am Ende des geraden Weges, der auf«ine düstere Siraße mit hoben Gebäuden mündet, zieht der ferne Trubel der rastlose» Stadl vorüber. Rauchiger Dunst lagert über den starre» Mauern. Er scheint die Dächer mit seiner Schwere niederdrücken zu wolle». Un- abläsflg wächst er und drängt gegen den Winterhinnnel, an dem ei» kleiner, bleicher Fleck die Sonne kündet. Rischt rischt! fährt der Besen einer alten Frau regelmäßig über den Weg. Ihr verarbeitetes Gesicht, das von allen Tüchern dicht umhüllt ist, blickt in einem fort vor sich nieder ans den Strauch - des«», wie er hin und her fährt, während ihre Füße nach jedem Bcsenstrich ein wenig vorwärts rutschen. Der Schnee ivirbclt zur Seite, und die blosgelegle graubraune Erde scheint zu erschauern vor­der Kälte. Ein einzelner Mann geht hastig an der Frau vorüber. Sie blickt einen Augenblick auf. Dann fährt ihr Besen gleichmäßig weiter. Gedämpfte Fußtritte und dumpfes Rolle» lasten sie erst wieder innehalten in ihrer Arbeit. Eine Equipage kommt langsam angefahren. Die Pferde stoßen heftig ihren dampfende» Zlthem aus. Der Kutscher sitzt steif auf dem Bock, als wenn er gefühllos gegen die Kälte wäre. Hinter ihm sitze» eine alte Dame und mehrere Kinder in Pelze vermummrlt. Ihre Gesichter sind frisch und roth. D>cht neben der Equipage quält sich ein Echlosserlehrling in knapper, dünner Jacke mit einem schwer beladcnen Handwagen. Der Schweiß läuft ihm über die erhitzten Backen. Die Frau sieht schon wieder stumpf vor sich hin. Ihr Besen fährt regelmäßig über den Weg. Der Schnee wirbelt, eine Spatzen» leiche fällt dumpf ans die Erde. Rischt rifcht-- * Musik. er. Konzerte. Mit einem sehr dilettantischen Wohl- wolle» kann man die junge amerikanische Sängerin Rose E t t i n g e r als Phänomen preisen. Ihr gehaltloser sopra» er­streckt sich wohl bis an die äußersten Grenze» der dreigestrichenen Region, aber ohne Fülle, ohne Individualität, ohne Seele. Sie führt allerlei kleine Fioritnren mit automatenhaster Sicherheit aus, und mißglückt ihr manches, so versagte eben der Mechanismus. Ter mitwirkende sehr junge spanische Violinist Iva» Man« n besitzt schon heute die Tonflüßigkeit, die ziselirte Technik und die kokette Manirirlheit seines landSmännifchen Lehrers Sarasate. Einspanisches Konzert" eigener Arbeit brachte allerlei national« malerischen Klingklang und kleine Motive, ivelche weniger melodisch hervorragen, als durch ihre harmonische Verdogenheit interestant klingen. Jedenfalls will der Autor i» Maus» heute mehr sagen, als ihm seine Jugend erlaubt. Die Biolinvorlräge der Frau Anna von Pilgrim boten wenig Garantie, daß bei deren Spiel mehr als«in sicheres Handgelenk betheiligt sei. Bach, Swendsen, Ries u. a., sie waren gewiß mit pflichtschuldigem Ernste herausgebracht, aber von« Geist der verschiedenen Musiker war nichts zu spüren; und wir wollen doch in der Kunst lieber solide geärgert. als mit physiognomieloser Solidität gelangweilt iverde». Der Bariton des mitwirkende» Herrn F e ß l e r lebt nur noch von Erinnerungen an eine vielleichtköstliche Zeit". Seine Bortragsmouotonie verschärfte noch de» fast Mitleids- bedürftigen Eindruck seiner Stimnibrüchigkeit. Mit der Lebendigkeit eines reife» technischen Könnens interpretirte Fräulein v o n U» s ch u l d die Liszl'scheUngarische Phantasie". blieb jedoch Beelhoven's Ll-ckur-Konzert das schuldig, ivas de» herrlichen Werth seines Inhalts ausmacht: Die Macht seiner poetischen Weihe. Da hatte ihr Feuer und ihre pianistische Zu- versieht eine gewiss« thealeralische Gemachtheil. welche gerade diesem ans Heiterkeit und Grazie bestehenden Toniverke ferne bleiben sollte. Eine handiverksmaßige Mittel­mäßigkeit weit überragende Künstlerschaft offenbarte der Wiener Violoncellist Wilhelm I e r a l , der mit großem und schönem Ton«inen von Gefühl und Bildung belebten Vortrag verbindet. Von der verschwommenen Empfindsamkeit und dem süßlichen Tonvibrando. welche bei Cellisten meist den dürstigen Ersatz einer ausrichtigen musikalische» Ueberzeugung bilden, machte «r wohlthnend bescheidensten Gebrauch und ließ so Kompositionen von Bach, Boccheriui, Pogger u. f. w. auf der Basis eines wahren Talentes in geistiger, gemüthlicher und tech- nischer Beziehung zu trefflicher Wirkung gelangen. Die Pianistin. Lina Multerer muß vor allem Studien in der künstlerischen BescheidenheU machen. um ihrer physischen Kraft und ihrer oberflächlichen Technik nicht«in Programm angemessen zn halten, das Chopin's as dur- Polonaise, Liszl'SDon Juan Phantasie" und Beelhoven'sAppassionala" enthält. Es giebt eine musikalische Logik und gesetzmäßige Rhythmik, für welche auch das Dokunienliren eines begeisterten WollenS nicht entschädigen kann, und Fräulein Multerer gefiel sich nur allzusehr in unmöglichen Phrasirungen und unverständliche» Tempo-Willkürtichkeiten. Der Ein- blick in die geheime Gedankenwerkftatt der genannten Tondichter ist ihr heute versagt. Die mit ihr konzertirende Mezzosopranistin A st a Caspa ri ließ ein weiches, innig timbrirtes Organ höre», welches noch verläßlicher Schulung bedarf, um die intelligenten Vortrags- intenlionen ohne Härte und dilettantische Gewaltsamkeiten zur Ausführung zu bringen. Die gleiche Rothwendigkeit, der Gesangtechnik leidenschaftlichen Fleiß zu widmen, bewiese» auch die Darbietungen deS Fräulein Maria S p e i d e b, deren Stimmmittel und Ehrgeiz wohl nach der Bühne streben. Sie sang Schubert und Brahms wohl mit sorgsältigem Feinsiune, aber auch mit dem Tremolando, welches sich gewöhnlich als verdächtiges Zu- geständuiß an den Theaterraum ergiebt. In der Intimität eineS kleineu Konzertsaales kann mau sich nur sehr schwer mit einer flackernde» Tongebung und mit Jntonationsschwankungen aus- söhnen. Kunst. Auf die Ausstellung des Verein? der Künstlerinnen wird in den Räumen der Akademie Unter den Linden«ineSchwarz- Weiß- Ausstellung des Verbandes deutscher Illustratoren" folgen. Der Verband ist im vorigen Jahre gegründet und tritt zum ersten Male vor die Oeffentlichkeit. In einer historischen Abtheilung soll der Entwickelungsgaug der deutschen Illustration von Chodowieckr bis zur Gegenwart vorgeführt werden. Von den Illustratoren, die gegenwärtig fchaffen, werden alle Be­kannteren vertreten sein. Kunstgewerbe» dl. Im Schaufenster der Berliner Niederlage der s ä ch s i« schen Porzellan- Manufaktur zu Meißen (Leipziger- straße 39) sind gegenwärtig Versuche einer neuen Behandlung des Porzellans ausgestellt, die äußerst interessant sind. Die Meißener Anstalt bringt durch sie die seit mehr als einem Jahrzehnt gehenden Bemühungen, eine für moderne Ansprüche genügende Technik in der Porzellan- Bearbeitung zu erhallen, um ein gutes Stück weiter. Die Vervollkommnung der Farbe wurde in diesen Versuchen fast ausschließlich angestrebt. Es zeigt sich auch hierin, wie in der Keramik und Glasindustrie die Errungen- fchaft der modernen Malerei, die Ausbildung eines seine» Farbengesühls, unmittelbar für das Kunstgewerbe nutzbar ivird. Bisher konnte man eine reichere Farbe beim Porzellan nur durch Ausmalung über der Glasur er- zielen. Wenn man auch zu dieser Art des Schmuckes alle vorhandenen Farben verwenden konnte, so blieb er doch inuner nur eine äußerliche Znlhat. Die erste Bedingung eines gesunden Kunst- gewcrbes aber ist, daß die Schiunckforme» in einer inneren Be- ziehung zn den Bedingungen des Materials und der Technik stehen. Erst jetzt wird man diesen Anforderungen gerecht. Die auSgestelllen Stück« sind in Scharffenertechnik bearbeitet. Die Farben sind»ach dem erste» Brande aufgetragen; erst dann ist das Ganze mit der durchfichtigen Glasur überzogen und im Scharsfeuer von 1600 Gr. C. gebrannt. Der Fortschritt besteht nnu darin, daß man an stelle der eine» blauen Farbe(Kobaltoxyd) und der Goldfarbe, die nian früher allein verwenden konnte, weil alle anderen sich im Scharffeuer nicht dielten, mit Hilfe der Chemiker eine ganze Reihe von Farben, ver- schiebene Töne von grün, gelb und braunroth, verwenden gelernt hat. Ebenso ist man in der Massemalerei weiter gekommen. Bei dieser trägt man weiße»- d erst neuerdings auch farbige Porzellaumasse zu flachreliefarU er Wirkung unter der Glasur auf. Diese beiden Mittel, Unterglasnr-»nd Massemalerei hat man in Meißen mit außerordentlicher Meisterschaft behandeln gelernt. Es sind mit ihnen ganze, nur leicht stilisirle Landschaften auf Basen und Teller gemalt. Wiese», ans denen Jüng- linge und Jungfrauen einen Reigen tanzen, einsame Haiden und ähnliche Motive; ans einer Vase ist ein Strauch mit Magnolien- blülhen dargestellt, zwischen denen ein Mädchen hervorsieht. Technisch sind es geiviß kleine Wunderwerke. Es scheint aber nicht, daß diese großen Mittel die rechte künstlerische Verwendung gefunden habe». Nehme» wir selbst an, daß es gelange, den etwas grauen Ton. den die Farben jetzt noch unter der Glasur haben, aufzuhellen und eine lebendigere Wirkung zu erziele», so würde immer eine grobe Slllwidrigkeit bestehen bleibe». Zunächst schon läßt eine so geschmückte Vase ein ruhiges Genießen garnichl zn, weil sie von keiner Stelle aus ein geschlossenes Bild gewährt. Bei der Vase z. B., aus der Tanzende dargestellt sind, sieht man oft ans der eine» Seile ein vorgeschwungenes Bein und auf der anderen eine» zurückgestreckten Arm, zu denen die Körper fehlen, weil sie hinter der Rundung liegen. Mau fühlt sich fortwährend versucht, um die Vase herum zu wander». Vor allen Dinge» ist aber eine solche Dekoration prinzipiell verfehlt. Ein Oruauient darf, seiner Bestimmnug zufolge, nur dazu dienen, die Formen elneS Gegen- standes hervorzuheben, zu steigern, sie reicher zu macheu, nie aber, sie erheblich zu stören. Hier erhält man im besten Fall eine Land- schaft, die in dem etwas sonderbaren Rahmen einer Vasen- form abgeschlossen ist. Sie giebt die Illusion einer weite» Ferne, durch die die Vase eigentlich hinweg gezaubert wird, während eS doch gerade darauf ankäme. ihre Körperhaftigkeit, ihre schöne Rundung herauszuarbeite». Ans diesem Grunde scheinen auch die Versuche, die Vase» mit stilisirten Blumen z» schmücke», glücklicher� indessen sind diese nicht besonders gut durchgeführt und verratheu»och große� Unklarheit in dem Suchen nach eigenartige», neuen Formen. Auch die Basensormen selbst sind zwar kräftig und gut; indessen würde gerade in ihrer Durchbildung»nd mannigfaltigeren Ausgestaltung eine fchöue Aus- gäbe der Meißener Porzellan-Manusaktur liegen. Geschichtliches. Zu unserer Notiz über..PreußischeDeportationen na ch C ibirien" schreibt nnS ein Leser: Heinrich von Bülow. der bekannt« Militärreform-Schriststeller vom Anfang deS Jahr- hunderls, früherer preußischer iiavallerielieutcnant und Bruder des