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,, Das wollen wir durchaus nicht so schroff hinstellen, die] Hier und da wurde es auch schon laut, daß es mit der Sache wird wohl so liegen: der Gummischuhhändler pumpt Herrlichkeit bald zu Ende wäre; wer es aufgebracht hatte, noch und der Stiebelfrize thut's nicht mehr. Na! Sehen wußte man nicht, aber plötzlich durchschwirrte die Neuigkeit Sie! Haben wir's doch gleich. Adieu. Grüßen Sie Ihre das Zimmer. Keiner sprach sie eigentlich aus, und doch hörten Freundin von nebenan aus dem Schlächterladen, und sie sie alle. Sie legte sich wie ein Nebel schwer und lastend fagen Sie ihr, ich werde sie bald mal wieder abends be- auf die Gemüther, verdüsterte die Mienen, umflorte die Blicke. fuchen und ein Viertel Schinken kaufen. Was glaubten Sie Man begann, sich ungemüthlich in den Räumen zu fühlen, denn?" als wären sie Hotelzimmer, die man in wenigen Stunden Trotzdem es Lintrow sichtlich schwer wird, Luft zu be verlassen muß. Mehr und mehr verlor man das Gefühl der kommen, und er oft hustet, daß ihm die Augen ans den Zusammengehörigkeit, wie wenn man schon auseinandergeblasen Höhlen quellen, wird er immer lustiger und spöttischer. Er wäre. Der einzige, der vielleicht hierüber hätte hinwegtäuschen führt mit dem Doktor ein durchaus sachliches Gespräch über fönnen, war nicht mehr da. Spektralanalyse und schließt jeden Satz ganz ernsthaft mit den Worten: Meinen Sie nicht auch, Herr Kollega  ?" Als Lorenz sich eine mißliebige Kritik über das Können und Wissen

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( Fortsetzung folgt.)

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des Doktors erlaubt, weist er ihn einfach mit einem Bringen Große Berliner   Kunfaustellung.

Sie es erst einmal so weit im Leben wie der Mann, und dann reden Sie," zur Ruhe.

Aber plötzlich, mitten im Sak, bricht Lintrow ab, er war soeben dabei, die Blumensprache zu kommentiren:" Nelke Sehnsucht nach Ihnen verzehrt mir" beginnt am ganzen Körper zit zittern und bedeckt mit der Hand die Augen. ,, Na, Lintrowchen, wat hatte denn?" Jetzt.. ist.. es.. Bcit; jetzt.... muß ich... nach Hause."

Gehen Sie hinein zum Sekretär, entschuldigen Sie sich." Lintrow erhebt sich, um in das Nebenzimmer zu gehen, macht zwei Schritte, schwankt, taumelt und schlägt seitlich gegen das Regal, eine willenlose Masse. Bevor er vollends zu Boden gleitet, gelingt es dem alten Klüwer, ihn unter die Arme zu fassen und aufzurichten.

Na, Lintrowchen, nur Muth, das ist ja nicht so schlimm", er streichelt ihn wie ein Kind.

Ja, ja... mir ist... auch... schon... besser." ,, Herr Lintrow ist wohl besoffen?" fragt Hubert, der sich freut, einmal einen Genossen zu finden.

" So... nüchtern... wie... Sie... nie bisher

waren."

" Halten Sie Ihren Mund, Sie Dummkopf!" fährt der Alte den jungen Menschen an, daß er sich ganz scheu zurück zieht und nicht ein Wort zu erwidern wagt.

Der Sekretär, der wohl den Lärm gehört hat, hinzu.

kommt

,, Bitte, Herr Lintrow, wenn Ihnen nicht wohl ist. gehen Sie nur nach Hause, hoffentlich können Sie aber Ihre Arbeit bald wieder aufnehmen."

Wir bringen ihn hinaus. Einer hat inzwischen Droschke geholt und sie schon aus seiner Tasche bezahlt. Alte hebt Lintrow in den Wagen.

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eine Der

Als wir wieder hereinkommen, fragt Lorenz: Meinen Sie, Herr Klüwer, daß er bald wieder kommt?" Der eisgraue Heilige legt seine Hand an den Bart und sieht den kleinen Banquier lange und traurig mit seinen großen, grauen Augen an.

Den haben wir heute zum letzten Mal gesehen, Lorenz. der kommt nicht wieder. Schade.." und nach einer Weile, Herr Hoffburg. bringen Sie mir noch eine Flasche, aber bitte, nicht so falt, wie die vorige."

Glauben Sie, Herr Kluwer, daß die Beschäftigung hier noch lange dauert? Jch.."

Lange? Doch höchstens noch zwei Wochen. Ich habe schon eine neue Stellung als erster Buchhalter in einem Zuch geschäft zum Ersten; vielleicht kann ich sie auch noch früher

antreten."

Lorenz hat sich verfärbt und schaut einen Augenblick sehr bekümmert darein, aber schon hat er den richtigen Ausweg gefunden.

Das freut mich, Herr Klüwer, ich habe auch gestern definitiven Bescheid erhalten, ich trete am Ersten einen sehr

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gut dotirten Posten als Disponent in einem ganz großen hiesigen Bankhaus an, ich hatte ja diese Bureauarbeit so wie so nur provisorisch angenommen, bis sich etwas Besseres

böte."

22. Mai.

Am nächsten Tage fehlte Lintrow. Es war wohl niemand, dem er nicht einmal etwas am Zeuge geflickt hätte, niemand, dem er nicht bei günstiger Gelegenheit eine kleine, aber bittere Bille zu schlucken gegeben, und doch vermißten sie ihn heute alle. Mit seinem Weggang war es merkwürdig still geworden. Kluwer, welcher in ihm seinen besten Partner verloren hatte, erschien ohne Gegenspiel ärmlich und eintönig.

II.

Bon der Kolonie der Worpsweder( bei Bremen  ) war schon vor zwei Jahren hier die Rede. Die Flucht zur Natur", die so charakteristisch für die moderne, intime Landschaftsmalerei ist, hat von Zeit immer einzelne Gruppen bewogen, sich, fern vom Lärm des Tages, in einem stillen Erdenwinkel niederzulassen und in die Einsamkeit gleichsam zu vergraben. Jean Jacques Rousseau   schon predigte die Rückkehr zur Natur, zur Einfachheit des Landlebens, als seine Gesellschaft fich in unbefriedigter Sehnsucht verzehrte. Was dem weltmännischen Voltaire, der bereits neue Jdeale von Geistesfreiheit aufdämmern sah, zu dem bösartigen Wigworte verführte: Er fühle schon, wie er wieder auf allen Vieren zu gehen lerne.

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In der Gegenwart giebt es wohl kaum ein eindringlicheres Beispiel dieser Flucht zur Natur, als die Vereinigung der Worps weder. Fast völlig abgeschlossen, eins mit der Landschaft und dem bäuerlichen Leben, geben sich die Worpsweder   auf ihrem nieder­deutschen Boden der intimsten Naturbetrachtung hin. Solche Liebe hat ihre Vorzüge, die Bilder der Worpsweder   sind ehrlich gesehen, warm und wacker ausgeführt. Aber am Ende rächt sich jede Bedürfnißlosigkeit in tünstlerischen Dingen. ES ift ja schön zu sagen: wir verzichten auf alle geistreiche Kunst. Wir bringen ohne Naturausschnitt ohne Künstelei, Tiftelei. Solches Verweben und Verwachsen mit einer bestimmten Landschaft hat zit Zeiten, wenn die Kunst völlig in akademische Konvention überging, revolutionirend gewirkt. Allein für die Dauer führt es trotz allem zur Spezialität, wenn auch zur feinsten, zarten Spezialität. Die einzelnen Sünstlerpersönlichkeiten bekommen einen zu deutlichen Zug von Familienähnlichkeit; und die befruchtende deenfülle bleibt ans. In den Tagen der naturalistischen Herrschaft pflegt zwar stets ein heftiger Kampf gegen die sogenannte Ideen fülle" zu entbrennen. Der gleichgiltigste Kohlacker jei für die Kunst dasselbe wie ein Märchenparadies. Aber man kann doch nicht Kohl­acer um Kohlacker malen, das verfeinerte Temperament wird der geistig- ideellen Anregungen nicht entbehren können. Man kann sich nicht in Einsamkeit vergraben und sich losreißen von der Welt, die uns umgiebt, und von ihren mannigfaltigen Bestrebungen.

Die Worpsweder sind nicht als Gruppe zu uns gekommen. Es find mur wenige Bilder da, von Vogeler und von Madensen. Schon versucht es Mackensen, den Menschen und nicht blos die Landschaft zu schildern. Ans Genrebild reicht seine trauernde Familie. Mit der Anekdoten- und Novellenmalerei hat die naturalistische Beriode wohl nicht völlig aufgeräumt, aber diese Sächelchen, die häufig glatt polirt oder gruselig vorgetragen waren, drängen sich selbst auf mittelmäßigen Ausstellungen, wie der diesjährigen in Berlin  , nicht entfernt mehr so vor, wie in früheren Zeiten. Noch drängt sich um solche Geschichtchen mitunter eine funstfremde Menge, die zunächst fragt: Was stellt das vor? Als ob der Künstler zu plaudern und nicht vielmehr anschaulich darzustellen

hätte!

Von der Iceren Anekdotenmalerei fuchen sich im allgemeinen auch die genrehaften Gemälde, die wieder zahlreicher werden, fern­zuhalten. Ein farbiger Vorgang, eine bewegte Stimmung, nicht die Lust am Fabuliren reizt die Künstler. Bei den Düsseldorfern, deren Kunst trotz Sezession seit Jahren schon einen beschaulichen, man möchte fast fagen, quietistischen Eindruck hinterläßt, fand das Genre immer viel Anklang. Trauererfüllte Vorgänge wählen ihre Besten gerne, wie Arthur Kampf  ( Abschied"). Oito Heichert pflegt diese Vorgänge noch mit lebhaftem Nachdrnd zu begleiten.

Es würde zu weit führen, die Einzelheiten der Reihe nach auf= zählen und es gäbe nur eine Namenliſte. Es sind eben der charakteristischen Erscheinungen nicht allzuviele bei den Düsseldorfern, wie in der gesammten Ausstellung.

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Der erste Mann unter den Düsseldorfern, Eduard v. Geb­hardt, fand mit seinem Elias" einen Platz im Ehrensaal". Wenn's nach der Masse ginge, müßte man meinen, die religiöse Malerei sei wieder neu belebt. Und doch reicht an Innigkeit faum eins der vielen Werke an Gebhardt's Arbeit heran. Meist sind es Umschreibungen für Idyllen, genrehafte Vorgänge, allein die feurige Empfindung fehlt. Der Münchener Uhde ist diesmal nicht erschienen. Manches dieser religiösen Bilder ist ganz zart aufgefaßt, wie die Bauernmadonna" des Wieners Goly. Aber ein Zug von Süßlich­teit schleicht sich hinein. Weiche Zartheit ist überhaupt für die wenigen Bilder der Wiener   Schule bezeichnend. Man sehe die Mährische

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