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wird allen Pferden, die vor die Wagen oder Schlitten gespannt find, etwas vom Druschka ins Obr geflüstert, und zwar damit die Thiere die Hochzeit nicht stören, Wagen umwerfen i. f. w. Es ist nämlich nichts Seltenes, daß Gäste, die mit der Bewirthung nicht zufrieden waren, den Pferden Flöhe in die Ohren sezen. Infolge deffen wollen die Thiere nicht vorwärts gehen, springen wie verrückt herum, brechen die Deichseln entzwei u. s. w. Geht aber alles gut von statten, so nimmt man in den Wagen Platz. Der Bräutigam figt mit einem der bildertragenden Brautführer in einem Wagen, die Braut mit dem andern und der Swacha in dem zweiten Wagen.
Bei der Trauung trägt die Braut weder Kranz noch Schleier, nur ist das Haar aufgelöst. Der Geistliche legt dem Paar Kronen aus fünstlichen Blumen aufs Haar und läßt die Ringe wechseln. Hierauf erfaßt das Brautpaar die Stola des Geistlichen, und dieser führt es dreimal um ein Tischchen, auf dem ein Evangelienbuch und ein Kruzifir steht. Braut und Bräutigam küssen das Evangelienbuch und das Kruzifig, und damit ist die Trauung beendet.
Jett fährt das junge Ehepaar in einem Wagen oder Schlitten in das neue Heim, die Braut kehrt also nicht mehr in das Elternhaus zurück. Mit dem jungen Paare fahren der Druschka und die Swacha, dann kommen die stellvertretenden Brautführer mit den Heiligenbildern und schließlich die übrigen Hochzeitsgäste. Auf dem Hofe angelangt ordnen sich alle in einen Halbkreis, und es erscheinen alsbald Mägde mit Bier und Brot. Eine der Mägde trägt eine Schale, in der sich nur sehr wenig Bier befindet, und in diese Schale werfen alle Gäste Geldstücke hinein. Man fetzt sich nun zu Tisch, und auch das junge Paar ißt tüchtig mit. Zum Schlusse beschenkt man sich, und zwar erhalten alle Gäfte Geschenke. Der junge Ehemann schenkt dem Druschka ein buntes Hemd und drei Quart Schnaps, den übrigen Gästen je ein Taschentuch. Die Gäste schenken dem jungen Paare Kälber, Schafe, Schweine u. f. w. in die Wirthschaft. Die Schmausereien und Trinkgelage dauern regelmäßig noch mehrere Tage fort, und zwar abwechselnd in den Häusern aller derer, die zu der Hochzeit geladen waren. Das junge Ehepaar nimmt aber an diesen Gelagen nicht mehr theil.-
Kleines Feuilleton.
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Theater.
Die Freie Voltsbühne hatte mit der Aufführung von Sardou 3 Komödie„ Cyprienne" am jüngsten Sonntag viel Glück. Das Publikum gab sich dem Witspiel freier und uns gezwungener hin, als wäre man ihm mit ernsthaft literarischen Versuchen, mit schweren Problemen oder neuter Kunsttechnik gekommen. Das Gefällige geht eben überall leichter ein als das, was hohe An spannung von Geist und Nerv verlangt.
Im übrigen braucht man sich nicht zu schämen, über Sardou Najac's" Cyprienne" gelacht zu haben. Der Schreiber dieser Zeilen steht dem Geist Sardou's und jener Pariser Schule, der alle Lebenswirklichkeit zu einer mehr oder weniger geschickten Theaterspielerei wird, in schroffiter bewußter Feindseligkeit gegenüber. Ihm ist der winzigste Lebensausschnitt, von einem poetischen Temperament durchwärmt, ungleich werthvoller, als das virtuoseste Spielerraffinement eines Sardou. Aber als eines der wißigsten und gefchicktesten tunstgewerblichen Muster ist ihm gerade die " Cyprienne" immer erschienen; und mancher espritreiche Einfall stößt beinahe an jene Höhe, wo über dem Witspiel die Charakterkomödie beginnt. Cyprienne" ist eines der bekanntesten Stücke aus dem ständigen Bühnenrepertoire. Besonders ist Cyprienne eine Lieblingsrolle fast aller namhaften Schauspielerinnen auf Gastspielreisen. Die Duse führt die Cyprienne mit sich, wie die Réjane und unsere große Schauspielerin, die kleine Niemann- Raabe. Die machte aus der geistreich erfonnenen Figur Sardou's ein leibhaftiges, wirk liches Menschengebilde, über das man halb unter Thränen lachen fonnte. Solcher Erinnerung muß man sich entschlagen, will man der niedlichen Spielerei von Fräulein Elsinger gerecht werden, einer Schauspielerin von durchschnittlichem Mittelwuchs. Den Adhemar, den schönen Mann, über den jenes Parfum der Albernheit gebreitet ist, das nach Sardou den Frauen so wohlgefällt, gab ein Schauspieler, der in vergröbernder Manier arbeitet. Es ist das in der Rolle des Adhemar beinahe überall so üblich geworden. Das macht die Nuancenjägerei auf dem Theater. Einer macht dem anderen eine neue Nuance nach; und schließlich wird aus einem Gecken mit dem Stich ins Alberne ein vollendeter Handwurst, den schließlich auch das geistig das geistig genügsamste Weib faum zum Spiel ernft genug nähme.
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Der„ Cyprienne" voraus ging die gereimte Plauderei Abu Seid" von Ostar Blumenthal. Das flache Versgeklingel, das Bom Zahn der Zeit. Ueber die Zerstörung von Näh - keinerlei Nachdenklichkeit verlangt, wurde mit ebenso herzlichem nadeln, Schreibsedern u. dergl. hat, wie" Prometheus" der Eisen- Beifall aufgenommen, wie vom zahmsten Publikum der Welt, vom Zeitung" entnimmt, ein Engländer eingehende Verfuche angestellt. Publikum unseres- Hoftheaters. Es ist aus der Laune herausEr legte zu diesem Zweck einige hundert Messing- und Stahl- geschrieben, mit dem ein geplagter Villenbesitzer einen vagabonstecknadeln, Nähnadeln, Hutnadeln und Schreibfedern in einem direnden Dichter der Landstraße, wie Abit Seid war, Winkel seines Gartens nieder, wo sie allen zerstörenden Einflüssen beneidet. Ach, es ist so rührsam, wenn man die liebe der Witterung ausgesetzt waren, ohne daß unberufene Hände sie Bedürfnißlosigkeit preist, und es ist so seltsam, wenn berühren fonnten. Das Resultat war ein sehr merkwürdiges. Die Publikum der Freien Voltsbühne der entsagenden Weisheit in gewöhnlichen Haarnadeln waren, im Durchschnitt von 154 Tagen, Abu Seid's Schlußversen Nichts verlangen und nichts vermissen, die ersten, die alt bräunlichem Rost oxydirt waren. So- das ist das Ende der Lebenskunst" in warmer Zustimmung folgt. bald sich dieser gebildet hatte, wurde er vom Winde fort: geblasen, und nach einem Zeitraum von sieben Monaten fonnte man nicht mehr die geringste Spur von den Nadeln entdecken. Bei den gewöhnlichen weißen Stecknadeln dauerte es 18 Monate, die messingenen waren indeffen schon lange vorber von Grünspan zerfressen. An den Federhaltern waren nach 15 Monaten die Stahlfedern vollständig weggerostet, während die hölzernen Griffe sich fast gar nicht verändert hatten. Möglich, daß die Farbe darauf zu ihrer Erhaltung beitrug. Die polirten, kleinen Stahlnadeln hielten sich am längsten, über zweieinhalb Jahre. Am widerstandsfähigsten jedoch erwies sich ein schwarzer Bleistift. Er schien völlig unzerstör bar zu sein, denn sowohl das Holz als auch der Graphit blieben vollkommen erhalten, während weit härtere Dinge der Zerstörungstraft der Elemente anheim gefallen waren.
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Würdig und wirksam sprach Herr Pfeil die Verse Abu Seid's, durch die der reiche Teppichhändler Jbrahim zur Menschlichkeit und zum Mitleiden turirt wird. Gut Zureden hilft. Ja, ja, diese Dichter. Sie machen aus dem fapitalgierigsten Menschen im Handumdrehen einen butterweichen Gesellen, der sein Gold von fich wirft wie eine ekle Laft.
Da ists auf einem satirischen Spitzbubenbild von Böcklin anders. Da predigt ein extatischer Heiliger dem Meergethier. Das glott den Prediger der Liebe mit verwunderten Augen au und fällt dann übereinander her in altgewohnter Raubgier, im mörderlichen Kampf.
Kunst.
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-ff.
Im Lichthofe des Kunstgewerbe- Museum 3 wird heute eine Ausstellung von Künstler Lithographien eröffnet. Sie enthält 600 Blätter und giebt eine Uebersicht über die Leistungen deutscher, französischer, holländischer und anderer Künstler auf diesem Gebiete.
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Geographisches.
- Die Fremden Kolonie auf den Bonin Jnfeln. Eine Gesellschaft von japanischen Ingenieuren besuchte kürzlich die BoninInseln, die in der Nähe von Formosa liegen. Zu ihrem Erstaunen fanden sie auf diesen kleinen Eilanden eine Kolonie von Fremden vor, Franzosen , Engländer, Spanier, Italiener , Skandinavier und Amerikaner, die dort auf fruchtbarem Boden unter einem schönen Die größten Meerestiefen. Bisher nahm man an, Himmel frei von Steuern gewissermaßen in friedlicher Anarchie daß die größte Meerestiefe 8515 Meter betrage. Diese Tiefe ist im lebten. Nur einzelne, deren Haltung eine bessere Erziehung verrieth, Jahre 1874 westlich von der Insel Sachalin von dem amerikanischen genossen ein höheres Ansehen unter ihnen, sonst gab es teine Obrigkeit. Leider ist dies Paradies schon jetzt verloren, denn die japanischen Ingenieure haben beschlossen, die Jufeln monatlich einmal von einer Dampfschifffahrts Gesellschaft anlaufen zu lassen, und so werden die Flüchtlinge doch wider ihren Willen mit der Zivilisation" beglückt werden.
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Literarisches.
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3ola's neuester Roman. Der N. Fr. Pr." wird aus Paris geschrieben: Soeben ist der neue Roman von Zola, Paris", im Buchhandel erschienen. Trotz der Agitation, mit welcher man Zola zu treffen sucht, hat der Verleger Fasquelle es gewagt, 100 000 Exemplare auf den Markt zu werfen, und er kann heute, nach drei Tagen, erklären, daß ihm die festen Bestellungen, welche auf Bola's Wert einliefen, nicht ein einziges Exemplar dieser Riefenauflage zur Verfügung gelassen haben. Das Hauptabsatzgebiet ist trotz aller Heze Paris ; aber auch die Departements sowie das Ausland haben lebhaftes Interesse für das neue Werk des hier so fehr verlästerten Autors gezeigt.
Schiff Tuscarora" 200 Kilometer südöstlich von der zu Japan ge hörenden Kurileninsel Urup unter 440 55 nördlicher Breite und 152° 26 östlicher Länge gemessen worden. Das englische Kriegsschiff " Pinguin" hat nun öftlich von Australien zwischen den Gesellschaftsund Kermandek- Inseln drei große Tiefen von über 9000 Meter ge= Iothet. Sie zeigen 9184 Meter Tiefe 230 39 südliche Breite, 175° 4' westliche Länge, 9413 Meter Tiefe 28° 44' südliche Breite, 1760 4' weftliche Länge und 9427 Meter Tiefe 30° 28' südliche Breite, 166° 39' westliche Länge. Beachtenswerth ist, daß diese Orte durch Strecken von weit geringerer Tiefe getrennt sind. Sie bee stätigen die Regel, daß die tiefsten Punkte des Meeres nicht auf dem offenen Ozean, sondern in der Nähe des Landes angetroffen
werden.
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Physiologisches.
t. Gin Fall von doppeltem Gehör ist von Breitung in Roburg beobachtet und in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift" beschrieben worden. Diese Art der Gehörsstörung besteht darin, daß auf einem, dem erkrankten Ohre derselbe Ton etwas höher