Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 80.
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nda
Sonntag, den 24. April.
( Nachdruck verboten.)
Der Schiffsjunge.
Eine Seegeschichte von Peter Egge . Einzig autorisirte Uebersehung von E. Brausewetter. Benn hörte alles; aber es machte feinen Eindruck auf ihm. Divind näherte sich ihm und schrie ihm in die Dhren:
"
,, Nun treiben wir gewiß nach Holland hin, Benn!" " So," erwiderte der andere, ohne zu erschrecken.
Wir haben keine Ahnung, wo wir sind, bis es wieder
Tag wird."
Warum weinte er nicht? Er sollte vielleicht sterben, ehe noch der Morgen tam. Mutter würde für viele Jahre unglücklich werden, vielleicht für ihr ganzes Leben. Sie würde vielleicht einen Schlaganfall bekommen, wenn sie in den Zeitungen las, er wäre mit„ Merry Schnor" untergegangen. Er mußte schrecklich hartherzig sein, daß er so ruhig sein Tonnte. Das war so unbegreiflich häßlich von ihm..
Schließlich versant er in einen Halbtraum und fühlte instinktiv, daß er sich nicht ohne Hilfe erheben könnte. Er mußte bestimmt in die Roof hineingetragen werden, oder vielleicht fonnte er hineinkriechen, aber sich auszuziehen das vermochte er nicht!
-
1898.
nun an der Dogger Bank vorbei, Junge. Eine große Menge Fischerboote streichen vorbei, mindestens drei- bis vierhundert und es kommen wohl noch mehr."
Benu troch aus seiner Koje. Der Kopf war ihm noch ein bischen schwer, und ihm war ganz schwindlich.
" Heut' Nachmittag will ich wieder arbeiten," sagte er. Das sollte eine Art Entschuldigung sein, daß er nun auf Freis wacht hinausging, ohne mit den anderen heute Nacht gearbeitet zu haben.
Die beiden kamen bald auf Deck. Vorn auf der Back saßen und lagen die Kameraden und sonnten sich, satt vom Sonntagsessen und froh über das gute Wetter. Sie rauchten ihre schwarzen Thoupfeifen und unterhielten sich über das Leben rings um die Schute.
Dampfschiffe, fleine und große, eilten dahin, durchfurchten die Wasserfläche leicht und scharf in hohen, lichten Wogen. Der Rauch war ein schwarzer, wagerechter Strich vom Schornstein aus. Die Segelschufen hatten alle Lappen ausgesetzt. Sie wollten sich an der Seite der Dampfschiffe halten, blieben aber doch nach und nach zurück. Ein zahlloses Gewimmel von Fischerbooten mit großen lohfarbenen Segeln und Lootsenfutter mit großen weißen Segeln, die fast den kleinen Rumpf verdeckten, sauften eilig davon, so daß der Schaum um den Bug sprigte. Und inmitten des bunten Durcheinander der Schiffe und Boote das volle, blaue Meer mit blanken Sonnenglizern: es lächelte ruhig und überlegen zu dem Spiel.
Er blieb eine Weile sitzen, bis er aufgehört hatte zu denken. Das Heulen des Sturmes und das Brüllen des Meeres Landwärts lag England, niedrig, aber klar im Sonnen vernahm er, ohne daß es ihm zum Bewußtsein kam. Die schein. Ein mächtiger Leuchtthurm ragte am Strande empor. Er Wellen, die hineinbrachen, gingen über ihn hinweg, wie er blickte mit seinen großen, starren Glasaugen talt auf das dort unter der Luvwart- Reeling saß. Plötzlich vernimmt er Leben hinab. Weiter hinein sah man Felder, die noch ihre einen Laut, als wenn Holz beim Spalten zersplittert. Die frische, grüne Farbe hatten. Kleine Häuschen drängten sich Schute legt sich furchtbar auf die Seite; die See schlägt hie und da zusammen, und ein paar riesige Mühlenflügel hinein; er gleitet nach Lee hinab, er fühlt, wie ihn streckten sich an einer Stelle wie große Finger, die zum Schwur das Wasser trägt. Eine Angst, die er nicht sogleich erhoben sind, empor.
begreift, durchzieht ihn. Einen Augenblick sieht er das Der Junge blickte umher. Etwas so Schönes hatte er nieHundehaus wie eine fleine Hütte auf Deck herumschwimmen, mals gesehen. Rufen und Geschrei und Krachen dringt zu ihm hin; aber durch all' den Lärm vernimmt er das herzliche Lachen einer Dame
Was für ein abscheuliches Frauenzimmer," denkt er und fühlt fast in demselben Augenblick einen stechenden Schmerz im Hinterkopf und dann nichts mehr - mehr... Tragt ihn in die Roof!"
Es war der Steuermann.
V.
Einen Tag später. Sonntag morgen. Zwischen acht und neun Uhr.
Benn lag in der Koje, und niemand sonst war im Roof. Die Thüre und alle vier Fenster stauden offen. Die Sonne schien durch sie hinein und bildete goldene Vierecke auf dem Boden und an den Wänden. Das milde Wetter war soeben in die Koje hineingekommen, und er kam sich faft glücklich vor: bald waren sie im Passat, und da gab es nur gute Tage, jagte Divind; denn da blies ständig ein gleichmäßiger Ostwind, und dann kamen sie bald nach New- York . Und dann ging's auf den Heimweg von New- York ! In drei Monaten war er in Europa daheim.
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Er fühlte, wie er jegt da lag, keine Schmerzen. Als er aber gleich darauf die Wunde am Hinterkopf berührte, that es etwas weh. Er erhob sich, sodaß er in der Koje aufrecht saß und blickte zur Thüre hinaus. Das Stück, das er vom Deck übersehen konnte, die Spiren und Reeling lagen in starker Sonne da, und es lockte ihu, erzählte, wie hell und hübsch heut' alles draußen war. Das Meer mußte gauz ruhig sein; denn die Schute wiegte sich nur ganz sanft und leise. Er blickte durch das Oberlichtfenster hinauf und sah alle Segel am Großmast weit sich vollblähen wie in Freude über die schöne Brise und das hübsche Wetter.
Divind kam in die Roof hineingeschlendert.
„ Na, uun sind wir aus der bösen Nordsee hinaus." So!"
Wie geht's Dir denn hent?" Thut der Kopf noch
web?" Ach nun
Ach nein, es ist nun fast vorbei, glaube ich!"
" Ja, im Kanal da ist noch ein Leben, Junge," sagte Divind, der sah, wie ergriffen Benn war.
Da haben wir ja auch den Kranten!" rief Jokum von
der Back her.
Das arme Hühnchen!" sagte ein anderer. Der Steuermann kam nach vorn zu Benn.
Hatte das
„ Na, bist Du nun wieder ein Seemann geworden?" Die Mannschaft schaarte sich um sie. Alle mußten die Wunde besehen und alle mußten wissen, ob sie schmerzte. Noch nie so' n Kerl gesehen!" rief Jotum. nun' n Sinn, der Hundsbude nachzuschwimmen?" " Hent' Nachmittag müssen wir den Kerl am Stener probiren. Das Wetter ist so fein!" sagte der Steuermann.
Du bist dumm, Junge!" schrie Jofum wieder. So bald wieder in Dienst zu treten! Hätt' ich mich so zerschlagen, hätt' ich, hol' mich der Teufel, in der Roje gelegen, bis wir vor Long Island verankert lägen. Das hättet Ihr wohl sehen jollen, Steuermann!"
Der Steuermann lachte mit den andern und ging nach rückwärts. Jokum begann sich in aller Freundschaft mit Tom zu prügeln. Sie rollten sich auf dem Deck herum, wie zwei Hunde, die im sonnenvarmen Sande spielen.
Benn sah die Frau des Kapitäns auf Halbbeck spazieren gehen. Ob sie dort blieb, wenn er am Steuer stand? Ihm begann bereits vor dem Nachmittag zu grauen. Divind und Benn gingen auf die Back hinauf und setzten Divind bot ihm flott aus einer alten Geldbörse Tabat an. Er pflegte Rauchtabak zu kauen. Benu stopfte seine Pfeife und rauchte. Die beiden Freunde blieben eine Weile still sitzen. Dann sagte Divind:
sich.
"
Weißt Du, was das hier für ein Ende ist?" und er zog an einem Tau, das er gerade noch erreichen konnte. Nein!"
"
Das ist der Klyverherabholer. Merk' Dir das!" Und dann sagte er ihm die Namen der Taue und Geräthschaften, die in der Nähe lagen. Benn mußte sie wiederholen. Oft konnte er sich nicht auf den richtigen Namen befinnen; denn er vermochte nicht recht zu folgen. Seine Gedanken weilten anderwärts. Endlich unterbrach er Divind's Unter
" Bieh Dich an und komm hinauf auf Deck. Wir sind weisung und sagte: