Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 87.

18]

Mittwoch, den 4. Mai.

( Nachdruck verboten.)

Der Schiffsjunge.

1898.

tasteten unsicher nach der Stenge. Für ihn bedeuteten ihr Gruß, der ihm dort vom Dampfschiff zugesandt wurde, viele verständnißvolle Worte.

Ich sehe Dich, lieber Freund. Ich weiß, Du liebst mich, und bist nicht glücklich! Dennoch kann ich nicht mehr für Dich thun, als das, was ich versprochen habe, und Du weißt, warum ich es nicht kann."

Eine Seegeschichte von Peter Egge . Einzig autorisirte Uebersezung von E. Brause wetter. Ein Theil der Segel wurde eine Weile, bevor die Ein­fahrt erreicht war, geborgen. Die Brise erhielt sich frisch. Um sechs Uhr war die Schute an der Schiffsbrücke Ein Licht nach dem anderen leuchtete im Dunkel auf. Sie draußen vor der Thirtyfive- Street angeseilt. Die Lampe in nahmen an Zahl zu und wuchsen an Stärke, je näher der Roof war angezündet, und die Leute gingen voll Spannung Merry Schnor" ihnen rückte. Das Land schloß sich hinter umher. Feder, Tinte und Papier waren hervorgesucht. Die der Schute, umfaßte sie; und die Lichter wimmelten aus der Jungen wollten schreiben, sobald die Briefe gelesen waren, Erde empor, und aus dem Wasser sowohl an Back- wenigstens an die Mädchen. bord als an Steuerbord, sowohl vorn als achter­wärts. Kleine Dampfschiffe jagten dahin und zeichneten undeutlich ihre schwarzen Umrisse gegen das Land ab, so daß ihre hell leuchtenden Laternen von unsichtbarer Hand durch das Dunkel und über das Wasser hingetragen zu werden schienen.

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Ein Licht stand höher als die andern und war auch größer und weißer. Es schien ein riesengroßer Stern zu sein. ,, Da haben wir auch die Freiheitsgöttin", rief einer aus der Schaar, der auf der Bak der Merry Schnor" stand. ,, Heut Abend leuchtet sie gut", sagte Michel, mehr zu sich selbst, als zu den andern.-

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Am Morgen darauf, den siebenten vor dem Weihnachts­tage, tamen die Leute nicht vor acht Uhr hinauf. Sie waren nach einem Zag ohne Freiwacht spät in die Kojen gekommen.

Mehrmals wurde Benn ausgesandt, um über die Reeling nach dem Kapitän auszugucken. Er ging mehr als gern, und blieb jedes Mal lange draußen stehen.

Als er meldete, daß der Kapitän das Fallreep überschritt, stellten sich die Leute in der Thüre auf. Ein Weilchen später kam der zweite Steuermann mit dem Pack Briefe, und alle eilten ihm voran ins Roof. Begierige Hände griffen nach den Briefen. Einige Jungen bekamen zwei, andere drei. Benn bekam sechs, Tom keinen. Er hatte kein Heim, keine Verwandten und Freunde.

Der zweite Steuermann lief achterwärts zu seinen eigenen Briefen. Und nun herrschte in der Roof einige Augenblicke ein Durcheinander von Reden, Rufen und Lachen.

Plöglich schlug Anton auf den Tisch, und alle sahen er­staunt zu ihm auf und schwiegen.

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Da soll doch der Teufel dreinschlagen!"

Betamst Du keinen Brief von ihr, Anton?" rief Jokum. " Jch bleib' keinen Tag länger an Bord." Er war ganz bleich und starrte wild vor sich hin.

" Ja, ich sagt es Dir ja! Kümmere Dich nicht um sie,

Es war bereits hell. Das Land lag schneelos ringsum, und die Felder und Bäume schienen in Stälte erstarrt. Long Island und der Hafen hallten von der Arbeitsgeschäftigkeit wider. Die Eisenbahnen läuteten dumpf und ununterbrochen, wie Stirchenglocken, um die Passanten zu warnen, wenn der Zug durch die Straßen braufte mit einem weißen fagt ich. Sie ist nur' ne Schusterbraut, sagt ich." Rauchstreifen hinter sich. Fabriken mit riesigen Schornsteinen ragten hie und da empor und stießen ein dumpfes Stöhnen und Hämmern aus, über die Stadt und das Wasser hin. Es mischte sich mit dem Rasseln der Fähren und einem Gewimmel fleiner Dampfschiffe, der Schleppdampfer im Hafen. Aber über all dem Lärm ertönte ein schwaches, fernes Brausen. Das war das arbeitende New- Yort, das weiter hinten in der Bucht lag.

Benn saß oben auf der Toppraa und löste das Segel von der Stenge. Einige Kameraden waren unten mit den Segeln beschäftigt, andere tafelten das Bugspriet ab. Alles mußte bis Nachmittag fertig sein, da die Schute dann nach Brooklyn hinaufbugfirt werden sollte.

Ein kleines Dampfschiff legte neben ihr an. Gleich darauf kam der Kapitän und seine Frau aus der Kajüte und gingen an Bord desselben. Alle Arbeit auf Deck wie oben im Tafel werk wurde unwillkürlich unterbrochen. Die Stimmung war eine fast feierliche; denn alle dachten daran, daß nun der Rapitän ans Land ging nach den Briefen.

" Sch brenn' heut' noch durch, daß Ihr es wißt." Dann segte er sich schwer auf seine Schiffskifte, ohne den einen Brief zu öffnen, den er bekam.

Es wurde still drinnen. Alle lasen. Keiner hatte Zeit, sich mit seinem unglücklichen Kameraden abzugeben.

Benn hatte sogleich den Brief der Mutter an der Hand­schrift erkannt. Er steckte die andern in die Koje und wollte hinaus auf Deck, um in Ruhe lesen zu können, besann sich aber schnell, daß es draußen dunkel war. So setzte er sich auf seinen Koffer, neigte sich tief vor, damit das Licht auf den Brief fallen konnte und las:

Mein inniggeliebter Sohn Benn!

Du bist jetzt wohl sehr müde und traurig! Ich habe, seit Du fortreistest, mit mehreren Seeleuten gesprochen, un einen Begriff zu bekommen, wie es Dir geht, und ich be­greife sehr wohl, daß Du Dich als Schiffsjunge nicht glücklich fühlen kannst, selbst wenn Du es verhältnißmäßig gut hast. Du hast ständig in einem Familienheim gelebt, bei einer Mutter, der Du das Liebste warst, und nun kommst Du an Bord eines Schiffes, wo Du der Geringste von allen bist, wo Du eine Arbeit versehen mußt, die Dich ängstigen muß und die allzu schwer für Dich ist, der nicht an solche Plackerei ge­wöhnt ist.

Benn starrte auf die Frau herab. Ihre hellgelben Hand­schuhe stachen so hübsch gegen das weiche, solide Pelzwerk ab. Leicht und sicher stieg sie die Strickleiter hinab, ohne sich um zusehen, ohne auf jemand zu achten; und in Benn stieg ein bitteres Gefühl empor. Er war eifersüchtig auf ihre Schönheit Dein Heuerfontraft gilt für zwei Jahre, schriebst Du von und ihre schönen Kleider, die ihm seinen Arbeitsanzug noch Arendal . Herr Gott , was für eine lange Zeit! Ich fürchte, geringer erscheinen ließen als sonst. Er war eifersüchtig auf Du wirst inzwischen alles vergessen, was Du gelernt hast, ihr sicheres imponirendes Auftreten, das ihm seine Stellung und auch Dein Vaterhaus. Lieber Benn, mein Junge, Du mit bitterer Demüthigung bewußt machte, und auf die Frei- mußt daran denken, daß, wo Du auch umherirrft, sei es auf heit und Freude, zu der sie ging, ohne daß er der Schiffs dem Meere oder in einem fernen Erdtheil, immer mußt Du daran denken, daß Du eine Mutter hast, bei der Du stets junge ihr auch nur in den Sinn fam. willkommen bist. Wie Du auch kommst, bist Du gleich will­kommen. Du wirst sehen, daß meine Liebkosungen noch die­selbe Wärme haben, wie jene, die Du als fleiner Junge bekamst."

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Er starrte noch immer auf sie herab, als das Dampf­schiff schon lange von Bord abgelegt und sich in Bewegung gesezt hatte. Den Kapitän sah er im Gespräch mit einem Manne stehen.

Da war es dem Jungen, als blickte die Frau nach der Tafelung von Merry Schnor" hinauf. Ohne recht zu wissen, was er that, schwang er einige Male seine Mühe. Vielleicht gab ihm das sichere Gefühl, daß die Kameraden ihn dort oben nicht bemerken würden, den Muth dazu.

Benn konnte nicht weiter lesen. Von dem Augenblicke an, da er den Brief zu lesen begann, hatte er die Thränen zurück­drängen müssen; aber es wurde immer schwieriger, je weiter er las. Er hatte ein Gefühl, als sollte seine Brust zerspringen. Er beugte sich tiefer über den Brief, damit die Kameraden seine Als er aber die Frau ihren Muff zum Gegengruß Nührung nicht sehen sollten. Aber tropf, tropf, tropf fielen schwingen sah, schwoll ein bittersüßes Gefühl in ihm empor. die Thränen auf das Papier, und man hörte es ganz laut Seine Augen füllten sich mit Thränen, und seine Händel drinnen in der Stille. Mehrere sahen bereits von den Briefen