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,, Aber, Herr Hauptmann!" protestirte Julie.
,, Und Sie besuchen uns wieder?"
"
"
"
"
Mit größtem Vergnügen."
Aber bald? Morgen!"
Wenn es mir die Zeit erlaubt.."
" Rein wenn! Rein wenn! Wenn Sie morgen nicht tommen, so muß ich es als Beweis ansehen, daß Sie mir böse find."
,, Gott geleite Sie! Gott geleite Sie!" unterbrach der] Da tam denn vor allem das Wesen eines Poeten befruchtend zu Hauptmann, sprang eilfertig vom Kanapee auf und half ihr Hilfe, der in Berlin und in Norddeutschland verhältnißmäßig späte artig Mantel und Gummischuhe anziehen, holte ihren Regen- Anerkennung fand, der dafür dank dem Doppelreichthum von Herrn schirm und mit seinen beiden gewaltigen Händen ihr kleines Rainz und Frau Sorma bei uns mit einzelnen Werken nachhaltiger Händchen drückend, sagte er, schon ganz ernst:„ Entschuldigen gestalten Grillparzer's wuchs Frau Sorma empor und von allen wirkte als in seiner engeren Heimath, in Wien . An den FrauenSie, gnädige Frau, die barsche Begrüßung, ich bedauere, daß schauspielerischen Gaben, die sie uns darbot, bleibt ihre Jüdin von Sie nicht die Güte hatten, länger zu bleiben. Doch ich muß Toledo immer noch das vollendete Beispiel der völligen Verschmelzung einsehen, daß Sie Recht haben. Heut' bin ich wohl für von Kunst und des Schauspielers Grundnatur. Wie Frau Sorma des Fremde unerträglich. Sie sind mir doch nicht böse?" Dichters Gebilde neu erschafft, wie sie das Judenmädchen darstellt, in Liften erfahren, fagenartig verschlagen, mit funkelnden Augen, eigentlich so gemein in ihrer Lüsternheit und Habgier, und wie über all das dennoch ein Schimmer von heiligender Schönheit und Grazie gebreitet ist, als wie ein strahlender Mantel: da bleibt kein Rest übrig, das ist ein Meisterstück. Nicht mit unrecht hat man betont: Die Frauengestalten Grillparzer's feien im Grunde verkleidete Wienerinnen. Ihr anmuthumflossener weicher Sinn wird nur dichterisch verklärt und geadelt. Auch in der Persönlichkeit stößt man immer auf den Grundklang: weiche, reizumfloffene ES ift fein Anmuth. Zufall, fie daß Grillparzer's Frauengestalten am tongenialsten wurde. In Weh' dem, der lügt" und in der" Jüdin von Toledo" gab sich das Schaffen von Frau Sorma am reinsten, weil am ungezwungenſten aus. Frau Sorma hat in ehrlicher Arbeit die Grenzen ihres Könnens zu erweitern gesucht. Sie hat sich an den Nora- Typus herangewagt und in der Agnes Jordan eine ganze weibliche Tragödie von fröh licher Brautschaft bis zur verkümmerten Resignation im Alter zu erschöpfen versucht. Daß einer Arbeiterin von starker geistiger Energie auch solche Gebiete nicht verschloffen bleiben können, Aber auch auf diesen Gebieten ist das Beste, was sie zu geben hat, das Lichte, das Freudige im Grundklang ihrer künstlerischen Seele. Es giebt sogar ihren, tragischen Gestalten den ganz eigenthümlich melancholischen Reiz. Agnes Jordan schleicht gebrochen durch das Haus des rüden Gatten, längst hat sie es verlernt, sich gegen die Pöbelhaftigkeit des Ruchlofen zu empören; Kummerfalten durchfurchen die Stirn, verstört und schen blicken die Augen, die unruhigen Augen der verschüchterten Menschen: dann aber fällt ihr Blick auf eins ihrer Kinder; es ver. schwindet das wehmüthige Bucken der Lippen, ein Lächeln gleitet darüber, und das gekrümmte Rückgrat scheint sich straff aufrichten
" Aber, Herr Hauptmann Wie können Sie so was denken!" Beim Abschied flüsterte Julie Angela ins Ohr:„ Sollte etwas vorfallen, so bin ich noch heute Abend hier.". Angela tüßte fie und begleitete fie bis zur Thüre. Der Hauptmann legte nun erst Mantel und Säbel ab und versuchte, nach dem gewaltigen Gefühlsausbruch Ruhe zu gewinnen. Es war das keine leichte Sache. Im Fauteuil figend, wollte er sich im Zimmer umschauen, doch alle Sachen tanzten ihm vor den Augen, floffen in eine einförmige graue Maffe zusammen, die von einem rosigen Nebel umhüllt schien, gaben wunderbare Töne von sich, die mächtig in seinem Herzen widerhallten, daß ihm das Blut heißer aufwallte. Er sprang wieder auf, durchschritt einige Mal haftig das Zimmer, und els Angela vom Korridor zurückkam, riß er sie von neuem in seine Arme, bedeckte Mund, Augen, Stirne und Haare mit heißen Rüffen.
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Rind, Du erbrückst mich!" rief Angela scherzend. Man mertt Dir's an, daß Du von einem heißeren Klima kommst! Früher hast Du Dich nicht so feurig geberdet!"
Bist Du böse?" flüsterte glückselig der Hauptmann, um schlang sie noch fester und blickte tief in die wundervollen strahlenden Augen.
( Forthung folgt.)
hat sich am Sonntag als Nora im Deutschen Theater verabschiedet. Man hat ihr die üblichen Ehrenbezeugungen erwiesen. Die gleichen einander in allen Fällen und intereffiren uns nicht weiter. Durch den Abschied von Frau Sorma fallen aber interessante Streiflichter auf unsere Kunstpflege im allgemeinen. Darum sei es gestattet, an dieser Stelle, wo nicht selten schauspielerische Leistungen von Vorftadttruppen ihre Zensuren erhalten, wiewohl diese Kunst der Kunst drefsirter Papageien gleicht, der schauspielerischen Persönlichkeit von Agnes Sorma noch einmal zu gedenken.
zu wollen.
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In solchen Momenten thut Frau Sorma, was eben sie nur fann. Das Häßliche wird verschönt, das Düftere in weichere Melancholie verwandelt. Alle starken Persönlichkeiten sind in der Schauspielkunft viel mehr an die Grundbedingungen ihrer Natur gebunden, als die Künstler von flacherem Gepräge, die auf weit zahlreicheren Tasten spielen können, nur daß sie nicht so voll hineingreifen. Von drei ersten Schauspielerinnen ergreift die Duse als Nora am mächtigsten zum Schluß. Jedes Wort ist Bitterfeit. Nora's Abschied ist großer Grimm. Wie die Rejane Nora's Aufregungen, ihre trampshafte Spannung schildert, die Tarantella das fann unsere Corma nicht. Wie aber die tanzt, Sorma im Puppenheim" herumtollt, ein Kind, ein sonnenfrohes Kind unter ihren eigenen Kindern, das machen der Deutschen weder die Italienerin, noch die Pariserin gleich.
Frau Sorma will nunmehr feiner Berliner Bühne mehr an= gehören; sie will wiederkommen, aber stets nur als fahrender Gast. Die mammonistische Entwickelung, die sich auf alles erstreckt, hat auch diese Kunstschäden gezeitigt. Sie hat das Virtuosenthum Frau Sorma, die nunmehr dem ständigen Theater Lebewohl monopolifirt. Es hängt mit dem Handelsbetrieb im Theater und fagt und sich zunächst nach Amerika begiebt, gilt heute, da sie in der Theateragentur zufammen. Wo eine schauspielerische Kraft über. der Bollreife ihres Könnens und ihrer Weiblichkeit steht, als das das durchschnittliche Niveau weit emporragt, beginnt ein brennender bedeutendste Talent unter den Schauspielerinnen Deutschlands . Konkurrenzkampf um sie. Ein Sprichwort sagt: Der Theaterdirektor Darüber ließe sich noch rechten; unzweifelhaft aber ist Frau Sorma schneidet den Schauspieler vom Galgen ab, wenn er ihn branchen eine fünstlerische Persönlichkeit, die eben in ihrer Art außer dem fann. Gewiß ist, er monopolifirt ihn für sich und greift tief in Bergleich steht; und das ist in der Schauspielfunft seltener, feinen Geldbeutel, was er sonst nicht gerne thut. Lieber schindet er als in anderen Künsten, und bei Schauspielerinnen besonders die Kleinen aufs Blut, als daß er sich die zugkräftige Erscheinung felten. Sie hat diese Persönlichkeit nicht mit einem Schlag entgehen läßt. Was der Theaterdirektor nicht mehr kann, das be= zur Reife gebracht. Nach der Lehr- und Wanderzeit in der Provinz sorgt der Impresario, der Handelsagent, der Mann der Reklame fam Frau Sorma zu' Arronge aus Deutsche Theater. Sie mußte und Freund der Presse". Er schafft die mächtigen Gastspielzunächst die Theaternaiven in den Komödiantenfiücken der Schönthan honorare, die wieder nur auf Wanderfahrten gewonnen werden und ähnlicher Geisteshelden spielen. Da ist es schwer, etwas ganz fönnen. Er monopolifirt seinen Virtuosen und jagt ihn durch die Besonderes zu sagen. Wie das Stück flache Schablone wird, so be- Welt von Ost nach West; denn erhöhte Einnahmen bedeuten für ihn ruht die Schauspielerei darin auf hergebrachter Tradition und auf erhöhte Provision. der Dressur in Theaterschulen. Trotzdem prägte sich schon damals Als man sie auf die Nachtheile des Virtuosenthums gegenüber die Kunstnatur der Frau Sorma so flar, so sicher aus, daß man ihr dem Verbleib in einem festen Ensemble aufmerksam machte, hat leider nur zu treffend geantwortet: Und was Wesen kaum verkennen konnte. Das war eine Kunst, wie sie gerade Frau Sorma im rauberen Deutschland zu den tostbaren Besitzthümern gehört. bietet das ständige Theater dem Künstler hente viel mehr? Wird Sie ist von heller Farbe, sonnenumflossen und ruht auf dem Grund nicht auch das Virtuosenhafte gezüchtet? Haben denn unsere kaufeiner unbewußten Anmuth. Frau Sorma ist wohl eine Dit- männischen Theater ein Repertoir in der künstlerischen Bedeutung? deutsche ; aber es quilt in ihren Adern wie von südlichem Db Dichter, ob Macher: Wenn ein Stück einschlägt, wird Raubban damit getrieben. Man schürft den Erfolg aufs leyte Körnchen aus. Frau Sorma könnte in dieser Saison vielleicht noch fünfzig Mal die Salome tanzen. Das ist mindestens so böse, wie das virtuose Gastspielreisen mit wenigen Rollen. Auch das stumpft das schaus Spielerische Vermögen ab und lähmt die geistige Regfamkeit. Das Theater ist eben Handelschaft geworden. Darüber hilft kein fentis
Lebensblut.
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Wenn man von Frau Sorma spricht, so darf man dabei nicht an die weiblichen Kürassiere und Heroinen denken. Es ist ein Barbarenstandpunkt, äußerliche Wucht über innere Feinheit zu stellen. Es ist derfelbe Standpunkt, von dem aus der Jutendant Herr v. Hülsen einst die Tragödin Charlotte Wolter nicht aus Schauspiel. hans engagirte. Sie hatte nämlich nicht das nöthige hohe Maß". mentales Greinen hinweg.- Auf dem Boden der Grazie, nicht auf dem der düsteren Tragit blühte die Kunft der Sorma auf; nun galt es, diese ursprüngliche Grazie zu adelu, zu vertiefen.
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-ff.