Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 95.
21]
aid
Sonntag, den 15. Mai.
( Nachdruck verboten.)
Der Schiffsjunge.
Eine Seegeschichte von Peter Egge. sid Einzig autorifirte Uebersetzung von E. Brause wetter.
Die Tage vergingen. Anfang Februar wurde Benn acht zehn Jahre alt. Fast jeden Tag hörte er die Kameraden davon reden, daß der Schiffer Fracht abgeschlossen hätte. Bald hieß es nach Stettin , bald nach Hamburg , dann wieder nach Dieppe und nach London . Aber ebenso oft zeigte sich, daß es nur Vermuthungen waren. s
Seit dem Lage, da dieses Gerede begann, war eine Un ruhe und Sehnsucht über die Jüngeren an Bord gekommen. Sie waren es überdrüssig, im Hafen zu liegen, und wollten auf die See und nach Europa zurück. Die Aelteren dagegen meinten, man fönnte noch gut hier liegen, bis der schlimmste Winter vorbei wäre, und dann in die See stechen, wenn der Frühling käme.
Alle hatten an der bitteren Fahrt nach New- York genug. Alle wollten zum Sommer heim und hofften auf Abmusterung. Benn schwankte.
Die letzten Briefe der Mutter waren voll Freude darüber, daß er heimkehren wollte, um zu studiren. Sie erzählten, wie nett bereits sein Zimmer in Stand gesetzt wäre, und wie bald er sein Examen machen könnte, wenn er nur fleißig privatim studirte.
-
1898
Da stand sie auf, trat ein paar Schritte zurück und blickte einen Augenblick auf ihn herab, als erwarte fie, er solle ausreden, etwas sagen, das ihre Zweifel beseitigen könnte. trübniß und Enttäuschung lag in ihren Augen.
Bes
Er kam sich selbst so gemein und jämmerlich vor. Sie wat wieder die feine Dame geworden, und er nur der Schiffsjunge. Sie ging nach ihren Kleidern. Da sprang er auf, lief zu ihr hin, warf sich vor ihr auf die Knie, schlang die Arme um sie und stammelte schnell, angstvoll und fieberhaft:
" Ich meinte nichts Böses damit, Frau Kapitän.... Herr Gott , ich wollte nur sagen, wenn Sie Ihren Mann nicht mehr liebten, so... so könnten Sie leicht dahin kommen, einen anderen zu lieben, und würden gern mit ihm zusammen sein... Herr Gott ... Wäre das denn so wunderbar? Das kann ja jedem passiren!"
Er meinte.
" Ich lasse Sie nicht los, bevor Sie mir vergeben haben. .. Jagen Sie mich fort, dann stürze ich mich ins Meer... Ja, das thue ich... das thue ich wirklich Sie werden sehen... Oh... daß Sie so etwas Schlechtes von mir glauben können... von mir, der...
Er drückte sein Geficht gegen ihre Knie und schluchzte. Da strich sie mit der Hand über sein Haar hin. " Ja, ja, Benn, ich glaube Dir!"
Er weinte und schluchzte noch immer. " Ich glaube Dir, Benn, stehe auf!"
Jedes Mal, wenn er einen solchen Brief erhielt, ertappte er sich dabei, daß er sich nach der Mutter, den Schwestern, Sie zog ihn mit sich zum Sopha hin, nahm sein Gesicht Kameraden und Büchern sehnte nach dem Leben in den zwischen ihre Hände und füßte es viele, viele Male. Er alten Verhältnissen. Aber dann wieder in anderen Augen- fühlte ihre warmen Thränen darauf niederfallen, und ihre blicken scheute er ängstlich all das, was seine Gedanken Liebkofungen und Thränen erfüllten ihn mit solchem Jubel, Heimwärts ziehen konnte. Er durfte sich dem nicht hingeben. daß er zu zittern begann, und flüsterte: Wie gut Du bist, Meist war sein Hirn mit etwas ganz anderem beschäftigt: Merry wie gut Du bist!" Ei, wenn eines Tages der Kapitän an Bord käme und sagte, die Reise ginge nach London ... die Schute könnte in vier Wochen dort sein. Dann würde alles vorbei sein, alles. Er würde Merry niemals mehr wieder sehen.. Schon in vier Wochen!
Manchen Abend dachte er, wenn er wie berauscht in ihren Armen ruhte:" Ich verlasse sie nicht, nein... ich ich... will nicht!"
XVI.
...
Es war an einem Abend in den letzten Tagen des Februar. Merry und Benn saßen zusammen auf dem Sopha in ihrem Zimmer. Sie hatte gespielt und gesungen. Später hatte er, wie gewöhnlich, erzählt und sie zugehört.
Dieses Mal hatte sie ihm sein sehr kurzes und unschuldiges Verhältniß zu dem Dienstmädchen seiner Mutter entlockt. Sie lachte laut auf, als er, roth und etwas verschämt, erzählte, wie die Mutter ihn eines Tages überrascht hatte, als er das Dienstmädchen küßte.
Er fragte lächelnd:" Ich begreife nicht, wie es Dir Ver gnügen bereiten kann, daß ich Dir das erzähle. Ich wollte es nicht thun, weil ich glaubte, es würde Dir mißfallen." Die Worte famen langsam, fast verlegen, in all ihrer Naivität.
,, Nein, Lieber, wie kannst Du das glauben. Ich habe auch derartige Verliebtheiten durchgemacht im Alter von 16 bis 17 Jahren. Weiß Gott !" Sie lachte.
-
Eine ganze Weile blieben sie stumm so sizen, erfüllt von dem, was soeben geschehen war. Beide fühlten sie klar, er nur dunkel daß ihr Verhältniß nicht mehr dasselbe wie früher war; es war etwas Neues hineingekommen.
-
-
Er wandte sich halb nach ihr um, als erwartete er, daß sie etwas sagen oder thun würde. Er wollte sie nicht aus ihren Gedanken herausreißen. Es saß ihm eine unbestimmte Furcht im Blut, daß er ihr leicht mißfallen könnte.
Dann nahm sie sein Gesicht wieder zwischen ihre Hände und füßte es langsam und wie in Gedanken.
"
Du bist heute Abend so gut gegen mich, Merry!" t Sie lächelte ein wenig.
" Ja, könnte ich es Dir nur erzählen..." Sod at 36
Was? was? Merry?"
,, Warum ich anders bin, als bisher!"
"
Ach, erzähle! Sage es mir!" ud
"
-
" Das ist nicht so ganz leicht... siehst Du, Benn, damals, als wir zu der Gärtnerei hinfuhren da liebte ich Dich nicht so wie jest..." Sie blickte ihm in die Augen hinein. Das Leben an Bord war so traurig für mich. Niemand, der sich etwas aus mir machte. Bleibe nicht Seemann, Benn!" rief sie plöglich; sie sind alle so einfilbig und traurig. Du würdest auch so werden, wenn Du einige Jahre zur See fährst!"
Es entstand eine kleine Pause. Dann sagte er, ohne sie Die Worte schmerzten ihn, verwundeten den geheimsten anzusehen er fühlte das Gefährliche in der Frage: Haft Gedanken, der in seinem verliebten Jünglingsherz wohnte: Du niemals einen Anderen geliebt?... Jemand vor mir.. daß er dadurch, daß er Seemann blieb, ihr immer nahe sein Du verstehst schon... Hast Du noch kein Verhältniß ge- konnte! habt... Ich meine, Du, die so viel reist. so viele Männer trifft.. Sein Gesicht war halb von ihr abgewandt, und er sah nicht, wie starr das ihrige wurde.
" Ja, Du verstehst wohl," fuhr er unsicher fort, weil sie gar nichts fagte. Hast Du nicht..."
„ Du fragst vielleicht," unterbrach sie ihn hart, ob ich nicht bei jeder Reise ein neues Verhältniß habe?"
"
-
Du erinnerst mich an jene Zeit, da ich selbst noch ein Landmensch war ja, denn Du bist kein Seemann, Benn, und darum bist Du nicht, wie die andern an Bord und Du sehntest Dich nach der Heimath... gerade wie ich, obgleich ich zur See gefahren war, seit ich 17 Jahre alt zählte, bis jetzt, da ich bald 25 bin. Du warst so rührend, daß ich fast Mitleid mit Dir empfand, Er sah sie erstaunt an, sie war blutroth im Gesicht, und und Du gefielst mir so gut. Ja," stieß sie hervor, als fiele ihre Augen füllten sich mit Thränen. Betrübniß und Zorn es ihr schwer, alles zu sagen, was sie empfand.„ Darum hatte er bei ihr noch niemals beobachtet, und ihre Auf- wollte ich gern mit Dir zusammen sein und mit Dir plaudern. Hat noch fassung seiner Worte war so unbarmherzig und so ganz falsch. Vielleicht waren es auch Deine grauen Augen.... ,, Nein, Liebste... es war durchaus nicht meine Absicht, keine Frau Dir gesagt, daß Du hübsch bist, Benn?" Dich zu fränken, liebe, süße Merry."... Er stammelte und ,, Nein, aber versteht sich.. so etwas sagen die Damen einem doch nicht!" fand nicht genügend überzeugende Worte,