119
Kleines Feuilleton.
303
GAVING
I selbst dem Gericht. Das tam so. Ein weiblicher Dämon, die Gattin des Einödbauern, liebt den Stiefsohn ihres Mannes und Geschichte des österreichischen Zahlenlottos. Das neuefte haßt den Gatten. Sie schaudert vor der Umarmung des Alternden, Heft der Mittheilungen des österreichischen Finanzministeriums ent feine Bußeln"( Küsse) schmecken ihr' hanti"( gar so bitter). hält die Geschichte des Zahlenlottos in Desterreich, die Maßregeln Die schöne bäuerliche Teufelin stiftet nun unheil um Unheil. Fälsch zur Einschränkung des Spieles in demselben und die Statistit des lich beschuldigt sie ihren Mann, jüngst ein„ Treibats", bei dem ein Bahlenlottos. Wie die Wiener Zeitung " der geschichtlichen Dar Haberer von Gendarmen erschossen wurde, verrathen zu haben stellung entnimmt, erfreuten sich die Glücksspiele bereits in alten C3 Treibats Haberfeldtreiben). Der Stiefsohn des Einödbanern Zeiten in den Gebieten der gegenwärtigen österreichisch ungarischen weiß nun, was seine Habererpflicht ist. Der Haberermeister fällt Monarchie einer solchen Beliebtheit, daß zur Eindämmung der immer den Vergeltungsspruch und das Rächeramt fällt unſeligerweise mehr um sich greifenden Spielleidenschaft schon im 16. und 17. Jahr durchs 2003 auf den Stiefsohn des Bauern selber. Er erschießt hundert staatliche Spielverbote erlaffen wurden. Von diesen Verboten noch in derselben Nacht den vermeintlichen Verräther und hat waren nur die„ Glückshäfen" ausgenommen, welche bei gewiffen An- den Unrechten getroffen. Die Teufelin wird ihrer Bestialität läffen, wie Jahrmärkten, Kirchtagen 2c., veranstaltet werden durften. nicht froh, denn sie verliert die Zuneigung des jungen Ende des 17. Jahrhunderts war man bestrebt, die unüberwindliche Einödbauern, den sein Gewissen drückt. Er haßt die Spielleidenschaft in den Dienst der Wohlthätigkeit zu stellen. So Bäuerin, die seine Mitschuldige geworden, und liebl ein wurde durch ein Patent Kaiser Leopold's I vom 2. April 1896 ein unschuldiges Kind. Die Bäuerin aber höhnt: An anderes G'frieß Glückshafen zur Errichtung eines Feld- und Soldatenspitales ein-( Gesicht, Fraße), an ander's G'riß( Reißen, Werben). Die Sache, geführt. Eine Verallgemeinerung dieses Spieles erfolgte durch ein wird immer verwickelter, bis sich der Schuldbeladene selbst stellt Patent vom 18. März 1703. Mitte des 18. Jahrhunderts trat eine als ein unschuldiger alter Haberer für ihn verhaftet werden soll. Wendung insofern ein, als das fistalische Interesse an den Glücks- Einfacher und beffer haben es die Hamburger im Central spielen den Hauptzweck bildete, und das Wohlthätigkeitsmoment völlig Theater. Die geben sich als das, was sie sind. Sie sind keine in den Hintergrund gedrängt wurde. Mit dem Patente vom 13. No hervorragenden Könner, wie es Kinder und Lotte Mende einst vember 1751 führte Raiserin Maria Theresia das genuesische waren, aber sie sind insgesammt fertige Schauspieler, ein paar dar Bahlenlotto in den österreichischen Erblanden ein das unter sogar trefflich durchgebildete Talente. Sie wollen mit ihren zunächst an Pächter vergeben wurde. Der Pachtschilling bes Schwänten in aller Harmlosigkeit erheitern, und das gelingt ihnen be trug 400 000 fl., welcher später auf 525 600 fl. erhöht wurde. Die sonders da, wo sich in dem plattdeutschen Sammelsurium, das sie vor legten Entwicklungsphasen des Zahlenlotto's zeigen die Tendenz führen, noch etwas vom breiten, behäbigen, plattdeutschen Behagen, ein der Staatsverwaltung, das Terrain der Pachtunternehmung ein Stückchen Eulenspiegelei, vorfindet. Das alte luftige Hamburg " zuengen und den Einfluß der Regierung zu erweitern. Mit dem heißt ihre Boltsposse, die sich von Massenaufzügen, Damenparaden Batente vom 21. Oftober 1787 fand sich Kaiser Joseph II. bestimmt, und ähnlichen Heizungen der modernsten Berliner Posse fernhält. Die Uebernahme des Lottos in staatliche Verwaltung auszufprechen Ein junger Bauer aus Wienbarge ist auf dem Hamburger Weihnachtsund die Administration einer in Wien dazu beftellten Rammer- martt einer hochftapelnden Dirne ins Neg gegangen und nun machen Direktion zu übertragen. Schließlich erwähnt der Verfasser die in- sich die Wienbarger Bauern auf die Socken, um nach dem verfolge des Dualismus eingetretene Veränderung in der Berwaltung lorenen Hansen zu jagen. Dabei werden fie selbst in den des Bahlenlottos und die in Ungarn am 1. Oktober 1897 erfolgte Großstadt Trubel verwickelt und erleben allerhand SchwantAufhebung desselben, sowie die Einführung einer Klaffenlotterie. abenteuer. Alt Hamburg 'sche Erinnerungen werden rwach. Seit dem 1. November 1787 bis Ende 1896 hat der Staat von den gerufen; so taucht der urkomische alte Schmierendirektor Mattler im Lotto gemachten Spieleinlagen per 1 140 841 614 fl. einen Stein- auf und er spielt selber den Mephisto in dem drolligsten gewinn von 432 721 359 fl. bezogen. aller Theater. Die männlichen Kräfte des Hamburger Ensembles find den Damen der Truppe anscheinend weit überlegen. Die Herren Boltsschauspieler aus dem Norden und aus dem Schultz( Bauer Klaas) und Biel find Bauerndarsteller von wohl= Süden zeigen zur Zeit ihre Künfte in Berlin . Die Oberdeutschen huender Einfachheit und Komik und Herr Seybold( Direktor Mattler) D'Tegernseer" im Thalia Theater, die Nieder- ließ sich ebenfalls nicht verführen, aus seinem Schmierennbelden deutschen, ein Hamburger Ensemble, im Bentral- einen grotesken Klown zu machen. met m
Theater.
-
Theater.
Runft.ss
ff
Es lassen sich indessen beide Truppen nicht vergleichen; die einen trieben ihr Handwert ursprünglich aus Liebhaberei, die anderen faßten es von vornherein als Beruf. Für Berlin bedeuten die Tegernseer nichts neues mehr. Wie ihre Nachbarn über'm Berg, die Schlierseer, folgten sie anfänglich der Theaterpaffion, die im bayerischösterreichischen Gebirge vielfach unter der Bauernschaft Verein Berliner Künstler im Jahre 1892. Die alten Herren waren altheimisch ist. Es hat sich da eine gewisse Tradition ausgebildet; und wenn sich die Spekulation erst der Volksschauspieler bemächtigt, so hilft der durchgebildete Fachmann nach: In Schliersee war's der Komiter und tüchtige Regisseur Ronrad Dreher, den der Schreiber dieser Zeilen bei der damaligen Arbeit zusehen durfte. Bei ihren Nachfolgern soll ein Regisseur vom Gärtnerplay Theater gedrillt haben.
-hl. Der Norweger Edvard Munch hat bei Reflet u. Reiner eine Ausstellung von Bildern, Radirungen, Litho graphien und Holzschnitten veranstaltet. Munch's Name wurde in Berlin weiteren Streisen bekannt durch einen heftigen Streit im entsetzt über seine Werke, die ihren akademisch geschulten Augen als wahre Grenel erscheinen mußten, und warfen sie brüst hinaus. Heute hat sich zwar die Form des Streites gemilbert, aber die Ans schauungen über den Werth der Kunst Munch's stehen einander noch ebenso schroff gegenüber. Vom Spott bis zur Bewunderung machen sich alle Stufen der Kritik geltend. Munch ist gleichgiltig gegen jede Kritik seinen Weg gegangen. Vielleicht, daß die Geringschäßung der Als man für den Naturalismus schwärmte und immer Einer Meisten ihn noch eigenwilliger und troziger gemacht hat, daß er naturalistischer sein wollte als der Andere, da schrieen etwelche nun erst recht seine Eigenart durchsetzen will. Munch wird aber Leute bei der Bauernspielerei: Jetzt ist das Ideal, der allerechtefte dem viel zu sagen haben, der Achtung vor dem Künstler genug Naturalismus, erreicht. Das war eine Verkennung der Bauern befißt, auf seine Absichten zunächst einzugehen, ehe er sie vers fpielerei sowohl, wie auch des Naturalismus. Die naive Liebhaberei urtheilt auch wenn fie ihm auf den ersten Blick noch der Bauernspieler war verschwunden, sobald sie zu reifenden Berufs. so abstrus erscheinen. Munch ist der ausgeprägteste Vertreter schauspielern wurden: und so sehr über ihrem Stoff, der Bauern- der psychologischen Richtung in der modernen Kunst. Er tomödie, standen sie nicht, daß sie einen ungezwungen freien, sucht nicht die äußere Schönheit der Form, die gefällige Rompoechten Eindruck gemacht hätten. Das gelang nur selten etnem, wie fition, ihm ist die charakteristische, ihr Wesen erschöpfende bei den Schlierseern etwa dem Xaver Terofal , der aus einem Wiedergabe einer Erscheinung alles. Sein bestes Können steckt das Metzger und Gastwirth eben ein wirklicher komischer Künstler wurde. her im Porträt. Mit genialer Schärfe faßt er die Züge eines Ein solcher findet sich in der Truppe der Tegernseer nicht. Die Gesichtes auf, in denen sich das Junenleben widerspiegelt, in wenigen stehen nicht mehr auf dem Standpunkt naiver Unbeholfenheit, flüchtigen Strichen ersteht in feinen Radirungen fein lebensvolles und noch nicht auf dem gereifter Routine. Manchem mag folch Ueber- Bild eines Menschen. So hat er sich selbst porträtirt. Aus einem gangsstadium reizvoll erscheinen; im strengeren, fünstlerischen Sinn ist es schwarzen Grunde ritt das bleiche Geficht heraus, von emer ernicht Fisch, nicht Fleisch, und selbst in die angebliche bäuerliche greifenden Wehmuth in den zarten Zügen, in dem müden, verEchtheit tommt naturgemäß ein bewußt parodistischer Zug. Ein schleierten Blick der Augen. Es ist das Bild eines in sich gekehrten Beispiel wird das leicht klarlegen. Es fizt z. B. das Gesinde des Künstlers, deffen Seele von wilden Kämpfen erschüttert wurde. Bauern bei der Morgensuppe und löffelt aus der gemeinsamen Geniale Charakteranalysen find ferner vor allen die Portraits Schüffel, nachdem es sich im Gebet betreuzigt hatte. Einem Berliner Strindberg's, Jäger's, Hamsun's , Gunnar Heiberg's und des Franzosen Publikum ist der Anblick ungewohnt, es findet in seiner übermäßig Mallarmé. überlegenen Weisheit die Sache zu drollig und lacht und lacht und verführt dann die Bauernspieler zu parodistischen Kunststückchen des Effekts wegen. In Wahrheit aber wird das Geschäft des Essens nach simpeln Ueberlieferungen und andächtig vollführt.
Die ungeheure Leidenschaftlichkeit des Empfindens ist das wesentliche Werkmal der Kunst Munch's . Seine Blätter haben oft etwas Fascinrendes, Graufenerregendes. Man fühlt in jedem von ihnen, daß hier ein Mensch gerungen hat, ein Erlebniß, Die Bauernkomödie, in der die Tegernseer auftreten, heißt: Die das ihn in seinen Tiefen erschütterte, künstlerisch zu ge= Haberer" und ist von Michel Hirsch vom Gärtnerplah nach aller stalten. Und das scheint das einzige Kriterium für diese Art der hand Volksstückreminiszenzen geschrieben. Eine richtige Schauspieler- Runst zu sein, daß sie so, wie fie fich giebt, ehrlich empfunden tomödie. An Schwirzer( Schmuggler), an Wüldrer( Wildschütz) ist. Munch's fünstlerische Mittel sind außerordentlich einfach. Er ist bam's oft scho' derg'langt( erwischt), an Haberer aber hat neamo nicht etwa Symbolist in dem Sinne, daß er komplizirte Gedanken. no g'fangt." Dieser Ausspruch charakterisirt die Komödie. Der gänge darzustellen suchte, die zu enträthseln oft schwer hielte. Viel schuldige Haberer wird nicht gefangen, aber er stellt sich bußfertig leicht ist das Verständniß seiner Arbeiten vielen gerade deshalb so
"