Großstadt kommt?

Mewis sagte nichts, sondern pflückte einige der Blumen ab und fleckte sie Herrn Tanzmann ins Kuopfloch. Damit war der Frieden Curt Grottewig. zwifchen beiden wieder hergestellt.

-

Kleines Feuilleton.

Die deutsche Preffe im Jahre 1897. In der neuesten Nummer der Zeitschrift für Deutschlands   Buchdrucker" ist eine statistische Abhandlung über die deutsche Presse enthalten, die in mehrfacher Hinsicht Interesse erregt. Abgesehen von den Fachzeit­schriften erschienen im Jahre 1897 im Deutschen Reiche 3477 politische bez. Insertionsblätter, vertheilt auf 1752 Erscheinungsorte. Im ganzen genommen trifft im Deutschen Reich auf je 12 092 Einwohner oder auf 157 Quadrat- Kilometer eine Zeitung. In Desterreich) trifft eine Zeitung erst auf 72 290 Einwohner oder 1167 Quadrat- Kilometer, in der Schweiz   schon eine auf 7581 Einwohner oder 107 Quadrats Kilometer. Man kann aus diesen Ziffern die Einwirkungen der Breßgefeße deutlich erkennen. Während die Schweiz  , deren Presse unter den zum Vergleiche herbeigezogenen Ländern sich der größten Freiheit erfreut, auch den größten Konsum an Lesestoff aufweist, bleibt Defterreich infolge seines Preßgesetzes und seines Zeitungs stempels weit zurück. Das Deutsche Reich zählt neun Zeitungen, die öfter als täglich zweimal erscheinen; Desterreich hat kein derartiges Blatt aufzuweisen, die Schweiz   besitzt eins. An wöchentlich 12 bis 13 mal erscheinenden Zeitungen besitzt Deutschland   79, 6-7 mal wöchentlich erscheinen 1185, 2-5 mal 1745 Blätter. Der Insertions: Zeilenpreis in diesem Blätterwalde variirt zwischen 5 Pf. und 3 M.; in bezug auf die politische Richtung bezeichnet sich reichlich die Hälfte der Zeitungen als parteilos". Außerdem erscheinen im Deutschen Reiche noch 3056 Fachzeitschriften, die sich auf alle Zweige des menschlichen Wissens und Strebens vertheilen.-

#

Theater.

"

Im Thalia Theater wurde am Sonnabend Daz nene Ghetto" von Theodor Herzl   zum ersten Male auf geführt.

Nach der Wiener   Aufführung war an dieser Stelle schon von dem Stücke, als einer der wirrften Zeiterscheinungen, die Rede. Von feiten der Wiener   Presse aus war freilich dem Schauspiel eine schwindelhafte Reklame gemacht worden. Das Stück ist literarisch völlig ohne Belang, und als Streitruf betrachtet ist es demagogisch im bösen Wortsinn und rabulistisch zugleich.

Aber der Samuel fährt lieber nach Laibach und stellt seine Kraft halbverhungerten Berglenten zur Verfügung, als daß er an= rüchige Geschäfte machte. Sehr schön! Wenn der Mann so empfindet, wie verträgt er es, seinen Schwager Rheinberg   und das ganze Gesindel immer um sich zu haben? Reinliche Scheidung vor allen Dingen! Wie verlangt er nur, daß sein christlicher Freund, der Dr. Wurzlechner, als sauberer Mann nicht rieche, was eben übel riecht?

Er wirft dem Rittmeister v. Schromm, als er diesem das Uns recht vorhält, was er an seinen Bergarbeitern verbrochen, mit bezug auf seine eigene Thätigkeit das voll klingende Wort ins Gesicht: " Der Jude that die Christenpflicht!"

Es handelt sich aber nicht um Juden- und Christenpflicht, sondern um Menschlichkeit; und wenn Herr v. Schromm nicht, wie ihn Herzl  darstellt, der verkommene Junker wäre, so könnte er dem Dr. Samuel gelassen erwidern: Schreien Sie nicht so, Verehrtester. Was Sie mit ihren guten Rathschlägen und ihrer Einzelhilfe an den Arbeitern in Dubniß gethan, ist eine Bagatelle gegen die Ver wüstungen, die ihre schwägerliche Kanaille, der Herr Rheinberg   mit feinen Schwindeloperationen in demselben Dubnitz angerichtet hat. Ich bin ein leichtsinniger Kavallier und wußte nicht, wie's da draußen in Dubniß zugeht. Das ist meine Schuld. Ihr Schwager aber handelt mit offenen Augen, wie ein sprungbereites Raubwild." Allein für die Gallerie, wenn sie so besetzt war, wie jüngst am Sonnabend, ist solch' tönendes Wort: Der Jude that die Christen­pflicht, ein willkommener Vorwand zur Demonstration.

Baron Schromm, der durch Rheinberg   gänzlich ruinirt ist, läßt sich in seiner Erregung zu dem Wort Judenpack!" hinreißen. Nun wird Dr. Samuel völlig wüthend. Er nimmt gar keine Rücksicht darauf, daß ein zu gründe Gerichteter so gesprochen hat. Er ver langt, wo möglich, daß dieser Schromm wie der alte Gobbo zum Shylock spreche: Verehrter Herr Jude! und giebt dem Baron eine Maulschelle. Es folgt das übliche Duell, Dr. Samuel wird tödtlich verwundet und predigt allerlei Judenstaatliches, er, der immer auf fleinlich äußere Würde, nie auf den Eigenwerth einer freien Persönlichkeit gebaut hat.

Um folcher reaktionären Verirrung willen war so viel Lärm geschlagen worden! Das ist das Ergebnis krankhafter Zustände. Das Stück wurde recht wacker gespielt. Eine hübsch karrikirte Rolle, die des naiven Börsenhallunken Wasserstein, gab Herr Sach 3 dem Publikum sehr zu Dant. Herr Wirt aus München   gab den Samuel so geschickt, daß die hölzerne Figur wenigstens nicht lächer­lich wurde; und Herr Eggling in der Episode des alten Vednik ergriff durch seinen schlichten, warmen Vortrag.

Das neue Ghetto selber, wie der trampelnde Beifall, der ihm Das Neue Theater führte am Sonntag in einer Mittagss von Börsen und Bantjünglingen im Thalia- Theater zu theil wurde, vorstellung das Schauspiel, Die Komödie" von Friedrich El. sind nur aus überhitter Leidenschaftlichkeit und aus dem Trotz verbogen, einem Wiener   Rechtsanwalt, auf. wundeter Gitelfeiten zu verstehen.

Diefe Mittagsvorstellungen, mit denen Direktor Lautenburg uns In seinem innersten Kern ist das Drama der Ausdruck nationa- droht, find unerfreulich. Sie ziehen kein Publikum heran, die über­listischer Bourgeoisie; an und für sich bleibt es gleid giltig, ob, diese müdete Kritik und ihr Anhang sitzt zu Gafte, und den Autoren wird Bourgeoisempfindung sich jüdisch- national, französich und deutsch   äußert. Sand in die Augen gestreut. Man bringt die Stücke heraus, weil Für den Mann von sozialistischer Empfindung sind die Reden und man kontraktlich verpflichtet ist; aber man bringt sie mit belasteten Debatten in dem Stücke tönende Worte ohne Juhalt. Der Boden, Schauspielern und nicht vor voll empfänglichem Publikum an auf dem solch' Schauspiel gedeihen konnte, liegt auf einer Welt, Sonntags- Mittagen heraus. Man hat sie einmal aufgeführt; dann die der Welt von Lessing's Nathan diametral entgegengesett ist.

find fie in der Regel begraben. Das Klügste wäre, die Kritiker