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brücken lagen, die dicken Stadtmauern. Eine zweite Reihe Es war schräge roth und weiß gestreift und wies im Herzgethürmter Thore erhob sich weiter rückwärts in dem ehe- schilde eine rothe Burg mit zwei Thürmen. In den engen maligen Zuge der älteren Stadtmauer , hinter der das Gassen und auf den Plätzen der inneren Stadt wimmelte es eigentliche Herz von Rothenburg schlug. Denn hier lagen wie in einem Ameisenhausen. Vom Stadtadel bemerkte man um das doppeltgestirnte Rathhaus, dessen schivanker Thurm nur wenige darunter. Sie waren sogleich erkennbar, denn die alle anderen hoch überragte, die stattlichen, meistens mit einem streng überwachte Kleiderordnung unterschied sie auch hohen spizen Giebel gekrönten Steinhäuser der Rothenburger äußerlich von der bürgerlichen Klasse und dem Landvolk, Patrizier oder Geschlechter. Verstärkt wurde noch der Schuh deren Frauen und Töchter durch die grellfarbenen Röcke der Stadt durch den sogenannten Bauerngraben, der, im Osten und Mieder aus der eintönig dunkeln Menge hervorleuchteten. an der Tauber beginnend, das Gebiet von Rothenburg auf Unter dem ,, mühselig Volk der Bauern", das sich die Gelegenzwanzig Stunden hin umgab. Dahinter starrte eine undurch- heit nicht entgehen ließ, um sein erbärmliches Loos auf ein dringliche Dornhecke und an den Durchlässen für die Landstraßen paar Stunden wenigstens zu vergessen, trugen die Männer ragten starke Thürme, die mit guten Büchsen bewehrt waren. des Rothenburger Gebietes als Festzier das Schwert an der Noch war der Siegfried nicht geboren, der dieser Brun- Hüfte. Das Geläute der Glocken rief zunächst nach den hilde den Gürtel gelöst hätte. Dagegen hatte Rothenburg's Kapellen und Kirchen, deren die Stadt für ihre 6000 Seelen waffentüchtige Bürger- und Bauernschaft in den zahlreichen allzu viele besaß. Der Hauptstrom aber zog sich nach dem Fehden mit dem habgierigen Landadel manche Burg gebrochen Münster von St. Jakob, einem Schmuckstück des gothischen und vollends furzen Prozeß mit jenen Edelleuten gemacht, Stiles, das nördlich vom Rathhause die zierlich durchbrochenen die im Steigbügel lebten und den Straßenraub für ein adelig Steinpyramiden seiner beiden schlanken Thürme in den Nebel Gewerbe erachteten. Der düstere Faulthurm in der südöst- bohrte. Denn dort predigte Doktor Johann Deutschlin trot lichen Ringmauer war manchem Sporenträger zur unheim dem Rathe, welcher der Reformation nichts weniger als hold lichen Herberge geworden. Unter den Raben, die ihn um war, den neuen Glauben. flatterten, mochten noch einige Patriarchen leben, die von den Ulmen vor dem Galgenthor, jetzt das würzburgische geheißen, ihr schauerliches Gefräch ze erhoben hatten, als auf dem Rappen dort, dem Rabenstein, im Jahre 1441 dem ritterlichen Straßenräuber Wilhelm v. Elm sammt seinen adeligen Spieß gesellen die Köpfe vor die Füße gelegt wurden. Ihr Raubnest, das nahe bei Giebelstadt gelegene Schloß Ingolstadt , hatten die Rothenburger erobert und zerstört.
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Nur fünf Jahre war es her, seit er, damals noch im römischen Glauben wurzelnd, durch die Macht seiner Beredsamkeit die Bevölkerung Rothenburgs derartig gegen die Juden erregt hatte, daß deren Häuser und die Synagoge gestürmt und geplündert und die Kinder Israels aus der Stadt vertrieben wurden. Die Synagoge hatte er zu einer Stapelle der heiligen Jungfrau geweiht, die er heute ein Grasmaidlein schalt. Im gleichen Sinne mit ihm wirkten Kaspar Christan, der Kommenthur des Deutschordens, der auch in Rothenburg , nahe dem Münster ein Haus besaß, sowie der blinde Franziskanermönch Hans Schmid, genannt der Fuchs.
Der Wormser Landfrieden, den noch der unlängst verstorbene Kaiser Marimilian aufgerichtet, hatte dem Unwesen mächtig gesteuert, wenn es ihm auch nicht gelungen war, dem Die drei Schiffe des Münsters vermochten die Menge wüsten Fehde, Faust- und Raubrecht ein völliges Ende zu machen. Es gab noch immer adelige Schnapphähne, und der nicht zu fassen, welche den unerschrockenen Reformator hören harte Druck, den die Herren in den Burgen, Klöstern und wollte. Auch auf dem Kirchhofe, der damals noch nicht vor Städten auf ihre Unterthanen ausübten, Leibeigenschaft und das Röderthor im Osten verlegt war, standen die Menschen Zunftzwang schafften, daß die Landstraßen nicht leer wurden dicht beisammen zwischen den Gräbern und Leichensteinen. von friedlosen Leuten. Bedenklicher jedoch als diese öffent Letteres deutete, wie die sichtliche Spannung in den Mienen liche Unsicherheit war für die freien Reichsstädte die auf darauf hin, daß etwas Außerordentliches im Werke sein mußte. schwellende Gewalt der Fürsten . Aus diesen Gründen hielt So war es auch. Denn Doktor Deutschlin segnete, nachdem er denn auch Rothenburg , an dessen Grenzen der branden vor dem in Kerzenglanz strahlenden Hauptaltar die Messe in burgische von Markgraf Kasimir Ansbach Bayreuth . deutscher Sprache gelesen, den Ehebund eines katholisch gedie Grafen von Hohenlohe und der Bischof von weihten Geistlichen ein. Der Deutsch - Ordenspriester Melchior Würzburg horfteten, seine Mauern, Wehr und Waffen verheirathete sich mit der Schwester des blinden Mönchs. Nun erbraufte die Orgel, und auf den Thürmen begannen in gutem Stand, Wächter auf den Thürmen und Wachen an den Thoren. Außerdem ritt der Weinschreier, so genannt, die sechs abgestimmten Glocken ein harmonisches Geläute. weil ihm tags das Ausrufen des zu verkaufenden Weines Die bedeutsame That war vollbracht. Die Leute auf dem. oblag, nächtens von Thor zu Thor und erstattete dem obersten Friedhofe geriethen in Bewegung und drängten dem MenschenHauptmann, der über die in sechs Wachen getheilte Bürger- strom entgegen, der langjam dem Südportal entquoll, das schaft gesezt war, Bericht. Man lebte in einem Frieden voll von einer Wenge Bettler, von Lahmen, Blinden, Bresthaften Mißtrauen. und Elenden jeglicher Art umlagert war. Während Bekannte Heute, als am Dreitönigstage, waren sämmtliche Thor einander suchten und fanden und die Herauskommenden wachen verstärkt, um fleißig Acht zu haben, daß unter den von den draußen Wartenden neugierig befragt wurden, Schaaren von Bettlern, den fahrenden Leuten aller Art und stand unter den letzteren einer wie träumend da und schien den Bauern aus den Dörfern weit und breit, die schon mit dem das erregte Stimmengewirr nicht zu vernehmen. Der Traum frühesten Morgen zur Stadt strömten, kein verdächtiges Gesindel aber mochte kein heiterer sein; denn seine blauen Augen Es war ein junger sich einschleiche. Nach dem Volkskalender begann erst mit schauten schwermüthig in sich hinein. Heiligedreifönig das neue Jahr. Der sechste Januar beschloß Mensch, auf dessen furzer Oberlippe das erste Bärtchen Dickes Blondhaar, das im Nacken rund verdie mit der Wintersonnenwende anhebenden heiligen zwölf flaumte. Nächte, in denen einst die heidnischen Götter ihren Umzug schnitten war, quoll unter seiner schmucklosen Filzkappe Ein dunkelblauer Rock von grobem Tuch reichte durch die deutschen Gaue gehalten hatten. Die Kirche hatte hervor. bis die Kniee, und darunter trug gegen zwar die Götter in böse Geister verwandeln, aber nicht die ihm Erinnerungen an jene im Volfe vernichten können. Es ver graue Strumpfhosen, die in ungeschwärzten Halbstiefeln ehrte gläubig die brei Könige aus dem Morgenlande, die nach endigten. Das auf dem Rücken faltige Wams wurde von Bethlehem zogen; aber immer noch hörte es in den zwölf einem ledernen Gürtel zusammengehalten, an dem eine Tasche Nächten Wodan mit seiner wilden Jagd durch die Lüfte tosen. und ein auffallend langer Korbdegen hingen. Der Rath hatte Noch immer schritt Perechta, die leuchtende Göttermutter, gut, gegen solch' lange Klingen zu eifern und deren Maß vorzuobgleich von den christlichen Priestern ins Grausige entstellt, schreiben, feine Strafmandate waren ohnmächtig gegen den im weißen Linnengewande durch die Dörfer und sah nach, ob Brauch, der unter den Handwerksgesellen herrschte. Der junge die Mägde den Winterflächs sauber aufgesponnen hatten, be blonde Mensch war seines Zeichens ein Goldschmied. Ein lohnte die fleißigen und strafte die trägen. Der altheidnischen derber Schlag auf die Achsel entriß ihn seinem Sinnen, und Göttermutter, der Urquelle alles Lebens, galt das Opfer der eine luftige Stimme rief: Endlich! Hab' schon gemeint, daß Familienhäupter, die in der Dreifönigsnacht mit Kohlenpfannen, Du wieder der Himmel weiß wo steckst." Den blonden Gedarauf sie heilige Kräuter streuten, durch Stuben und Ställe sellen, der sich mit aufblizenden Augen umwandte, lachte das räucherten, um die bösen Geister zu verscheuchen. Der Winter breite Gesicht des Tuchscheerers Kaspar Etschlich an, der an mit seinen Arbeiten und Leiden war überstanden und mit seiner freien Hand eine schmucke Dirne hielt, zu der er fortden heiligen drei Königen zogen das Licht, die Freude, der fuhr: Schau, Räthelein, das ist mein bester Freund auf der Welt, der Hans Lautner, von dem ich Dir schon erzählt Frühling ein.
Zu Ehren der heiligen drei Könige flatterte denn auch von hab'." der zierlichen Gallerie des Nathhausthurms das Stadtbanner.
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( ortfegung folgt.)
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