Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 47.

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Dienstag, den 8. März.

( Nachdruck verboten.)

Am häuslichen Herd.

Roman von Jwan Franto.

Wie verstehst Du das?":

1898.

Du mir glauben oder nicht. Gieb mir Dein Wort darauf, daß Du dir die Mühe nehmen wirst."

Nun, wenn Du es durchaus haben willst." Durchaus und zwar noch heute!"" Mag es denn sein." Gut, ich danke Dir, das wird für mich der beste Beweis Deines Zu­trauens sein."

Angela tüßte den Hauptmann auf die Stirne und ents fernte sich, ihm das Wirthschaftsbuch, die Quittungen und eine Menge vergilbter Briefe überlassend. Lange Zeit noch konnte er vor Erstaunen nicht zu sich kommen und ging in Gedanken versunken im Zimmer auf und ab, bis er endlich zu der Ueberzeugung gelangte, daß seine Frau recht hatte, daß diese ganze un­gewöhnliche Szene nur ein Beweis ihrer großen Liebe, ihrer Vorsicht und ihres außerordentlichen Verstandes war. So weit gekommen, nahm er mit aller Gewissenhaftigkeit die Prüfung der Rechnungen und Papiere vor. IV.

" Ich will Dir sagen, was ich meine. Seit längerer Zeit schon werde ich von bösen Zungen verleumdet, daß ich auf unehrenhafte Weise Geld verdiene. Woher diese dummen Geschichten stammen, ist mir unbekannt. Ich habe während der ganzen Zeit kein großes Haus geführt, bin auch nicht so oft in Gesellschaft gekommen, daß ich alles erfahren könnte. Von Deinen ehemaligen Freunden sind nur wenige hier ge­blieben und auch die besuchten mich äußerst selten. Ich weiß also nicht, was man mir eigentlich zur Laft legt. So lange es sich nur um mich allein handelte, kümmerte ich mich um das Gerede gar nicht, ich begnügte mich mit dem Zeugnisse meines eigenen Gewissens, mit dem Bewußtsein meiner Un schuld. Doch nun da Du zurückgekehrt bist, stehen die Sachen Nach dem Nachtmahle, welches im engsten Familienkreise anders. Dieses dumme Gerede kann Deine Ruhe vergiften, eingenommen wurde Tante Julie war die scherzhaften Dir Unannehmlichkeiten bereiten, wenn Du nicht gehörig da Feindseligkeiten des Kapitäns gleichsam ahnend nicht ers gegen gewappnet bist. Und das eben will ich bewirken." schienen rüstete Anton sich zum Ausgehen.

Wenn Du mich aber Deiner Unschuld versicherst, wozu brauche ich noch mehr Zeugen?"

"

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Wohin willst Du gehen?" fragte Angela.

" Ich muß mich doch im Offizierskasino zeigen!"

"

Mir wär's lieber, Du gingst nicht hin."

Höre mich Anton!" fuhr Angela traurig fort. Sprich nicht so, der Mensch ist nicht von Stein. Der Schein tann Aber mein Lieb, man würde es mir übel nehmen, wenn gegen mich zeugen. Vor allem also gieb mir Dein heiligstes ich die Kameraden nicht begrüßte! Und dann möchte ich auch Wort, schwöre mir bei der Liebe für unsere Kinder, daß Du gerne meine alten Bekannten wiedersehen." alles, was gegen mich vorgebracht wird, mir offen und schonungslos heraussagen, nichts vor mir verbergen, über alles Aufklärung von mir verlangen wirst!"

Angela, um Gotteswillen, Du beunruhigst mich durch diesen feierlichen Ton!" rief, vom Size aufspringend, der Hauptmann. Glaubst Du, die Dinge könnten eine so ernste Wendung nehmen?"

Ich glaube nichts; doch verlange ich von Dir das, wozu ich ein volles Recht habe denn auf Deine Offenheit habe ich doch ein volles Recht!"

Ganz gewiß!"

"

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Versprichst Du mir also, daß Du stets offen und auf­richtig gegen mich sein wirst?"

" Ich verspreche es Dir bei meiner Ehre, bei meiner Seligkeit!"

"

Und daß Du nie ein Geheimniß vor mir haben wirst, auch wenn Du glauben solltest, daß es mich schmerzlich be­rühren könnte?"

" Ich verspreche es! Auch wenn ich glauben sollte, daß es mich in Deinen Augen erniedrigen, mich Deiner Liebe un­würdig machen könnte!"

Das sollst Du nie glauben, mein Lieber!" sagte Angela, ihn auf den Mund küffend. Und für das Versprechen meinen herzlichen Dant! Du fannst überzeugt sein, daß ich Dein Ver trauen nicht mißbrauchen werde.

Und ich... ich... muß Dir die Wahrheit gestehen, daß ich nicht weiß, wozu alle diese Umstände..

Gebe Gott  , daß sie wirklich überflüssig sind!" sprach seufzend Angela. Jedenfalls aber können sie doch nicht schaden. Nun gut! Das wäre also abgemacht, und nun noch

etwas."

Sie öffnete die Schublade ihres Toilettentisches und nahm ein altes in fettig glänzendes Leder gebundenes Buch heraus. Dem Hauptmann war das Buch wohl bekannt: es war das Wirthschaftsbuch, das er am Vorabend ihres Hochzeitstages gekauft und Angela übergeben hatte, damit sie alle Ausgaben und Einkünfte ihrer fleinen Wirthschaft darin verzeichne. Angela notirte auch wirklich tagtäglich sehr gewissenhaft alle Rechnungen. Nuu händigte sie ihm das Buch ein.

Da, nimmi es und sieh' meine Rechnungen durch. Da find die Quittungen von den Kaufläden und von verschiedenen Leuten, mit denen ich während der ganzen Zeit Geldgeschäfte hatte. Und in diesem Packet sind alle Briefe, die ich erhalten. Sieh alles durch, ich bitte Dich darum, untersuche jede Einzel­heit, jedes Blatt, jede Biffer!"

" Aber Angela, wozu das Nein, ich verlange es.

ohnehin!"

alles! Ich glaube Dir ja Prüfe und dann kannst

Nun, von diesen wirst Du dort nicht viele finden, höchstens Redlich. Sonst weiß ich nicht, ob noch Jemand... Redlich allein gilt für zehn andere," sagte ernsthaft der Hauptmann und schnallte seinen Säbel um.

Nun bleib wenigstens nicht lange aus!" bat Angela. Heut ist ein Festtag für mich, an dem ich Dich ungern einen Augenblick missen möchte."

" Ich gehe auch ungern fort, doch es schickt sich, daß ich gehe."

" Geh also, geh," sagte Angela, damit niemand behaupte, ich wollte Dich vom Wege der Pflicht ablenken."

Der

Hätte der Hauptmann nach seinem Weggehen das Geficht seiner Frau erblicken können, er wäre nicht wenig verwundert gewesen. Diese so heiteren, hellen, energischen Züge, dieses vor einer Weile noch so blühende und freudig erregte Antlig war jetzt angstvoll verzerrt und mit Todtenblässe überzogen. Die Mundwinkel zitterten trampshaft, als wenn sie unhörbare Beschwörungen dem sich Entfernenden nachlispelten. Athem stockte ihr, und wie von einer räthselhaften Ohnmacht bewältigt warf sie sich auf einen Stuhl und saß einige Mis nuten ganz unbeweglich da, ein wahres Bild der Hilflosigkeit und Verzweiflung. Laute Rufe und dann eilige Schritte der nahenden Kinder weckten sie aus der Erstarrung. " Mutterl, Mutter!!" riefen sie wo bist Du?" Angela jaß in dem Salon, in dem es dunkel war.

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Hier bin ich", antwortete fie, was wollt Ihr?" Die Rinder öffneten weit die Thüre des Salons, daß ein breiter. Lichtstrom hereinfiel, und plauderten, sich dicht au die Mutter schmiegend:" Wir können schon unsere Lektion für morgen! Willst Du uns ausfragen?"

unwohl."

Morgen, meine Lieblinge! Heute bin ich ein wenig Mütterchen ist frank, ist wieder leidend? Armes, liebes Mütterchen!"

Lieschen streichelte ihr das Kinn, Mundi tüßte ihr die Hände. Angela wandte sich ab, um die Thränen zu verbergen, die ihren Augen entquollen. Meine armen Kinder!" flüsterte sie, das Schluchzen bekämpfend, das ihr die Kehle zusammen­schnürte. Und nach einer Weile beherrschte sie die Bes wegung und sagte: Morgen werde ich Euch ausfragen. Und jetzt geht schlafen!"

" Wir haben noch keine Lust, zu schlafen, Mütterchen, er laube uns, in die Küche zu gehen. Dort ist ein Soldat, der gar so lang ist und so komisch aussieht. Er will uns eine wunderschöne Geschichte erzählen, die aber ganz und gar nicht schreckhaft ist. Erlaubst Du es, Mütterchen?"

Nun geht, geht, doch bleibt nicht länger als eine halbe Stunde; dann hole ich Euch und bringe Euch zu Bett."