Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 77.

Mittwoch, den 20. April.

( Nachdruck verboten.)

Der Schiffsjunge.

e) Eine Seegeschichte von Peter Egge . Spe Einzig autorisirte Uebersetzung von E. Brause wetter.

Den Freiplatz verlor er, und da ging auch der Mutter die Geduld aus. Bei seiner Faulheit machte er ja doch keine Karriere. Nun sollte er ins Komptoir!

si Aber einen solchen Platz fand sie nicht sogleich und Benn bummelte bis zum September herum. Ta überraschte ihn feine Mutter eines Tages, wie er ihr Dienstmädchen füßte. Nun sollte er in Arbeit! Wenn er noch länger so herum­bummelte, ging er zu grunde.

usis In diesen Tagen traf Benn oft mit einem ehemaligen Schulkameraden zusammen. Er war ein paar Jahre älter als Benn, war zur See gewesen und mun bereits dritter Steuer­" mann auf einem Dampfschiff. Benn machte große Augen, als er seine Uniform und sein vicles Geld jah. Das war etwas!

Seemann ! Das wollte er auch werden! In ein paar Jahren war er Steuermann und kam dann als selbständiger Mann nach Hause.

Die Mutter hatte gar teine Lust, ihn zur See gehen zu laffen; aber Benn wollte nichts von ihrer Furcht hören, daß er über Bord gespült werden könnte oder aus dem Takelwert herabstürze.

Er würde sich schon in acht nehmen!

Je länger es dauerte, bis er fortfam, desto größer wurde seine Lust, zur Sce zu gehen. Schließlich dachte er an nichts anderes, als reisen zu können, und bat und bettelte die Mutter um Erlaubniß.

Indo Eudlich gab sie nach. Jm Stillen hoffte fie, er würde am Seeleben bald genug bekommen, und dann war er vielleicht froh, etwas anderes unternehmen zu dürfen.

Eines Abends gegen elf Uhr begleitete die Mutter und beide Schwestern ihn zum Kai, um ihn wohlbehalten an Bord zu sehen. Das Dampfboot sollte um zwölf Uhr abgehen. Er wollte nach Arendal jahren, um dort Heuer zu nehmen. Die Mutter weinte.

Wo Du auch bist. Benn, Du darfst nie vergessen, daß Du ein Heim hast. Du mußt daran denken, daß Du dort immer willkommen bist."

Benn wurde gerührt und bekam ein wenig Angst. Bielleicht war es doch übereilt von ihm, zur See zu gehen!

Da sagte sie leise, fast flüsterud, indem sie den Arm um seinen Hals legte: Wenn Dir das Seeleben nicht gefällt, Benn, so mußt Du an mich schreiben und es mir sagen. Ich werde dann thun, was ich taun, daß Du in eine andere Stellung tommst."

Einige Augenblicke später fuhr sie aufgeregt fort: Du mußt Teine Familie nicht vergessen, wie es fo mancher Seemanu thut. Du mußt in den Häfen, in die Du tommst, keine Thorheiten begehen. Willst Du mir das ver sprechen, Benu?"

" Ja, Mutter!"

1898.

gedämpft rollenden Laut der Steuertaljen, jedesmal, wenn Michel das Nad drehte.

Benn hatte im Anfang eifrig die Magnetnadel und Michel's Arbeit beobachtet. Aber diese gespannte Aufmerk­samkeit ermüdete ihn schließlich, und sogleich waren seine Ge danken daheim, immer dieselben Gedanken, mit denen er sich nun schon so oft beschäftigt, seit er zur See gegangen.

Daß er darauf gebrannt hatte, zur See zu kommen! Was für ein Schafstopf er gewesen war! War das ein Leben für einen Menschen mit seinen Interessen und seiner Bildung, so Monat um Monat auf dem Meere zu sein; Tau- Enden zu ziehen, auf den Raaen zu liegen und die schweren, nassen Segel hinaufzuziehen, so daß er sich jeden Augenblick verheben fonnte; stehen und Auslug halten, wie ein diot, oder auf den Kompaß niederstarren; Tag und Nacht auf sein; niemals mehr als vier Stunden hinter einander schlafen! Am schlimmsten war es aber doch mit der Tagwache; jeben zweiten Morgen auf den Knieen liegen und den Boden auf waschen, wie eine richtige Scheuerfrau, oder das Deck spülen! Und dann sich von Matrosen kommandiren lassen, gemeinen Matrosen, und ihnen Handlangerdienste leisten! Er hätte doch gut ein paar Stunden am Nachmittag studiren können. Mehr wäre nicht nöthig gewesen, um durchzukommen. Dann hätte er noch Zeit genug gehabt, fich zu amüsiren und Vorträge in seinem Verein zu halten; denn er hatte ein Recht dazu, was der Rektor auch sagte. Es war die Pflicht eines jeden, wenn er auch noch so jung war, die Bewegungen zu verfolgen, die in dieser Zeit obenauf waren, und die Schuldigkeit eines jeden, auszudrücken was er dachte und fühlte. Die Jugend das war die Zukunft. Die Alten gingen ab, mußten abgehen; denn fie tonnten die neue Zeit nicht verstehen mit ihren Forderungen, ihrer Sehnsucht und

und

Der Schritt des Steuermanus entfernte sich mehr und mehr und verhallte schließlich ganz. Benn hörte es, und seine Gedanken nahmen eine andere Richtung.

Michel drehte sich um und spuckte tüchtig in den Spud napf, der hinter ihm auf Deck angeschraubt war. Dann sagte er ganz leise, damit niemand in der Kajüte hören sollte, daß am Stener gesprochen wurde:

Na, wie gefällt's Dir, Seemann zu sein, Benn?" Diefe Frage hatte der Junge in den letzten Tagen oft zu hören bekommen, bald mitleidig, bald neckisch oder auch höhnisch.

"

Ach, es ist ziemlich unbehaglich, mein' ich; aber das tommt vermuthlich daher, daß wir bisher so schlechtes Wetter gehabt haben."

ich,

die

Michel lachte im Stillen.

"

Nun lacht er wohl über meine Aussprache," dachte Benn Und die Schifferfrau? Wie gefällt Dir die?"

Ich habe sie noch so wenig gesehen."

Du solltest auf Achterdeck gehen und fie begrüßen, meine ein so flotter Bursche, wie Du bift!"

Benn lächelte und zuckte die Achseln. Das war nun so Art der Lente aus dem Volte, Wize zu machen. Uebrigens ist fie eine Sau, weißt Du!"

Ach, wer das glaubt!" Und in Gedanken fügte er hinzu:

Er füßte sie und die Schwestern und sprang auf das So fein und hübsch, wie sie ist." Zwischendeck herab, wo er sich hinsetzte, um zu weinen.

"

III.

Es war zwischen neun und zehn Uhr in der Nacht, sieben Tage, nachdem Merry Schnor" Arendal verlaffen hatte. Michel stand am Stener, und Benn neben ihm, um ftenern zu lernen. Der erste Steuermann, ein breiter und untersetter Mann aus Stavanger , ging oben in Luvwart mit gleich mäßigen, ruhigen Schritten auf und ab. Er erschien halb wie ein Bauer, halb wie ein Seemann. Die Hände hatte er tief in die Hosentaschen gesteckt und die Schultern in die Höhe ge­schoben. Nicht ein Wort war ihm in der letzten halben Stunde entschlüpft, und darum durften die Beiden am Steuer auch nichts sagen.

Die See war schwarz wie Tinte, und die Brise nur mäßig frisch. Die Wolken schwer und grauschwarz, aber ruhig. Man sab teinen leuchtenden Punkt auf dem Meer, und das Ohr vernahm nur den Laut der matten Wellenschläge gegen die Schute, die gleichmäßigen Schritte des Stenermanus und einen

" Ja, fie taut Tabat."

Benn lachte. Er wußte, daß die Matrosen den Schiffs. jungen dergleichen unglaubliche Geschichten zu erzählen pflegten. Michel, Du mußt nur nicht glauben, daß ich so un­erfahren bin, wie die fünfzehnjährigen Jungen, die sonst zur See gehen."

"

Aber da lachte Michel, so daß er sich schüttelte. Und Benn mußte sogleich daran denken, wie die Mannschaft brüllend gelacht haben würde, wenn sie ihn so etwas sagen ge hört hätte.

Wie alt bist Du denn, Benn?" fragte Michel un geheuer ernst.

Siebzehn und dreiviertel Jahr."

Der Andere lachte wieder; aber Benn fühlte fich dadurch nicht beleidigt. Michel hielt ihn in einer so gutmüthigen Weise zum Narren, und außerdem waren sie unter sich.

Dann hörten fie den promenirenden Schritt des Steuer­manns sich nähern, bis er am Rande stehen blieb.

"

Es ist wohl fein schönes Leben, Seemann zu sein, Benn,