Unterhallungsblatt des HorwärtsNr� 76. Dienstag, den 19. April. 1898.(Nachdruck verboten)Der SchiTsjunge.2) Eine Seegeschichte von Peter Egge.Einzig autorifirte Uebersetzung von E. Brausewetter.Venn fühlte die Unzufriedenheit der ganzen Mannschaftwie eine Last auf sich lagern; aber er hatte nicht die Kraft,sich zusammenzunehmen und seine Arbeit besser zu machen. Erfühlte seine eigene Schlaffheit und wünschte instinktiv, sie wärenoch größer, sodaß die Scheltworte ihm nicht wehe thaten.Mechanisch, nur hier und da mit energischen Bemühungen, sichzusammenzunehmen, fetzte er seine Arbeit fort, lief von einemEnde zum anderen, von Luvart nach Lee und wieder zurück.Sein Laufen war ein ängstliches Tasten mit Armen und Beinen.Er wußte, wenn er fiel, würde es Jubel erregen, wen» er sichdabei auch noch so sehr stieß.Die Kameraden gingen ruhig umher und machten Witzeüber fein jämmerliches Gezappel. Nur Oivind, Michel undein paar andere ließen ihn in Ruhe. Beständig fühlte er sichvon der Neugier der Kameraden verfolgt; beständig empfander den Druck der Seekrankheit ans der Brust; ein fortwähren-des Bedürsniß, sich zu übergeben. Seine Glieder, besondersseine Füße mit den plumpen Seestiefeln, waren schwer wie Bleiund seine Gedanke» voll Trauer und Wuth.Es schlug 8 Uhr, gleich daraus war man fertig.Er setzte sich wieder aus seinen Kofferdeckel in der Roofund zog sich aus. Die Kameraden plauderten und lachten;einzelne kauten an einem Schiffszwieback, mit dem sie nicht fertiggeworden waren.Benn's Glieder waren so steif, daß es ihm schwer fiel,seine Kleider auszuziehen. Am schlimmsten war es mit denEeestiescln und Hosen. Er schwitzte und keuchte und mußtesich mehrmals dabei ausruhen. Die Oeffnung zu der Kojewar klein und sein Rücken schmerzte ihn, wenn er sich bog, umhineinzukriechen.Seine Koje hatte er sehr gern, obgleich es die schlechtestewar. Sobald er nicht Wache hatte, kroch er dort hinein, obschondie Kameraden ihn Siebenschläfer nannten. Dawar er in seinereigenen Welt. Hier hatte er die Kleinigkeiten verborgen, umderetwillen die Kameraden ihn geneckt hätten, wenn sie ihnenzu Gesicht gekonimen wären. Der Koffer durfte nämlich nichtabgeschlossen sein und war nicht sicher genug. In der Kojekonnte er mit sich und seinen Gedanken an die Heimath unddie Zukunft allein sein. Er dachte so gern; aber es war soschwierig, auf Deck dazu Zeit zu finden. Immer war dortetwas zu thun. Und noch schlimmer war es um die Essens-zeit. Die Kameraden lärmten so sehr, und außerdem mußte»r das Effen herein- und hinaustragen und dafür sorgen, daßaus dem Tisch nichts fehlte.Sobald er sich zugedeckt hatte, streckte er seine Gliedermit einen» Gefühle der Müdigkeit und Schwere. Er genoßdiese Schwere. Eine eigene Wärme, eine Mischung von See-wasserfeuchtigkeit und seinem Schweiß, machte ihn schläfrig.Er schloß die Augen und fühlte, wie die Thränen aus ihnenhervorperlten.Warum trägst Du den Kaffeekcssel nicht zum Stewardhinaus? Sollen wir morgen vielleicht keinen Kaffee haben?"Benn hörte an dem befehlenden Ton und an der Frageselbst, daß er angesprochen wurde. Herr Gott, auch das noch!An was er auch alles denken sollte?Er richtete sich mühsam in der Kose halb aus und sahJoium, fast ausgezogen, auf seiner Kiste sitzen.»Ich werde ihn hinaustragen". Es war Oivind, der sichin die Roes hineingeschlichen hatte, um seine Pfeife anzu-zündenBenn legte sich wieder in die Koje zurück, und ließ nunseinen Thränen freien Lauf..Ter Junge kann unmöglich seine sünf Sinne beisammenhaben", sagte Jens Christian mit seinem tiefen Baß. Erstand in Unterhosen auf der Kiste und wollte gerade in seineKoje hinein..Es ist der dümmste, mit dem ich noch gefahren bin",fuhr Jokum fort..Der Junge ist noch nicht d'ran gewöhnt und die Seebekommt ihm noch nicht recht." Es war Mich.!, der in derKoje lag und!große Rauchwolken wie ein falulireuder.manok rvar" aussandte.Tann trat Stille ein.Michel's milde Worte thaten dem weinenden Benn wohl.Es Zbereitele ihm eine Erleichterung, zu weinen. Einnialmußte er doch wohl auch wieder heimkommen?... Wenn sienur solchen Wind bekamen, daß sie endlick nach Nero-Aork gelangten. Er würde nach Hause schreiben, so-bald er ans Land gekommen war. Er wollte von all' seinemUnglück und all' seiner Reue und all' seiner Liebe, vonAllem erzählen: Liebe, liebe Mutter— mir geht es soschlecht— wenn ich nur wieder nach Hause kommen könnte.Du wirst sehen, Mutter, wie artig und tüchtig und fleißig ichsein werde. Es ist ganz gleich, Mutter, was ich werden soll,wenn ich nur nicht mehr Seemann zu sein brauche. Liebe.liebe Mutter— ich habe früher niemals gewußt, wie sehr ichDich und Euch alle lieb habe. Die Leute hier an Bord sindgewiß in ihrer Art nette und brave Menschen; aber ich binihnen fremd und verstehe nicht, mich mit ihnen gut Freund zuniachen. Das Essen vertrage ich auch nicht, und schrecklich gc-fährlich ist es, hinaufzuklettern, und ich, als Schiffsjunge, mußimmer am höchsten steigen, weißt Du, auf die gefährlichfteiiStellen, auf das oberste Seil. bisweilen sogar«mitten inder dunklen Nacht. Und dann das, siehst Du', daßich niich niemand anvertrauen kann, mich niemals ausweinen,wenn ich am traurigsten bin. Niemals kann ich allein sein.Ich werde von all' diesem Lärm und diesem Durcheinander,Tag und Nacht, ganz müde— liebe— liebe— Mutter—II.Benjamin Frank war der Sohn einer Psarrerswittwe ineiner größeren norwegischen Fjordstadt. Sie hatte eine Klein-.Kinderschule errichtet, um sich einen Zuschuß zu ihrer Pensionzu verschaffen Zwei Söhne von ihr befanden sich in Christianiaund studirten, der eine Iura, der andere Theologie. Sie warenäußerst fleißig und ordentlich, aber nicht sonderlich begabt,sagte man. Doch hatten ihre Fähigkeiten ausgereicht, daß siesoweit gekommeii waren.Außerdem hatte sie zwei Töchter, die noch kleine Mädchenwaren, und endlich Benn, ihren Liebling, das Muttersöhnchen.Sie meinte, ohne jemand etivas davon zu sagen, daß BennKaufmann werden möchte, denn er war in seinem Acußerenund seinem Temperament nach deni Onkel Jakob, dem ver-storbenen Bruder der Frau, der Bankbeamter gewesen war,sehr ähnlich. Wie er. war auch Benn träge, aber so hübschund herzensgut und so sehr begabt. Außerdem liebte er es,sich mit kleinen Mädchen herumzutreiben, gerade wie OnkelJakob in seiner Entwickelnngsperiode. Aber es war ja keineZukunft, an einem Komtoirpult zu sitzen. Sie hoffte, ihn dochschließlich studiren lassen zu können; denn das war doch dassicherste. Es kostete ja schrecklich viel Geld; aber wenn diebeiden andern fertig waren, dann—Benn bestand mit Mühe und Roth das Mittelschulexamen.als er sechzehn und ei» halbes Jahr alt war. Der Rektor,mit dem die Mutler über Benn's Zukunft sprach, hatte leiderBedenken, ihr zuzureden, den Sohn studiren zu lassen. Dochwollte er dafür sorgen, daß Ben» seinen Freiplatz behielt, wenner fleißiger und pünktlicher ivürde, nachdem er in das Gymnasium gekommen war. Die Mutter hatte geweint, und Benn,der keine Thränen sehe» koiiiite, weinte ebensalls und versprachReue und Besserung.Im Gymnasium ging es ein paar Monate ganz gut. Ertrieb sich zwar niit seinen kleinen Mädchen und seinen Käme-raden herum, aber ohne seine Schularbeiten allzusehr zu vernach-lässigen. Seine beiden jüngeren Schwestern bewunderten denBruder in der Stille; aber sie erzählte» ihm nicht die Aeuße-rungen, die ihre Klassensreundinnen über ihren hübschenBruder hatten fallen lassen. Das sollte die Strafe für seineTrägheit sei»!Da kam ein neuer Schüler in Benn's Klasse. Er warfurchtbar sreigeistig und ein eifriger Agitator und erlangtebald großen Einfluß auf niehrere seiner Kameraden. Er de-gründete einen Gymnasiastcuverein, dessen Vorsitzender er selbstwurde, und begann eine handschristlich hergestellte Zeitungherauszugeben.In dem Verein hielt er Reden und las die Zeitung laut