Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 94.

20]

Freitag, den 13. Mai.

( Nachdruck verboten.)

Der Schiffsjunge.

Eine Seegeschichte von Peter Egge . Einzig autorifirte Uebersetzung von E. Brause wetter. Eine Zärtlichkeitsfülle stieg in ihm empor, als er diese beiden theilnehmenden Worte vernahm. Er schmiegte sich an sie und sprach von ihr, etwas, was er bisher noch nie gethan hatte. Heiß und wie berauscht flüsterte er, wie reizend die Grübchen in ihren Wangen und die Fältchen um ihren Mund wären, wenn sie lachte. Wie wunderbar ihr Kinn

1898

" Ja," sagte er, ohne an das zu denken, wonach sie ihn

fragte.

,, Und fast noch schlimmer am Land. Meine Kousine ist von ihren Angelegenheiten so in Anspruch genommen, siehst Du, daß sie für mich fast gar keine Zeit hat.... Aber Benn, Du sagst ja garnichts!"

Dann mußte er wieder reden, und sie hörte zu. Er war aufgeregt. Seine Liebkosungen wilder und anspruchsvoller, als sonst, und seine Worte heißer. Um neun Uhr verließen sie das Restaurant.

Es schneite nicht mehr. Der Himmel war klar ge­Viele Sterne funkelten dort oben, und die Kälte

worden.

fich heraus wölbte Wie zart ihre Kehle sich bewegte, wurde fühlbarer.

Sie schlugen einen Richtweg ein, passirten einige Neben­

wenn sie sprach... Er hätte noch niemals ein solches Kinn gesehen... Es wäre wie geschaffen, in einer halbgeschlossenen Hand zu liegen. Und er legte feine harte Hand vorsichtig gassen und waren plöglich unten am Hafen. Benn fror ein bischen. Seine erhitzten Sinne beruhigten und liebkosend darauf. Er liebte alles an ihr, flüsterte er, sich. Seine Gedanken wurden kälter und klarer. Er blickte ihren Körper, ihre gute Seele und ihre hübschen Kleider... alles!

Er fand Worte und Bilder für das, was er fühlte und bei ihr fah. Und alle flangen echt, weil sie von seiner Leiden­schaft durchglüht wurden.

Sie hörte stumm zu, ließ sich von ihm wie eine liebe Sache behandeln und lächelte ruhig und liebenswürdig dazu. Endlich sagte sie:

"

Wie nett Du sprichst, Benn!" Bist Du noch niemals in eine

vor mir?"

Nein... das weißt Du ja." Betäubung.

Und ein Weilchen später: Dame verliebt gewesen Er lachte matt, wie in

" Hast Du auch noch nie derartiges zu einer Dame ge­

fagt?"

" Du bist doch zu merkwürdig... so was zu fragen! Nein wirklich nicht, Merry."

lachte.

-

Aber Du hast schon vor mir eine Dame gefüßt?" Sie " Ich? N- ei- n... ich glaube nicht..." Er fühlte ihren forschenden Blick und wurde verwirrt. Er that, als be­dächte er sich und sagte dann plötzlich: Doch!" Da lachte sie hell auf, und er wurde ganz verlegen und fühlte sich getränkt. Denn ihm war es, als lachte sie nicht nur über sein Doch", sondern auch über all' die zärtlichen Worte, die er heute Abend geflüstert hatte. Sie ahnte wahr scheinlich, was sie angerichtet hatte; denn sie strich liebkosend über seinen Nacken hin, und sogleich war er wieder versöhnt. Sie lachte aber noch immer. Er sah die ganze Reihe ihrer weißen Zähne.

"

Merry," fagte er, damit sie aufhören sollte zu lachen, " Laß mich Deine Zähne sehen!"

Sie wurde fast ernst.

,, Na, sieh!" sagte sie und öffnete die Lippen. ,, Nein, alle!"

über den Hafen und die vielen Lichter der Laternen und den Leuchtthurm hin. Sie starrten ihn durch das Dunkel an wie große, anklagende Augen.

,, Wir wissen, wer Du bist!" sagten sie, und sie gaben ihm und dem Weibe, das da neben ihm herging, Namen, durch die sie in die Reihe der Verbrecher gestellt wurden... Sie blieben stehen, um auf die Pferdebahn zu warten. Sie sollte mit der ersten fahren, er mit der zweiten, da sie nicht gleichzeitig an Bord kommen wollten.

,, Da ist das Geld, das ich Dir schuldig bin." Er wühlte in seinem Portemonnaie.

,, Hast Du schon etwas von dem erhoben, was Du an Bord gut hast?"

bekommst."

" Ja, aber davon ging ein Theil zu Weihnachten d'rauf, sodaß mir gerade noch fünfzehn Cents an dem fehlen, was Du unter Freunden kommt es doch wirklich nicht so genau ,, Behalte alles zusammen, bis Du Dein Gehalt bekommst. darauf an."

geſtedt, und er wagte nicht, ihr das Geld aufzudrängen, das Sie hatte keine Hand frei. Beide waren in den Muff er in der Hand hielt. Er gelobte aber sich selbst, daß sie jeden Cent wiederbekommen sollte. Und er empfand eine eigene Zufriedenheit über dieses Gelübde.

Sie drückten einander die Hand und nickten einander zu. Dann Ein Weilchen später kam ein Pferdebahnwagen daher. Sie drückten einander die Hand und nickten einander zu. Dann stieg fie ein und fuhr davon.-

V

XV.

Das Zimmer, in dem Merry und Benn zusammenfamen, lag in der Union Street. Die Wirthin war eine Deutsche, eine kleine fugelrunde Frau, die ein bischen Schiffshandel betrieb. Das Zimmer hatte ihrer Tochter gehört, die sich kürz­lich mit einem Schiffskapitän verheirathet hatte und ihren Mann auf seinen Reisen begleitete.

Merry hatte bei der Wittwe einige Male etwas gekauft,

,, Nun da!" Sie sperrte den Mund auf, und er sah die knotige Fläche der Gaumen und das frische, rothe Zahn- wenn sie auf dem Heimivege von ihrer Kousine war, und die

fleisch.

" 1

Du bist noch sehr kindisch, Benn!"

Merry"... es flang heiß und er zog sie stürmisch an sich. Warum sagst Du niemals, daß Du mich liebst. Sage es, sage es, daß Du mich lieb hast, sehr lieb, daß Du aus keinem andern etwas machst, als aus mir!"

Dir

fleine redselige Person hatte sich durch eine so feine Kundin sehr geschmeichelt gefühlt. Es famen wenig solche in ein Ge­schäft, wie das ihrige.

Merry sagte, sie miethete das Zimmer, weil es ein Piano hatte; sie möchte sich gern ihre Fertigkeit im Spielen erhalten, die sie sich erworben hätte. Sie selbst hätte leider ,, Das kannst Du Dir doch wohl denken, daß ich kein Piano an Bord. Nur drei Abende in der Woche würde Dich sehr lieb haben muß, ich, die soviel riskiert, sie kommen Ihr Bruder, der zweite Steuermann, würde um mit Dir allein zusammen sein zu können!" Und sie am Abend nach Hause begleiten. dann fuhr sie in leichterem Ton fort: Aber in Benn spielte für die Wirthin den Bruder und zweiten Zufunft tönnen wir ganz sicher sein; denn heute habe ich ein Steuermann auch ziemlich gut. Er log mit um so größerer fleines Zimmer gefunden. Dort haben wir auch ein Piano. Dann singen und spielen wir. Ja, Du kannst doch wohl auch spielen?"

,, Nur ein paar kleine Stücke", erwiderte er verwirrt. Ein heißer Blutstrom war ihm zu Kopf gestiegen, und es saufte ihm vor den Ohren. Er schielte fast ängstlich nach der Seite hin, wo sie saß.

Es macht kein Vergnügen, in den Straßen spazieren zu gehen, wie wir es neulich thaten. Und im Restaurant ist es auch nicht nett. Ich glaube, wir werden es dort sehr ge­müthlich haben, Benn, denn" fie schlug in einen anderen Ton um nicht wahr, es ist langweilig an Bord."

-

Leichtigkeit und Gewandtheit, je öfter es nöthig wurde. Wenn er in seinem Schuldeutsch mit der Händlerin plauderte, bevor die Spielstunde" begann, stotterte er nicht vor Angst. Er hörte fast belustigt zu, daß sie sich mit ihren Miethern brüstete.

Benn wurde mit Merry mehr und mehr vertraut, er schmiegte sich immer fester an sie, je mehr seine Familie seinem Gedächtniß entschwand. Der Gedanke daran, daß sie scheiden müßten, wenn sie nach Europa tamen, peinigte ihn bisweilen. Eine lange Zeit sträubte er sich, mit ihr davon zu reden; aber eines Abends, als sie eine Weile stumm in ihrem Zimmer gesessen hatten, flüsterte er angstvoll: