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alte ehrwürdige Ulme, die an der Straße stand, und die jetzt blühte,[ von Fragen und Gedanken, die auf ihn einstürmten, im Gedicht sich bot mit dem zarten hellbraunen Schimmer ihrer Aeste ein mert zu befreien. Die Norweger nennen" Brand " ihren Faust. Nun giebt würdiges Gegenstück zu den düfteren Tannen. Herr Tanzmann es ja der Faufte so viele, wie es bei Landschaften die Bezeichnung Schweiz stand bewundernd vor diesem alten Baume, dessen Krone jetzt, ohne giebt.( Märkische Schweiz .) Auch die Ungarn nennen die ,, Tragödie daß sie Blätter hatte, doch vollständig dicht mit unscheinbaren, aber des Menschen" von Madach ihren Faust, und doch ist dies drafreilich sehr zahlreichen Blüthen besetzt war. matische Gedicht im Wesen eine flapperige, rhetorische Allegorie. An die finnliche Fülle, an den bestrickenden lyrischen Glanz in der Gretchen- Tragödie darf man nun freilich bei Jbsen's" Brand " nicht denken. Aber mächtig durch glühenden Kampfeseifer bleibt Jbsen's Werk als tiefgreifende, felbnändige Gedankendichtung bestehen; und im vierten Akt, der auch das Publikum am lebhafteiten fesselte, ist sie getränkt mit überquellend warmer lyrischer Empfindung.( Leider störte in diesem Att die unteidlich sentimentalische Weise einer thränenseligen Schauspielerin.)
Es ist doch seltsam, dachte Herr Tanzmann, daß niemand unfere Laubbäume zu ihrer Blüthezeit malt. Sollten die Maler nie blühende Ulmen und Pappeln gesehen haben, oder sollten sie wissen, daß jeder, der so etwas auf dem Bilde zum ersten Male fehen würde, sagen fönnte: Bäume mit rehfarbenen, purpurnen und grauen Blättern! Der Kerl ist wohl verrückt!
In den Zweigen der Ulme führten ein paar schwarz- weiße Elstern ein fürchterlich skandalöses Gezänk auf, so daß die Spaßen auf dem Staketenzaun des Försterhauses aufhorchten und ein paar Rothschwänzchen sich in die Dachluken flüchteten.
Das fehlt blos noch, fagte Herr Tanzmann entrüstet, daß folches Galgenzeug hier noch die Singvögel und den Frühling vers treibt und entstellt.
Im ersten Frühjahr war er immer sehr empfindlich und verlangte nur leise Töne und leichte anmuthige. Farben. Es half ihm aber nichts. Raum war er aus der Ansiedelung hinaus, so ver nahm er von neuem ein aufdringliches Schreien und Schnattern. Und in regelmäßiger Keilform, ein Männchen an der Spike, zog ein neuer Schwarm Wildgänse nordwärts über den Himmelsbogen dahin.Curt Grottewig.
Kleines Feuilleton.
Zur Geschichte der Buchdruckerkunst. In Brügge foll ein wichtiges Dokument zur Geschichte der Buchdruckerkunft entdeckt worden sein, nämlich ein vor der berühmten Mainzer Bibel des Johann Gutenberg ( 1457 erschienen) gedrucktes Buch. Ein kürzlich erschienenes umfangreiches Werk des Brügger Archivars Gilliodts van Severen beschreibt ein bis jetzt unbekanntes, in der Pariser Bibliothèque Nationale befindliches Buch, das mit beweglichen gußeisernen Buchstaben gedruckt und allem Anscheine nach älter sei als die Bibel von Gutenberg . In diesem Werke: L'ouvre de Jean Brito, führt der Verfasser aus, daß das Pariser Unicum 1445 zu Brügge durch Johann Brito der sich auf dem Umschlage als Bürger von Brügge , Buchdrucker und Erfinder" vorstellt unter dem Namen ,, Doctrinael" zur Belehrung aller Christen" gedruckt wurde. Im Archiv der Stadt Brügge wird Brito Meister" geAehnliche Versuche, Denkmäler der Buchdruckerfunft über Gutenberg hinaus nachzuweisen, sind bekanntlich schon oft gemacht worden, aber stets gescheitert.
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c. e . Der Kampf mit dem Unbegreiflichen. Für einen Europäer ist es bekanntlich sehr schwer, richtig chinesisch zu schreiben, aber faft ganz unmöglich ist es für ihn, die chinesische Sprache richtig zu sprechen. Man weiß ja, daß diese Sprache hauptsächlich aus einfilbigen Worten besteht, die je nach der verschiedenen Afzen turing, der Athemsvertheilung, der Abwandelung und anderen Stimmveränderungen einen anderen Sinn erhalten. Dieselbe Silbe tann sogar nach 15 verschiedenen Arten ausgesprochen werden und hat dann immer eine andere Bedeutung. Wie soll also ein Europäer fich hier zurechtfinden? Dr. Masters, der bekannte englische Philologe, der alle Geheimnisse der chinesischen Sprache ergründet zu haben glaubte, mußte schließlich eingestehen, daß er in dieser Hinsicht manche Enttäuschung erlitten habe. Eines Tages befand er sich auf einem Felde in der Nähe von Beting, und als er einen Bauer vor übergehen sah, sagte er ihm einige Worte, die einen herzlichen Gruß bedeuten sollten; aber der Gelehrte hätte für seine Freundlichkeit beinahe Prügel bekommen. Glücklicherweise gelangte man zu einer Verständigung; der Philologe hatte einen Accent an die unrichtige Stelle gefeßt, und sein Gruß hatte sich auf diese Weise in eine schreckliche Verwünschung verwandelt. Noch merkwürdiger war das Resultat, das ein junger englischer Missioner erzielte, der die Geduld hatte, in Canton acht Jahre lang die chinesische Sprache zu studiren. Als er sie vollständig zu beherrschen glaubte, rief er die Gläubigen zusammen und hielt eine Predigt im reinsten Chinesisch, oder viel mehr in einer Sprache, die er für Chinesisch hielt. Die Zuhörer hörten andächtig zu, aber sie schienen sehr erstaunt und überrascht zu sein. Endlich sagte einer volt den Anwesenden zu seinen Freunden:" Sonderbar! Habt Ihr nicht bemerkt, daß die englische Sprache hin und wieder einige Worte aufweist, die dem Chinesischen gleichen?"-
In der Heimath des Dichters wird gewöhnlich dieser vierte Aft für sich, losgelöst vom Ganzen, das nun eben nicht in einen Theaterabend gepreßt werden kann, gegeben. Dort allerdings ist" Brand " ein Volisouch, sein Problem jedem bekannt.
Dies Problem ift ewiger Natur. Es fteigert das individuelle Bewußtsein bis zu den äußerten logischen Folgerungen und setzt es in Widerspruch mit der Gesellschaft, mit der gemeinen Wirklichkeit der Dinge. Daß das Problem in religiöse Beleuchtung gerückt ist, daß Brand, der Wahrheitssucher, cin Pfarrer wird, berührt nach Jbsen's eigenem Befenntniß nicht das Wesen der Dichtung. Ebenso gut hätte ein Künstler oder ein Forscher in die Tragödie gestellt werden können.
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Wir haben eine deutsche Dichtung, deren ethisches Problem an das des Brand" erinnert. Die Skomödie Grillparzer's Weh ' dem, der ligt." Es ist ethnographisch interessant, zu beobachten, wie das Problem in weicher, Wiener Luft von Ibsen' s Art abweicht. Milde lächelnd giebt der Bischof bei Grillparzer Absolution für die Er schließt ein Rompromiß und ift froh, wenn Lüge. das Unkraut nicht den Weizen überwuchert". Wo der nur weht, sind die idealistischen Dränger auch Gletscherwind weht, Alles oder nichts, sagt Pfarrer Brand. eisernde Geifter. Sich felbft durchseßen oder fallen. Daß er den Weg nicht findet, daß er trotz allem zum Rompromiß gedrängt wird, wenn er seine neue Kirche aufbaut, ist Brand's Tragödie. Die Mutter, sein Weib und Kind hat Brand dahingegeben, und er hat doch nicht die Macht, auf sich allein zu stehen. Er versucht, eine neue Gemeinde um sich zu sammeln.
Gedichte, wie" Brand " werden merkwürdige Denkmale unserer Epoche bleiben. Jore Helden sind von 1. r Ünraft. Nie kommen sie dazu, zum Augenblick zu sagen: Verweil', du bist so schön! Irrend haben sie sich bemüht und wenn es ans Sterben geht, so wird das Auge nicht durch einen Blick auf gelobtes Neuland er quickt. Von unübertrefflicher Weisterschaft in der Kritik der be stehenden Gesellschaft weisen diese Gedichte nicht in die Zukunft. Sie sind der bitteren Frage voll: Was soll das werden? Und sie geben keine Antwort. Das sind Merkmale einer Zeit, in der unnachfichtig aufgeräumt und noch nicht nach festen Plänen neu ge baut wird.
Man fonnte in den Sonntagsblättern lefen, wie feierlich es im Schiller- Theater gewesen sei und wie die Hörerschaft mit beNun ja, geisterter Andacht den Versen Ibsen' s gefolgt fei. etwas wie von dumpfer Ahnung, daß ein bedeutungsschweres Gedicht vorgetragen werde, lag über der Hörerschaft, die zudem selbst im trivialsten Blatt gelesen hatte, Brand" gehöre zu den größten Produktionen der Gegenwart. Aber von dieser unbestimmten Ahnung bis zum deutlichen Gefühl ist noch ein weiter, weiter Weg; viel zu weit für ein engbrüstiges Publikum. Auf die Darstellung war man fonit im allgemeinen mit Eifer bedacht. Der Brand des Herrn v. Winterstein war sogar eine sehr ernsthafte Studie, und Wort -ff. und Vers war eindringlich gemeistert.
Jm Neuen Theater wird der neueste Sardou schwerlich alt werden.
Voltaire ist aus der Mode, dafür sind Sputgeister und Gespenster modern. So ungefähr kennzeichnet der Raisonneur in Sardon's" Spiritismus", der jüngsten Novität des Neuen Theaters, die öffentliche Lage. Dagegen legt Sardou im liberalifirenden Aufklärungseifer eine Lanze ein. Er wollte den Spiritismus wohl lächerlich machen und aufzeigen, wohin er einen Menschen fann. Darum verfaßte er eins der fläglichsten treiben das aus der bankrott gewordenen Fabrik Sardou Dramen, Es ist eine seltsame Jronie, daß diese hervorgegangen ist. Puppenspielerei gerade am Geburtstage Jbsen's gespielt wurde, des Mannes, der die schwersten Hiebe gegen die Puppenkunft geführt hat. In Paris wurde Sardow's, Spiritismus" niedergelacht. Darum hat man bei uns dem Stück in der ursprünglichen Fassung das gebrochen Im Schiller Theater wurde am Sonnabend zur Feier Genick Das und einen andern Kopf aufgesetzt. von Stücken nichts weiter, da fie Ibsen's das dramatische Gedicht" Brand " aufgeführt. Das wäre macht dieser Sorte Der gehörnte Ehegatte die erste Aufführung von" Brand " in Deutschland .. Warumi gerade ja doch keine lebendige Seele haben. das Schiller- Theater die überflüssige Führung übernahm, ist schwer bei Sardou steckt derart tief im spiritistischen Wahn, daß zu begreifen. Das Publikum des Schiller- Theaters besteht vorzugs- er das reuige Weib, das um Verzeihung fleht, für ein Wesen der meise aus jenen Elementen, über die Jbsen selbst seinen grimmigen Sohn ergoß. Auch im„ Brand". Das satirische Widerspiel zum hoch gemuthen Pfarrer Brand wurde in der Aufführung des Schiller- Theaters allerdings nur auf ein paar Andeutungen beschränkt.
B
Theater.
Für Ibsen selbst, der doch das Theater auch ein wenig fennt, war vie dramatische Form im" Brand" wohl nur ein Mittel, um
vierten Dimension hält.( Er mußte nämlich annehmen, sie sei bei einem Eisenbahn- Unglück getödtet worden, während sie in Wahrheit bei ihrem Liebhaber weilte.) Der deutsche Bearbeiter meinte, so närrische Spiritisten giebt es nicht, und so vergiebt der betrogene Gatte auf gewöhnlichem Wege. Rehre zurück, Hulda, es sei Dir alles verziehen!