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Das fleine verwachsene Männchen schüttelte sich und reibt| geberden sie sich nun noch naturalistisch, oder seien sie ins neuroman­mit dem Aermel die unsaubere Stelle. tische Lager abgeschwenkt, nicht mehr die Freude am extremen Ver " Die ganze Menschheit, meine Herren," seine piepsige fuch. Bei nicht wenigen von ihnen ist die Lust an der Freilicht­Stimme flingt fast wehmüthig, theile ich nur noch in zwei ins Gegentheil umgeschlagen. Man liebt die dunklen, elegischen malerei, am strahlenden Sonnenschein und hellleuchtenden Farben Gruppen ein: Leute, die in Equipagen fahren und Leute, die von Equipagen bespritzt werden. Früher habe ich zu der Stimmungen. Abenddämmerung, Landschaften in nächtliche Schatten ersten Gruppe gehört, jezt gehöre ich zu der zweiten."

"

,, Ach, Sie meinen so im großen und ganzen im mensch lichen Leben." Klüwer reicht über mich hinweg, um dem Bankier die Hand auf die Schulter zu legen. Ja, da haben Sie recht. Aber wissen Sie, lieber Lorenz, Sie müßten doch eigentlich' ne Flasche Bier zum besten geben. Sie sind wenigstens früher in der Equipage gefahren, aber ich, ich bin immer bespritzt worden, von oben bis unten, hinten und vorn, sage ich Ihnen. Nur einmal bin ich unter vor nehme Leute gekommen, vor zwei Jahren war es, da hat mich hier am Dönhoffsplak, wissen Sie, wo es so scharf um die Ecke geht, ein wirklicher Kommerzienrath überfahren."

Klüwer nimmt die zweite Flasche an dem Kopf, aus einem Glas zu trinken, hält er für unfein, und gluckst selig lächelnd ihren Inhalt hinunter.

gehüllt!

Es ist der Hang zur Melancholie, wie er gleichzeitig in der Literatur auftritt. Er reicht indessen nicht bis zu solcher Verzagtheit, zu so einer Resignation, wie sie in der jüngsten Zeit bei unserer beklommen dichtenden Jugend zu beobachten ist. So weit wirkt doch noch der Kampfruf: Rückkehr zur Natur, nach, daß der bildende Künstler selbst in seinen symbolistisch- romantischen Arbeiten nicht völlig in unanschaulichen, trockenen Grübeleien aufgeht. Wie unsere ganze moderne Kunstbewegung das landschaftliche Moment bereichert hat, im höchsten Sinn vielleicht allein das land­schaftliche Moment, wie die bedeutenden Neuerer, so Millet, oder der große einsame deutsche Böcklin eine ganz neue, feierliche Naturanschauung gewannen, so sinkt die Landschaftsmalerei auch in unfruchtbaren Perioden und selbst bei unseren Berlinern niemals völlig nieder. Mancher von den namhaften deutschen Land­schaftern fehlt wohl diesmal, so Schönleber. Dafür gewährt die Sammelausstellung des Karlsruhers Volkmann einen friedlichen wohlthuenden Genuß. Ein Künstler, dessen ruhig sicheres Auge gerne träumerisch an einem einsamen Weiher verweilt, oder an der freundlichen Oktobersonne sich erfreut, hat diese Landschaften ge­schaffen. Man sieht sich keiner Größe gegenüber, aber man fühlt sich wohlbehütet. Von älteren und jüngeren Berlinern wahrt Eugen Bracht seinen bewährten Ruf; Walter Leistikow , dem an­fänglich übel mitgespielt wurde, ist dank der Befürwortung Lieber­mann's doch mit zwei Gemälden Abend" und" Sommer" vertreten. Neuerdings erst wurde ein märkischer Waldteich" Leistikow's für die Nationalgallerie erworben, um so wunderlicher bleibt das Verhalten der Jury. Beide Gemälde in der Ausstellung haben den idealisirten Stil, wie ihn Leistikow bevorzugt. Sie gleichen märchenhaften Idyllen. Sie sind aber nicht so anspruchsvoll, wie z. B. des Der Alte ist hochroth aufgesprungen, doch im gleichen Münchener Eyter größer angelegtes Triptychon vom verzauberten Augenblick hat er sich schon besonnen, seine gewohnte Ruhe Wald, das reinen Märchencharakter tragen möchte und doch nicht wiedererlangt. reiner Naivetät voll ist. Erter hat schon Werthvolleres geschaffen. Kommen Sie, Lintrowchen, wir wollen uns vertragen, Starbina's" Abend im Dorfe", wie sein scharf hervortretendes die ewige Zankerei muß aufhören. Rathen wir zusammen eins" Schnitter"-Bild zeigen diesen Künstler, der sonst gerne Großstadt­ansichten flott slizzirte, ebenfalls um die landschaftliche aus. Brrr, zum Abgewöhnen. Also Zahl oder Wappen? Jdylle bemüht. Ludwig Dettmann's Weise wird, scheint es. Noch einmal. Zahl oder Wappen? Wappen? Prost! Gesund- flüchtiger. Er produzirt gewiß leicht, aber er ist in den letzten heit! Danke allgemein für gütige Theilnahme."

Plötzlich fährt Lintrow höhnisch auf. Unser Nachbar sieht heute noch schlechter wie sonst aus. Seine schwarzen Augen leuchten aus dem blassen Gesicht. Trotz der Hike friert er und hat über die Beine den Sommermantel gedeckt, aber noch reibt er sich fortwährend die langen, mageren Hände, daß die Gelenke der Finger knacken.

Sagen Sie, ist Ihnen denn immer noch so bitter im Hals, Herr Klüwer?"

Mischen Sie sich nicht in ungelegte Eier, Sie Plunder! Sie denken wohl, Sie sind ein Affe, und die anderen sind gar nichts?!"

Lintrow hat verloren, wie gewöhnlich, er fordert Revanche und verliert zum zweiten Mal.

Sie wollen diefes unterhaltende Gesellschaftsspiel noch länger fortsetzen, als der Sekretär hereintritt, sich in die Thür stellt und nach Luft schnappt. Lintrow erhebt sich vom Sih. Sein Beispiel wirkt ansteckend, alle thun desgleichen. Gnädig winkt der Karpfen" ab.

,, Aeh, meine Herren, äh, mache Sie wiederholt darauf aufmerksam, daß bei§ 18 ,,,, immer"" als unzulässig in den Formularen zu durchstreichen und mit stets"" zu ersetzen ist. Der Herr Geheimrath, äh, läßt es durchaus nicht mehr durchgehen!"

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( Fortsetzung folgt.)

Große Berliner Kunkkaustellung.

I.

Nun ist die Große Berliner Kunstausstellung seit drei Wochen fürs Publikum offen; es ist aber von ihr keinerlei sonderliche Er­regung ausgegangen. Man besucht sie, man wandert durch die Säle, allein man spricht nicht von ihr. Gelassen, wie sie gekommen, wird man sie scheiden sehen.

Jahren nicht vorwärts geschritten, und ist doch noch so jung! Leider fehlt unter den Berlinern der feinsinnige 2. v. Hofmann. Hans Hermann bringt, wie seit Jahren, seine geschickten holländischen Landschaften zu Markt, und Manchen dürften die lokalen Studien von Julius Jacob:" Goldfischteich" und" Jungfernbrücke in Berlin " intereffiren.

Naturgemäß wiegt in der Berliner Kunst das Porträt quanti­tativ schwer. Leider nicht qualitativ. Man sollte meinen, daß die zahlreichen Aufträge die Künstler mindestens zur Mannigfaltigkeit, wenn nicht zur Größe der Auffassung drängten. Aber da bleibt alles beim alten. Häufig glättende Schönmaleri, im besten Falle torrefte Ehrlichkeit, wie bei Soner oder dem fühlen Noster in seinem Bildniß des Kommerzienraths Krupp. Die unfehlbare Parlaghy hat ihr bekanntes Bild Miquel's wieder ausgestellt.

Sonst sind fáum irgendwo bei den Berlinern neue Ansätze wahr zunehmen. Anton v. Werner malt etwas wärmer, als er sonst pflegt, einen Kaiser Wilhelm auf dem Sterbelager"; im übrigen bleibt man recht und schlecht bei seiner Spezialität, ob man Meyer­heim heiße oder Karl Becker . Von Adolf Menzel , dem bedeutendsten stellung im Vorjahr den Glanzpunkt bildete, einen Sonntag Nach mittag".

Berliner , findet man garnichts, und von Liebermann , dessen Aus­

Also gewahrt man bei den Berlinern kaum irgendwo einen An­lauf zu wirklich großer, befreiender Kunst, auch ihr geistiges Maß ist nicht hoch. Am Ende könnte man noch den vielgenannten Senadfuß in Kassel zu den Berlinern rechnen. Eine große, trockene Illustration in Farben bringt er, das lehrhafte Geschichtsbild vom Nürnberger Burggrafen Friedrich IV. von Zollern, der vor Rom vom Kaiser Heinrich VII. den Ritterschlag erhält. Legt's zu den Anderen!

neuen

Es hat die schutzöllnerische Bewegung in der Ausstellungsfrage wieder einmal gesiegt. Man hat die internationale Künstlerschaft, fo gut es ging, ferngehalten, um den heimischen Markt nicht allzu sehr zu beeinträchtigen. Die Schußzöllnerei wird freilich nicht Unvergleichlich reicher an künstlerischer Individualität stellt sich viel helfen; denn den Lurus, sich Kunstwerke anzuschaffen, München dar, wie schon im Vorbericht erwähnt wurde. Die fann vornehmlich doch das bewegliche internationale Sezession hat wohl feine nur Bilder hierher gesandt. Kapital sich gönnen und das kann die internationalen Märkte eben Aber dem Berliner Publikum sind sie doch zumeist uns sehr bequem aufsuchen. bekannt. Bei den Münchenern findet man doch wieder einmal Die heftige Kampfstimmung, der man vor einer Reihe von ein größeres Thema angeschlagen, Der und Jener versucht im Porträt Jahren begegnen konnte, herrscht heute nirgends mehr vor. Man den besonderen Charakter des modernen Menschen zu ergründen, fagt wohl, daß die Berliner Jury diesmal sehr einseitig gegen die unter den Landschaftlern findet man reichere Mannigfaltigkeit; furz, Arbeiten neuerer Richtungen vorgegangen sei. Eine Berliner man fühlt, hier ist Bewegung, Wetteifer und vor allem nicht der Sezession, von der es jetzt wieder ruhiger geworden ist, wurde sogar tödtliche, selbstzufriedene Sinn, der über das einmal Erreichte nicht geplant. Allein selbst wenn die Jury so sehr parteiisch ge- mehr hinausstrebt. Es hat sich besonders Franz Stuck in dankens wesen wäre, ich glaube trotzdem nicht, daß der Eindruck werther Weise betheiligt. Gewiß, es liegt etwas Theatralisch­der Gesammtausstellung im Wesen verschoben worden wäre. Pathetisches in der Art, wie sich Stuck zu entwickeln scheint, aber das ,, Böse Gewissen" und das Verlorene Es sind offenbar auf beiden Seiten Kompromisse geschlossen Gemälde, wie worden. Um bei Das Bildniß des den üblichen Schlagworten zu bleiben, Paradies" find doch mit Wucht entworfen. die freilich nicht immer zutreffen: Es haben die Alten manches von Prinzregenten ist stolzer, repräsentativer nach Haltung und Gesichts­der neueren Technik aufgenommen, eine Bewegung, die schon vor ausdruck gedacht, als der bayerische Prinzregent sich öffentlich zu mehreren Jahren ihren Anfang nahm; und es haben die Jungen, geben pflegt.

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