Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 97.
23]
Mittwoch, den 18. Mai.
( Nachdruck verboten.)
Der Schiffsjunge.
Eine Seegeschichte von Peter Egge . Einzig autorifirte Uebersetzung von E. Brause wetter. Einen Augenblick später kannten Alle an Bord das Unglück. Die Steuerleute und der Zimmermann kamen schnell aus der Messe heraus. Die Leute aus der Roof strömten auch herbei. Selbst der Steward Selbst der Steward watschelte aus seiner Kambüse hervor. Alle hinauf auf die Back. Die brennende Schute war nur von dort zu sehen; denn die Segel standen im Wege.
-
1898
Jofum mitgeschickt, damit die Arbeit in einem Zug fertig wurde.
-
Ein ander Mal, als er dort hineinam, saß der Kapitän und schrieb und Merry ging hinaus, nachdem sie Benn einen langen Blick zugeworfen hatte. Es war ihm, als wenn er und ihr Mann sie gemeinsam hinaustrieben. Die Lage vergingen....
Daß sie ihm nahe und doch so unerreichbar war, steigerte seine Leidenschaft, gab ihr einen fast krankhaften Zug, machte ihn immer verzweifelter.
Eines Nachmittags stand er in frischer Brise am Steuer. Es hatte viele Stunden ruhig und einförmig geregnet. Der Regen und auch der Wind waren falt. Es tropfte und riejelte auf das nasse, glatte Deck vom Takelwerk und den Raaen, von der Reeling und dem Steuerrade herab. Das Regenwasser lief in keinen Wellchen über den schwach wippenden Kompaß hin, sodaß er zu schwimmen schien.
Da öffnete sich die Thüre zur Kajüte, und Merry kam hinauf gerade so gekleidet, wie er sie sich unwillkürlich gedacht hatte. Sie blickte flüchtig nach vorn, ehe sie seine Hand drückte und flüsterte:„ Benn! Benn!" Dann setzte sie sich schnell auf den Poller am Backbord. Ihre Brust ging schwer, als wäre sie ein Stück gelaufen. Sie wandte ihm ihr Gesicht Eine ganze Weile hatte er mechanisch auf die Nadel hinzu, und er ihr das seinige. So starrten sie einander lange gestarrt. Da erblickte er plötzlich ihr Gesicht hinter einer Kajütan und liebfosten sich gegenseitig mit den Augen. Dann scheibe. Bleich und großäugig und unbeweglich war es ihm richtete sie ihren Blick hinaus. Er wollte ihr von der Zukunft zugewandt. Nach der Stellung und dem Ausdruck vermuthete reden. Alle Fragen, die er während der langen Trennung er unwillkürlich, daß sie ihn schon lange so angesehen haben aufgespart hatte, all' das, dessen sein Herz voll war, lag ihm mußte. Er erwartete, sie würde ihm zulächeln; aber das Der Regen peitschte gegen die auf der Zunge; aber er wagte nicht zu reden aus Furcht, Gesicht blieb unbeweglich.
daß jeden Augenblick jemand kommen könnte oder daß sie Scheiben, und das Wasser rann darüber herab und gab dem von den Matrosen beobachtet werden könnten, die in die Gesicht etwas Verzerrtes, Entstelltes. Er mußte mehrmals Maste gestiegen waren, um besser ausschauen zu können. von ihr fortsehen; denn der Steuermann befand sich in der Sein Blut pochte ängstlich und ficberhaft erregt... Nähe. Sobald er wieder dorthin fah, erwartete er, entweder Warum fagte sie nichts? Warum sprach sie nicht von dem, daß sie fort sein würde, oder wenn sie noch da war, daß sie was, wie sie wissen mußte, ihn so schrecklich peinigte? ihm zulächeln würde. Aber es geschah nichts dergleichen.
Und um irgend etwas zu sagen, flüsterte er:„ Arme Leute!" als wäre es selbstverständlich, daß sie in Gedanken mit dem Schiffsbrand beschäftigt wäre.
"
Wenn die Menschen todt sind, braucht man sie nicht mehr zu beklagen," flang es ganz leise von ihr, ohne daß sie ihm ihr Gesicht zuwandte.
Es waren nicht die Worte, sondern die Stimme, der Ton, der ihm den Athem benahm und seine Brust mit dem faltfeuchten Griff der Angst umflammerte. Er begriff, daß diese falten, ruhigen Worte eine Rathlosigkeit verdeckten, eine Verzweiflung, die sie ihm bisher verborgen hatte.
Man vernahm Schritte und Stimmen über das Deck hin. Sie erhob sich, wie um zu gehen.
„ Merry, was sollen wir thun?... Du sagst nichts?... Du.. Du... fannst Dir gar nicht denken, wie fürchterlich ich leide!"
Der falte Schweiß stand ihm auf der Stirn. Sie blieb mitten vor dem Steuerrad stehen.
,, Lieber Benn, glaubst Du, mir geht es besser?... Ich fann Dir noch nichts sagen... Du mußt Geduld haben!"
Nun erst bemerkte er, wie bleich sie war, und daß ihre Augen trübe und müde aussahen. Sie drückte seine Hände, die die Steuergriffe hielten, und eilte in die Kajüte hinab.
Sie weiß selbst feinen Rath... Sie findet keinen Ausweg, sie auch nicht," flüsterte er mehrmals. Er war mit dem Gefühl zurückgeblieben, als hätten sie einander für ewig Lebewohl gejagt.
Ein Weilchen später wurde er vom Steuer abgelöst und ging nach vorn. Vor der Roof begegnete er Divind, der gerade aus dem Takelwerk herabfam.
,, Steig' hinauf und sieh' Dir die brennende Schute an,
Jimge!"
Benn antwortete nicht. „ Bist Du frank?"
Nein," fam es tonlos.
,, Da ist niemand gerettet; denn es ist keine Spur von einem Boote zu sehen."
Benn erwartete jedes Mal, wenn er am Steuer stand, am Tage oder am frühen Abend, daß er sie würde sprechen fönnen. Sie mußte einen Ausweg wissen, und sie mußten einen Entschluß fassen, wenn nicht eher, so wenigstens vor dem Tage, da der Kapitän ihn mit an's Land nahm, um ihn abzumustern.
Als sie ein Weilchen später endlich verschwunden war, wurde es ihm klar, daß sie ihm ganz gewiß zugelächelt hatte; aber der Regen, der an der Scheibe herablief, hatte ihr Gesicht für ihn so verzerrt, daß er das Lächeln nicht bemerkt hatte.
Mehr war nicht nöthig, um ihm die nächsten Tage noch qualvoller zu machen. Jeden Augenblick stand dieser Anblick vor seinen Augen. Jedes Mal, wenn er an sie dachte, sah er ihr Gesicht hinter einer regennassen Scheibe ihn anstarren bleich, großäugig, ohne Bewegung, ohne ein Lächeln des Wiedererkennens. Das Gesicht zürnte ihm.
-
Immer wieder sagte er sich, wie das Ganze zusammenhing; aber dennoch peinigte es ihn. Hätte er sie auf Deck zu sehen bekommen, wären diese qualvollen Gedanken vielleicht verschwunden. Aber in den vier bis fünf Tagen die es noch dauerte, bis sie das Land erreichten, ließ sie sich oben nicht sehen.
Er sah das Gesicht auch in seinen Träumen. Da hatte es die Blässe und Starrheit des Todes, und das Wasser rann in Strömen daran herab. Er erwachte voll Angst und in Schweiß gebadet und sah sich verzweifelt um.
Selbst beim Einsegeln tam sie nicht auf Deck. Es war ein hübscher Nachmittag in der ersten Woche des April. Der Himmel war klar. Die Sonne schien warm, und das Meer ging in glizernden Schwellungen. Das freundliche lichte Havre lag in der Bucht mit einem Sommerhauch darüber, und der Hafen wimmelte von Dampfern und Segelschiffen.
Er erwartete so sicher, sie zu sehen. Es war natürlich feine Rede davon, mit einander zu sprechen, nun, da der Lootse und die Steuerleute auf Deck waren; aber, Herr Gott ... wenn sie nur hinauffam, dann konnte er sie doch wenigstens ansehen!
Aber sie kam nicht hinauf, und qualvoll stand das blasse, starre Antlitz hinter der Scheibe vor seinem Auge.-
XVIII.
Es ward spät am Abend, bis die Schute verankert war. Am nächsten Tage warteten die Leute vom frühen Morgen an auf die Briefe. Die Mittagspause tam, aber kein Stapitän und keine Briefe.
Der Steward watschelte in die Roof hinein, um Benn zu bitten, ihm noch an demselben Abend einen Brief an seine Frau zu schreiben.
,, Hast Du nichts vom Schiffer gesehen, Steward?" fragte
Jotum.
Aber es machte sich nientals so, daß sie einander allein Hab' ihn nicht gesehen, Freundchen, feit er gestern mit sprechen konnten, weder am Steuer, noch anderwärts. Einmal, als er in der Kajüte Messing puzen sollte, wurde seiner Frau sich davon machte".