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" Gott  , was soll mit den armen Würmern geschehen!" feufzte Angela schwer und verfiel wieder in dumpfes Brüten. Doch nach einer Weile richtete sie sich auf, ihre gewöhnliche Energie begann die Oberhand zu gewinnen.

Was geschehen soll, mag geschehen! Ich will mich auf­recht halten, so lang es geht, und gilt es, mein Handeln zu verantworten, so werde ich es thun."

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Aber die Kinder hörten nicht mehr den Schluß ihrer Ehevertrag aufgefeßt. Meist sagen die Eltern zunächst, daß sie die Rede und liefen händeklatschend in die Küche. Tochter nicht bergeben wollen. Ist den Eltern der Bräutigam nicht genehm, so erwidert man dem Freiwerber, die Tochter fei noch viel 3 jung, er möge in zwei oder drei Jahren wieder einmal vors ſprechen u. f. w. Sind die Eltern aber mit dem Bewerber zufrieden, dann wird die Verlobung sofort in Abwesenheit des Bräutigams gefeiert. Eingeladen werden hierzu alle Verwandten, Freunde und Be­kannte des Dorfes. Nachdem die Gäfte im Hause der Braut be wirthet worden sind und die Branntwein Vorräthe ausgetrunken haben, begiebt sich die ganze Gesellschaft zu den nächsten Verwandten, die nun ihrerseits einen Schmaus für alle Personen ausrichten. Auch von dort geht es wieder weiter, und zwar ebenfalls in das Haus eines der Gäfte, die an der Verlobungsfeier theilgenommen haben. Diese Schmausereien und Zechereien währen bis in die Morgenstunden hinein. Dann eilt man zur Ruhe, und Swat und Swacha logiren im Hause der Braut.

Man hörte ein leises Klopfen an die Thüre. Wie auf gescheucht sprang Angela empor und öffnete.

( Fortsetzung folgt.)

Brauffahrten und Hochzeits­gebräuche in Sibirien.  ")

Zwischen Hochneujahr und Fastnacht finden in Sibirien   bei den Bekennern der russischen   Staatskirche die meisten Hochzeiten statt. Obschon der Durchschnitts- Sibirier nicht gerade eine romantisch veranlagte Natur, sondern im Gegentheil ein sehr hausbackener Gefelle ist, so begeht er doch seine Hochzeit außerordentlich feierlich. Man fennt in Sibirien   legale und illegale Trauungen. Die ersteren sind zwar häufiger, aber die letzteren kommen noch oft vor. In Sibirien   blüht heute nämlich noch der Frauenraub und zwar nicht etwa bei Tataven, Samojeden, Jakuten u. s. w., sondern gerade bei den orthodoxen Russen.

Gewöhnlich kennen die jungen Sibirier und Sibirierinnen nicht das Hangen und Bangen in schwebender Pein. Die jungen Paare werden nämlich meist nicht durch die Liebe, sondern durch Eltern, Verwandte und Heirathsvermittler zufammen geführt. Hin und wieder verliebt sich aber doch ein Paar in einander. Dabei tommt es, wie auch anderwärts, nicht gerade selten vor, daß die Eltern von einer Verbindung nichts wissen wollen. Dann entführt der junge Sibirier feine Geliebte und begiebt sich mit ihr ftracks zum Popen, wo die Trauung erfolgt. Gewöhnlich hat schon einige Tage vorher die Braut einen Theil ihrer Garderobe heimlich zu einer verheiratheten Freundin gebracht, bei der sie dann am Tage der Flucht ihren Bräutigam erwartet. Derfelbe erscheint dort mit Pferd und Wagen, oder mit Pferd und Schlitten und fort geht's zum Popen.

Nun muß zwar ein Brautpaar, wenn es ohne Begleitung der Eltern vor dem Popen erscheint, nicht blos die schriftliche Ein­willigung des Vaters und der Mutter vorweisen, sondern auch noch zwei Zeugen mitbringen, welche die Richtigkeit der Unterschrift be­glaubigen. Das junge Brautpaar fälscht diese Unterschrift, und die Zeugen find Freunde, welche wider befferes Wissen die Richtigkeit der Unterschrift beglaubigen. Der Pope   weiß, da die Trauung ge­wiffermaßen im Stillen vorgenommen wird, daß die Unterschrift gefälscht ist, und die Zeugen das Blau vom Himmel herunterlügen. Aber während der Pope sonst nur 15 Rubel sich für eine Trauung zahlen läßt, fordert er jetzt 40-100 Rubel, je nach den Vermögens­verhältnissen des Bräutigams, und erhält nach kurzem Handeln auch nahezu den verlangten Betrag.

Die eigentliche Hochzeit findet bei einem solchen Paare ganz im stillen statt. Eine Woche danach fährt dann das junge Ehepaar mit den Eltern und sonstigen Verwandten des Mannes zu den Eltern der Frau, um Verzeihung zu erbitten. Dort fallen die jungen Leute den Alten zu Füßen, und nach einigem Hin- und Herreden   wird schließlich in den meisten Fällen die erbetene Verzeihung ge­währt. Mitunter bleiben aber die Eltern hartherzig, wollen von einer Bersöhnung nichts wissen und tlagen auf Rückgabe der Tochter".

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Wird indessen die nachgesuchte Verzeihung gewährt, so findet bei den Eltern der Braut eine nachträgliche Hochzeitsfeier statt, zu der nach allen Seiten hin Einladungen ergehen.

Die legalen Verlobungen, Trauungen und Hochzeiten vollziehen fich unter zahlreichen Zeremonien. Hat ein junger Bauer die Absicht, ein ihm bekanntes Mädchen zu heirathen, oder hat er in Erfahrung gebracht, daß in einem Nachbardorfe ein junges Mädchen lebt, das als gute Wirthin gilt, so übergiebt der Heirathslustige die Sache einer Heirathsvermittlerin. Diese lettere bespricht die ganze Angelegenheit mit den Eltern des jungen Mädchens. Aber auch wenn der junge Mann das Mädchen bereits fennt, bedient er sich der Hilfe eines Freiwerbers( swat) und einer Heirathsvermittlerin ( swacha). An einem schönen Sonntag- Nachmittag erscheinen der Swat und die Swacha bei den Eltern des jungen Mädchens, und zwar stellen fie fich, im Zimmer angelangt, direft unter dem mittleren Balken der hölzernen Decke, der den Namen matka  " führt, auf. Stehen Swat und Swacha unter ihm, so wissen die Eltern gleich, um was es fich handelt. Der Swat und die Swacha werden sofort mit Thee und Branntwein bewirthet. Alsbald erhebt der Freiwerber sein Glas, trinft auf das Wohl der Hausfrau und des Hausherrn und spricht:" Ich fomme in einer guten Angelegenheit," wobei er die legten Worte drei Mal wiederholt. Nun giebt ein Wort das andere, die ganze Angelegenheit wird höchst geschäftsmäßig erörtert und der

Aus der Kölnischen Volkszeitung".

Am andern Morgen fragen die Freiwerber an, wann sie mit dem Bräutigam ur gefälligen Ansicht"( na pasmatrjenje) sich einstellen dürfen. Sobald dann der Bräutigam erscheint, schenkt er seiner Verlobten ein Kopfkissen mit feinen Daunen. Diefe giebt ihm einen Shawl oder Kleid von sich, sozusagen als Pfand", daß sie als Frau in sein Haus kommen wird. Mit dem Bräu tigam finden sich seine Eltern ein, die der Braut ebenfalls Ge­fchenke geben und obendrein ihren Eltern einen Eimer Branntwein mitbringen.

Daß sich die Verlobten bei ihrem ersten Zusammentreffen gegens feitig nicht gefallen, tommt sehr selten vor, denn auf Aeußerlichkeiten giebt man bei den sibirischen Bauern nichts. Baffen nur die mate riellen Verhältnisse zusammen die Liebe findet sich, sagt der Sibirier. Schönheiten sind die fibirischen Bauernmädchen nicht; es sind aber kräftige und gesunde Erscheinungen.

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An diesem Besichtigungs- Sonntag werden zunächst vom jungen Paare die Ringe gewechselt, dann wird wieder tüchtig gegessen und ordentlich Branntwein getrunken, flott getanzt u. f. w. Zugleich be­sprechen auch die Eltern miteinander, was sie ihren Kindern mit­geben. Mitgift in flingender Münze kennt man nur in ganz reichen Bauernfamilien. Die Braut erhält je nach ihren Vermögensverhält niffen Kühe, Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen u. f. w. Außer ihrer Wäsche und Kleidung bringt sie aber nichts mit, denn der junge Ehemann muß seine Frau in eine vollständig eingerichtete Wirth­schaft führen.

Am Hochzeitstage fommt der Bräutigam mit seinen Eltern, Verwandten und Freunden, wenn es irgend geht, auf mindestens zwölf Wagen vor das Haus der Braut gefahren. Zugleich mit dem Bräutigam trifft der Druschka, der Brautführer und Arrangeur der ganzen Hochzeit, ein. In dem Augenblicke, wo die Wagen vor das Haus der Braut fahren, schließt der Vater der Braut die Hof­thür zu. Der Druschka ruft nun laut: Wir kommen, um die junge Frau zu holen." Darauf wird dem Druschka, Brot, Salz und Bier gereicht. Sobald er es trinkt, murmelt er dabei zugleich ein paar Beschwörungsformeln. Nun erst wird das Thor geöffnet und Der Druschka tritt im hochzeitlichen Gewande in den Hof hinein. Sein Abzeichen ist eine über der Schulter an einem Riemen getragene Reit­peiliche. Hinter dem Druschka erscheint der Hilfs- Druschka. Dieser trägt ein Heiligenbild in ein Handtuch gehüllt und eine Wachskerze. Dann folgt der Bräutigam und hinter ihm im Halbkreise alle andern der Reihe nach je nach Alter und Würde. Brautmutter und Mägde erscheinen und traktiren die Ankömmlinge auf dem Hofe mit Bier, Brot und Salz. Nunmehr wird auch der Brautvater auf dem Hofe sichtbar und bittet die lieben Gäste ins Haus. Hier ist schon die Tafel gedeckt. Der Druschka führt die Gäste ins Eßzimmer und zwar weist er dem Bräutigam den Ehrenplay nahe dem Ikon, dem in jeder sibirischen Bauernstube in einer Ecke befindlichen Heiligen= bilde an. Hat der Bräutigam Platz genommen, so führt der Druschka die anderen Gäfte je nach Alter, Würde und Verwandt­schaftsgrad an ihre Pläge. Aber alle Gäfte find, außer der Swacha und der Krautjungfer, Männer. Auch die Brautmutter und Braut find nicht sichtbar.

Der Druschka sitt an dem anderen Ende der Tafel und hat vor sich eine Flasche verzauberten Branntweins" stehen, die mit Blumen und Bändern geschmückt ist. Er gießt sofort ein, giebt zunächst dem Bräutigam mit dem Wunsche zu trinken, daß dem jungen Manne an seinem Glückstage die bösen Geister feinen Streich spielen. Dann fordert der Sprecher zur Mahlzeit auf, wobei zunächst Thee   verabreicht wird. Erst dann be­ginnt das eigentliche Mittagessen, wobei der Bräutigam aber hungrig zusieht, denn weder Braut noch Bräutigam dürfen vor der Trauung essen. Ist die Mahlzeit vorüber, so wird die Braut hereingeführt und nimmt an der Seite des Bräutigams Platz. Nach einigen Minuten bittet der Druschka die Eltern und die Pathen des jungen Paares, dasselbe zu segnen. Man breitet einen Teppich hin, das Brautpaar stellt sich darauf, um­faßt drei mal die Knie der Eltern und erhält den erbetenen Segen sammt einem Heiligenbilde. Dieses Bild übergiebt der Vater einem seiner Verwandten, der nun als zweiter Hilfsbrautführer sich zu dem ersten Bilderträger gesellt. Eines der Heiligenbilder ist nämlich von den Eltern des Bräutigams, das andere von denen der Braut geftiftet. Das ist der Segen für das neue Heim. Diese beiden Bilderträger gehen nunmehr mit den Bildern voraus, ihnen folgt das Brautpaar, und so begiebt man sich auf den Hof. Dort