-

- 130

-

XXIV.

die Papiere nicht zu vergessen. Die Thür seines Schlafzimmers

Ja, es war Thatsache! Als Richard und der Agent war doppelt verschlossen; den Schlüssel hatte er hoch oben auf die hinauskamen nach Plötzensee und sofort in das Besuchs- äußerste Ecke des großen Kleiderspindes gelegt. Außerdem zimmer geführt wurden, fanden sie Herrn Seegert von der war die Thürklinke durch ein feftes Seil mit der Bettstelle zusammen­Deutschen Bant anwesend und wurden demselben vorgestellt. schiedene Fehltritte und Fehlgriffe, überwunden hatte, betrat er fein geschnürt. Nachdem er diese Hindernisse sämmtlich, nicht ohne vers Er war erstaunt, daß Richard an der Wahrheit der Thatsache Wohnzimmer. Dort legte er die Papiere vorsichtig unter den zweifle, und offerirte ihm sofort gegen Unterschrift des Herrn Bylinderhut auf den Tisch und vollendete seine Toilette. Einige Kreiser senior jede beliebige Summe. Schwierigkeiten wachte ihm wieder das Deffnen der Thür, als seine Wirthin klopfte, um den Frühstückstisch zurecht zu machen. Er hatte die Wohnnubenthür in derselben sinnreichen Weise verschlossen und versperrt wie die des Schlafzimmers. Schließlich waren auch diese Hindernisse überwunden. Herr Schwammel wischte sich den Schweiß

Jede beliebige Summe!" Das klingt eigenthümlich, wenn ein Haus von der Qualität der Deutschen Bant dergleichen anbietet, und der Agent, der einen starten Stoß sowohl im Bösen als im Guten vertragen konnte, betam als fünftiger Antheilhaber dieser Schäße einen leichten Schwindel. Es flimmerte ihm vor den Augen, wie nun der alte Kreiser herein tam, wie Vater und Sohn einander umarmten, der Gefangen­wärter in Rücksicht auf die Millionen bei diesem Anblick butterweich wurde, wie dann der alte Kreiser auch auf ihn zukam und wie Richard sagte: Das, lieber Vater ist Anna's Bräutigam, mein guter Freund Albert Schweder."

Der Agent breitete seine Arme aus, und wenn irgend eine erstaunte Frage oder eine Spur von Widerspruch gegen die Verlobung auf des alten Kreiser Lippen geschwebt haben mochten, so erstickte der Agent alles das in einem Schwall von Umarmungen und Rührung.

Er und Aennchen würden zusammen morgen heraus kommen und überhaupt alle Tage. Wenn Herr Kreiser nach zwei Monaten frei werden würde, müsse er bei ihm, respektive

bei ihm und Aennchen wohnen.

Richard war ganz still und von der Nachricht so sehr mitgenommen, daß er nicht viele Worte fand. Auch der Alte sprach wenig, und so hatte der Agent den Löwenantheil bei der Unterhaltung.;

( Fortsetzung folgt.)

Im Fonf.

Bon Franz Kahler.

( Machdruck verboten.)

Herr Schwammel war außer sich. Bei ihm wollte das viel heißen, denn er war sonst die Ruhe und Friedfertigkeit selbst. Aber Diesmal hatte er Ursache dazu. Sein bester Freund, ein fünfzig jähriger Junggeselle, heirathete. Herr Schwammel sollte Trauzeuge fein. Da soll doch gleich ein.. Na, er hatte einmal zugesagt. Nun half auch das saftigste Fluchen nichts mehr.

Die wichtigste Frage war jezt die Beschaffung einer Legitimation. Herr Schwammel hatte während seines Rentierlebens viel Er: fahrungen gesammelt, in diesem Punkte teine. Glücklicherweise blieben ihm noch sechs Wochen Zeit. Um sich keine Blöße zu geben, erkundigte er sich unter der Hand. Zuerst bei seiner Wirthin. Die rieth ihm zum Taufschein. Nach acht Tagen war diefer besorgt. Um indeffen ganz sicher zu gehen, frug er weiter. Ein Freund empfahl ihm Militärpapiere. Mit vieler Mühe verschaffte er fich auch diese. Ein dritter, dem er sich anvertraute, empfahl ihm den Todtenschein des Vaters. Herr Schwammel trieb auch diesen auf. Nun blieben ihm nur noch vierzehn Tage. Herr Schwammel wurde ängstlich. Er frug einen vierten.

" Ich habe mich durch ein Strafmandat legitimirt," war die Antwort.

Durch ein Strafmandat?" Herr Schwammel machte ein er­ftauntes Gesicht.

"

Gewiß," entgegnete der Freund. Rempelei, Brüllerei, Prügelei, Polizei, 30 M. wegen Ruhestörerei. Standesbeamte lächelte. Die Legitimation haben Sie sich nicht geborgt, fagte er, die genügt mir."

von der Stirn.

Drei Stunden später stand er vor dem Spiegel und warf einen letzten Blick auf seine Erscheinung. Er schien zufrieden mit seiner Musterung, denn er schmunzelte felbstbewußt.

Die Wirthin meldete ihm, daß die Droschke unten warte. Schnell fuhr Herr Schwammel noch einmal in seine Brusttasche, um fich sich zu überzeugen, ob die Papiere noch vorhanden

feien. Er fand alles in Ordnung. Nach menschlichem Er­Ein Gefühl stolzer messen war diese Klippe überwunden. rollte. Endlich hatte er wieder Ruhe nach den entsetzlichen Auf­Zufriedenheit überfam ihn, als er jetzt durch die belebten Straßen regungen der letzten Wochen.

Erft als die Droschke vor dem stattlichen Schulhause hielt, in dem fich das Standesamt befand, wurde er wieder ängstlich. Wenn die Papiere nicht genügten? Unsinn! Die Nachwirkung der letzten Wochen. Seine Nerven hatten etwas wegbekommen. Bapiere waren noch da. Er sah nach der Uhr. Ehe er die Klingel zog, fühlte er nach der Brusttasche. Die Es fehlten noch der Schukdiener öffnete und führte ihn in das Wartezimmer. Dort 10 Minuten bis zur festgesetzten Zeit. Herr Schwammel klingelte, fetzte er sich auf einen Stuhl am offenen Fenster und wartete. Der Schuldiener ging wieder hinaus, nachdem er einige Fragen an ihn gerichtet hatte. Herr Schwammel war allein in dem geräumigen Zimmer, in dem ein feierliches Halbdunkel und eine noch feierlichere Stille herrschten. Gerade vor dem offenen Fenster stand ein großer Baum, dessen sattgrüne Blättermasse ein weicher Sommer­hauch bewegte. Nach der Fahrt durch die sonnigen Straßen that die Kühle des Zimmers so wohl. Herr Schwammel schaute eine Weile auf den großen Schulhof, den das Sonnenlicht grell bestrahlte, und nach dem großen Baum vor dem Fenster, in dessen Zweigen soeben ein Spaßenschwarm lärmte. Hierauf sah er nach der ühr und musterte wieder das Zimmer. Die Uhr zeigte soeben die elfte Stunde an. Mit dem letzten Schlage tönte draußen die Klingel, laut, lang und dringend.

Herr Schwammel sprang vom Stuhle auf und fühlte unwill­fürlich nach seiner Rocktasche. Alles in Ordnung. Jetzt kamen sie: Schon hörte man Schritte draußen, ein kurzes Gespräch, und nun sein Freund, die Braut und Herr Lämmchen  , der andere Zeuge. ging die Thür auf.

Herr Schwammel machte eine würdevolle Verbeugung. Als er wieder aufsah, stand der Schuldiener vor ihm und sonst niemand. Der Beamte schaute ihn streng und feierlich an.

" Herr Schwammel, so ist doch Ihr werther Name? Mein Herr! Soeben fam ein Bote vom Herrn Standesbeamten mit der Nachricht, daß die um 11 Uhr angesetzte Trauung Krawutschte nicht stattfindet. Die Verlobung ist aufgelöst."

Kleines Feuilleton.

Ueber deutsche Trachten und Moden im 14. nud 15. Jahrhundert sprach am Freitag der vorigen Woche Direktor Dr. Falte im Gürzenich zu Köln  . War bis ins 14. Jahrhundert der lange Rock als Nachkomme der antiken Tunica das bestimmende Kleidungsstück gewesen, so beginnt um die Hälfte des 15. Jahr­hunderts, als an stelle des Adels das mächtig werdende Bürgerthum Acht Tage lang machte Herr Schwammel die Pferdebahnen und die führende Rolle in der Kulturentwickelung übernimmt, das überfüllten Lokale unsicher. Er schien es auf die Hühneraugen seiner Streben nach dem Auffälligen ohne Rücksicht auf die individuelle Mitmenschen abgesehen zu haben, erreichte seinen Zweck aber nicht, Schönheit. Die Grundtendenz bis zum Ende des Mittelalters war trotzdem er eine fühne und unternehmende Miene zur Schau die Verengung und Verkürzung der Kleidungsstücke. Das Streben trug. Zwölfmal titulirte man ihn Flegel, sechsmal erhielt nach Berengung und Verkürzung zeigt sich hauptsächlich bei der er einige derbe Rippenstöße, dreimal Ohrfeigen. Zweimal wurde männlichen Tracht. Der lange Rock wurde zur Schecke( Jacke), die ihm der Zylinderhut mit wuchtigem Schlage über die Ohren getrieben, nur bis auf die Hüften reichte, war aber so eng anschließend, und zulegt bekam er noch eine derbe Tracht Prügel. Zwar rief er daß man sich bald in die Nothwendigkeit versetzt sah, das jedesmal fläglich nach der Polizei, die ließ sich indeffen nicht sehen. Kleidungsstück, das bisher über den Kopf gezogen worden war, Nach der Tracht Prügel gab er weitere Versuche in dieser Richtung auf. vorn aufzuschneiden und mit Knöpfen zu verschließen. Das war Endlich war der Vorabend des großen Tages herangekommen. die Geburtszeit unserer modernen Kleidung. Die Beine waren Herr Schwammel schlief, die Papiere sorgfältig unter die Kopfkissen bis ins 14. Jahrhundert unter dem langen Rocke unsichtbar vergraben, sehr unruhig. Einige Male erwachte er in Schweiß gebadet. und nur mit einer Art langer Strümpfe bekleidet gewesen. Nun Sein erster Gedanke galt den Papieren. Gott   sei Dank, es war entsteht daraus, indem sie nach oben verlängert und an die Schecke nur ein Traum gewesen! Kein Dieb hatte sie ihm gestohlen, keine befestigt werden, die ebenfalls sehr eng anliegende Hose. Die ganze Maus aufgefressen, seine Wirthin keinen Kaffee damit gefocht. Sie Kleidung mußte so grelle und kontrastirende Farben wie möglich ruhten noch wohlverwahrt unter den Kissen. zeigen. Gewöhnlich war die menschliche Figur in vier Felder von Der Morgen graute. Herr Schwammel stand auf, holle die verschiedenen Farben eingetheilt, gestreift, schachbrettartig oder Papiere unter dem Kopftiffen hervor und legte sie auf den Tisch. ähnlich gemustert, wie sie sich heute noch in der Narrentracht er­Papiere, Papiere, Papiere!" murmelte er während der ganzen halten hat. Die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts wird Zeit, die er auf seine Toilette verwendete. Herr Schwammel ferner von der Gugeltracht heherrscht, die als eine Art hatte alle nur denkbaren Vorsichtsmaßregeln getroffen, um ja tapuze mit angefeßtem Hals- und Schulterkiagen sich ebenfalls eng