dergleichen Vorschriften werden jedoch nnr in der innerenStadt ausgeführt, verlieren aber im Verhältniß zur größerenEntfernung an der Peripherie ihre Geltung, und in der Bäcker-gaffe werden sie erst dann beachtet, wenn eine der Personen,die dieser verrätherischen Stelle zum Opfer gefallen, eine energische,unbeugsame Natur besitzt und an die Polizei appellirt, oderwenn eines der Opfer so schwer beschädigt wurde, daß einSkandal und Lärm auf der ganzen Straße entsteht, und diePolizei nicht mehr schweigend darüber hinwegsehen kann.Der Hauptmann näherte sich soeben der Stelle niit demGlatteis vor dem Thore. Er war noch etwa zwanzig Schrittdavon entfernt, als sein Blick auf einen alten gebückten Mannfiel, der in einem alten schäbigen Pelzrock stak, eine Bären-mütze mit Ohrlappen trug und, sich auf einen Stock stützend,von der entgegengesetzten Seite auf eben diese Stelle zuschritt.Kaum hatte er jedoch einen Schritt auf dem Eise gemacht, alsder Stock ausglitt, der alte Wiann das Gleichgewicht verlorund mit dem Gesichte gegen das Trottoir fiel.„O Gott!" rief der Unglückliche und blieb sodann stummund bewegungslos auf der Straße liegen.Der Hauptmann war schnurstracks zu ihm geeilt, umihm aufzuhelfen, doch der Greis rührte sich nicht. Erhob seinen Kopf in die Höhe. Gesicht, Schnurrbart undBart des alten Mannes waren mit Blut bespritzt, das ihm ausNase und Wange sickerte. Auf der Wange war eine tiefeWunde zu sehen, die ihm von einem kleinen spitzen Steine, derauf dem Glatteise lag, zugefügt worden. Der Greis gab keinLebenszeichen von sich. Auf der Straße war niemand zusehen. Als der Hauptmann bemerkte, daß der Alte ohn-mächtig war, legte er ihn auf den Schnee, näherte sich daraufdem Hausthore und zog heftig die Klingel. Auf das Geläuteerschien der Hausmeister, die Hausmeisterin, noch einige Frauenund auch ein Herr. Der Hauptmann trachtete den Ohnmächtigenzu sich zu bringen, einer von den Anwesenden eilte nach einemPolizeimann, die übrigen standen unthätig um den Haupt-mann und den Ohnmächtigen, schauten seinen Bemühungen zuund drückten mit Ach's und Oh's eher Verwunderung als Mit-gefühl aus.„Was stehst Du da'und gaffst. Du Lümmel?" schrie derHauptmann den Hausmeister an.„Hilf mir doch wenigstens,den Unglücklichen zum Leben zu erwecken, der durch DeineSchuld den Tod davontragen kann!"„Durch meine Schuld?• antwortete entrüstet der Haus-meister.„Gewiß! Deine Pflicht war es, das Glatteis hier mitSand zu bestreuen."Der Hausmeister leistete unwillig, aber sichtlich erschrockendem Hauptmann die verlangte Hilfe. Endlich, nach einigenMinuten starken ReibenS und Schüttelns erwachte der Alteaus der Ohnmacht.(Fortsetzimg folgt)Dks Leben in Men-Nnlevonien.Im„Figaro" berichtet Emile Berr über«ine Unterredung, dieer mit dein soeben aus Neu- Kaledonien zurückgekehrten AnarchistenC y v o c t gehabt. Cyvoet verbrachte sein« Strafzeit aus der InselNou. Die vier» bis sünftausend Sträflinge der„Xouvelle"(Cale-donie) zerfalle» in. zwei große Kategorie»: die ein«, die vier Fünfte!der Gesammtzahl umfaßt, wird auswärts in den Bergiverkeii oderbei de» Straßenbaute» verwendet, die andere bleibt auf der JuselNou, wo sie auf drei Lager, Camp Central, Camp Est und CampNord vertheilt ist. Im Zentrallager befinden sich die Werkstätten,daL Hospital und das Gefängniß. Im Osllager befinden fich diekränkelnden und die Kunstarbeiter, die für die kleine Flotte arbeite»,und ii» Nordlager etwa vierzig Häftlinge, die für den Maisanbauund die Viehzucht verwendet werde». Cyvoct verbrachte den größtenTheil seiner Strafe i» den Werkstätte». Die einzige Zerstreuung, dieihm geboten wurde, bestand in den Briese» der Seinige». Die„bagnards" dürfen keine Zeitungen lesen, und nur hier und dasteckte ein Aufseher ihm ein Blatt, das sich mit ihm befaßte, zu.Die Bibliothek weist einige uralte Bücher, Allanten und wissen-schaftliche Werke auf, wie die„Revolution du Globe" vo» Cuvier.Das Lebe» im Bagno ist lange nicht so angenehm, wie dieZuchthäusler es sich vorstellen. Aus der Entfernung nehme» sichdie Hütten recht sauber aus, in diesen selbst herrscht aber die größteUureinlichkeit. Jede der Hütten nimmt fünfzig Insassen auf undenthält nur kleine Bretter an den Wänden, auf die das Brot gelegtwird, die Hängematten und zwei Kübel, deren einer schlechtes Trink-wasser enthalt. Der Regen dringt zumeist in die Hütte», und diemangelhaft gekleideten Sträflinge frieren in den kühle» Nächten.Die Kleidung ist eine furchtbare: der Kittel und die Hose ausLeinwand, die der Sträfling beim Eintreffen erhält, sind bald nurFetzen, und die Schuhe fallen von den Füßen, so daß viele Sträf-linge barfuß gehen. Sie leben in einem ekelerregenden Schmutz,und so manche haben sich seit Jahren nicht mehr gewaschen.Im Meer zu baden, ist verboten, und das Brunnenwasserwird so spärlich vertheilt, daß es geradezu unmöglich ist, die Wäschezu waschen.Die Nahrung spottet einfach allen Vorstellungen: die Sträflingebilden drei Klaffen; der erste» gehören die befferen Elemente an, dieschon die Hälfte ihrer Strafe oder, falls sie zu lebenslänglicherZwangsarbeit verurtheilt worden sind, zehn Jahre verbüßt haben;der zweiten Klaffe gehören die besseren Elemente an,' die mindestenszwei Jahre in Neu-Kaledonien sind. Jeder Sträfling dieserbeiden Klassen erhält täglich 200 Gramm Rindfleisch. Die dritteKlasse, der die ans Frankreich eingetroffenen und die un-verbesserlichen Sträflinge angehören, erhält nur 150 GrammFleisch. Das Abendesse» besteht für alle aus einer Schüssel Reisoder Bohnen, die aber zumeist so schlecht zubereitet sind, daß dieSträflinge sich lieber hungrig zu Bette legen. Das Fleisch derkaledonischen Rinder schrumpft beim Kochen zusammen und wirdden Sträflingen halb roh gereicht. Um sieben Uhr wird es an dieverschiedenen Küchen verlheilt und um neun Uhr gegessen. Nurwenn das Meer stürmisch ist oder bei Wirbelwinden erhalten dieSträflinge genießbares Fleisch. An diesen Tagen treffen die Schiffemit dem Proviant nickt ei», die Sträflinge erhalten Gemüse zumFrühstück und für den Abend wird eine Kuh geschlachtet.Die Sträflinge haben keinen Zehrpfennig, mit dem sie sich dieKost aufbessern können. Früher erhielten sie einen Lohn, der späterdurch Kaffee und Wein ersetzt wurde und jetzt ganz abgeschafft ist.Die„dagnards" habe» also nur das Geld, das sie stehlen. DerKaffee, den Cyvoct zehn Jahre lang getrunken, besteht aus einemabscheulichen Gebräu, das mittels gerösteter Bohnen und Brodkrumenhergestellt und mit Staubzucker und Salz„gezuckert" wird. Derwirkliche Kaffee wird von den Köche» und deren Freunde» verzehrt.Cyvoct äußert seine Verwunderung darüber, daß die VerwaltungSträflinge, die doch an Diebstahl und Raub gewöhnt sind, mit derVertheilung der Nahrung betraut. Sogar die Arzneien werden vonSträflingen ausgegeben, so daß die armen Teufel, die kein Geldhaben, nur noch abscheuliche Surrogate vo» Medikamenten erhalten.Das Hospital bleibt die einzige Zufluchtsstätte für die erschöpftenSträflinge und diese verstümmeln sich oft selbst, um nur einige Zeitdort verbringen und Kräfte sanunelu zu können. So sah Cyvoct,wie ein Sträfling sich selbst ein Bein mittels einer Hacke brach undwie vier andere sich«in Auge ausstechen ließen.Zum Schluß verweist Cyvoct auf die Lepragefahr, von der dieStrafkolonie bedroht ist. Die schlecht genührten und im Schmutzlebenden Sträflinge werden davon leicht betroffen, in den Hospitälerndient die gleiche Pravazspritze für alle Kranken, die Belttücherwerden in kaltem Wasser, das nnr alle acht Tage gewechselt wird,gewaschen. Und viele Sträflinge kehren nach Frankreich zurück.Obwohl die Lepra nicht ansteckend sein soll, hat Cyvoct doch einendamit behastelen Aufseher gekannt. Die Gefahr besteht also.—Elekkvisckze MnaHeitthelkcn.Dem Reichstage ist am 15. März der Entwurf eines Gesetzes,die elektrischen Maaßeinheiten betreffend, zugegangen. Der großeAufschwung der Elektrotechnik in den letzten Jahrzehnten sowie diedamit verbundene umfangreiche Anwendung des elektrischen Stromesin der Industrie lasse» die gesetzlickze Festlegung dieser Einheiteildurchaus ivünschensiverth und zeilgemäß erscheinen, damit sich nichtetwa ein Znstand heransbildet, wie er in frühere» Zeiten auf demGebiete der Längen-, Rani»> und Geivichtsmaaße bestandenhat, wo bald nach preußischen, bald nach rheinischen, baldnach hessischen, bald nach Pariser oder eiiglisdien Fußund Zoll gerechnet wurde und diese fünf verschiedene» Längen»maaße noch lange nicht die einzigen ivaren. UebrigenS hatsich in den Kreisen, die an der elektrischen Industrie iulerefsirt sind.sowie i» den wissensdiafilichen Kreisen die Nothwendigkeit einhcil-licher Maabbeftimmniigeu längst geltend gemacht, und die Einheilen.die jetzt gesetzlich fixirt werde» sollen, sino seit längerer Zeit bereitsim Gebrauch. Schon im Jahre I8S4 tagte in Paris eine inter-nationale Elektriker-Konserenz, welche für die Praxis elektrische Ein-heilen einzuführen beschloß, die fich an das nietrisch« so»genannte absolute Maaßsystcm, das auf dem Cenlimeter.dem Gramm, der Sekunde als Einheiten für die Länge,die Masse, die Zeit beruht, anschlössen. Die hauptsächlichste»elektrischen Größen, welche zrniädist einer Definition bedürfen, sind dieStärke oder Intensität des elektrischen Stromes, die elektromotorischeKraft und der elektrische Widerstand, drei Größen, welche in derWeise mit einander verbunden sind, daß eine elektromotorische Kraftvon bestimmter Größe in einem Leiter vo» bestimmtem Widerstandeinen Strom vo» bestimmter Stromstärke hervorruft. Die Einheilenfür diese Größen wurden zuerst von den berühmten Göltinger Gelehrten Gauß(1777— 1S55) und Weber(1804—1891) ans dasabsolute Maaßsystem zurückgeführt, die dadurch die Begründerdes absoluten eleklro- magnetischen Maaßsystems geworden sind.Der Elektriker- Kongreß adoptirle diese Einheiten, indem er siefür den praktischen Gebrauch nur mit Potenzen von 10 multi»plizirle resp. dividirte; sür die Stromstärke wurde der zehnte