Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 109.

5]

Dienstag, den 7. Juni.

( Nachdruck verboten.)

Um die Freiheit. Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525.

Von Robert Schweichel  .

1898

der seinen Becher zum Munde führte, um seine Verlegenheit zu berbergen. Wozu soll ich mir graue Haare vor der Zeit wachsen lassen?"

"

fich eilig, als scheute er die Scherze des jungen Tuchscheerers.

Der Wirth brachte Kraut und Würzwein und entfernte

Räthe ließ es sich schmecken, der alte Buchwalder sah nach­Er hatte diese Worte vorzugsweise an Lautner gerichtet, denklich auf ihre Schüssel, strich sich über die gefurchte Stirn der ihm mit Kaspar gegenübersaß, während Käthe an seine und flüsterte:" Es ist eine gar schlechte und kostspielige Zeit Seite sich gesetzt hatte. Hans schien seine Theilnahme zu er- worden. Wie ich ein Knab' noch war, dazumalen hat man regen. Der junge Goldschmied konnte ihm jedoch teine Aus bei uns Bauern ganz anders geffen als jezund. Und erst zu kunft geben, da die Kirche bereits so voll gewesen, daß er meines Vaters Jugend! Da waren jeden Tag Fleisch und nicht mehr hatte hineinkönnen. Statt seiner berichtete Käthe Speisen im Ueberfluß, und auf den Kirmessen, den Hoch­mit großer Lebhaftigkeit. Sie hatte genau acht gegeben. zeiten und Taufen da barsten die Tische von allem, Und von dem Gelübde hat er geredet, daß die Geistlichen was sie tragen mußten. Da suff man Wein als nicht heirathen dürften. Das ist eine Gotteslästerung, hat er ob's Wasser war, da fraß man in sich und nahm mit, gesagt; denn es ist wider die Natur, da doch Gott   so viel einer wollte. Denn da war Reichthum und Ueberfluß. das Weib dem Mann zur Gesellin geschaffen hat. Jetzt ist die Nahrung selbst der Vermögenden unter uns fast Die Ehelosigkeit der Geistlichen, hat er gesagt, ist viel schlechter, als vordem die der Taglöhner und Knechte." die Verführung zur Buhlerei, Ehebruch und allen Lastern. Und von den heiligen drei Königen hat er erzählt, wie die Geschenke, die sie dem Jesuskindlein dargebracht haben, von den Pfaffen sind zu Kirchenopfern, Viehsteuer und Zehnten gemacht worden, und daß die keiner zu geben verpflichtet ist." Das Wort lob' ich mir; das soll wahr werden", rief Leonhard Mehler aus Brettheim mit einer ingrimmigen Freude. " Ja", bemerkte Jörg Buchwalder, der Damm, wo die Pfaffheit aufgericht't hat, hält nicht mehr dicht, überall sickert's durch. Und das Loch gar, was der Luther   gerissen hat! Die Herren werden es nimmermehr zuftopfen."

"

Gabriel Langenberger brachte für Kaspar eine Kanne Bein und zwei hölzerne Becher, und der Dorfmeister bestellte für Käthe ein Kraut und eine halbe Würzwein, hinzufügend: Heut' langt's noch. Uebers Jahr haben sie uns auch wohl den letzten Heller abgepreßt, und der Teufel ist Zahlmeister." Ne, Dorfmeister, mit dem bleibt mir vom Leib", hüftelte Langenberger und schlug ein Kreuz. Die anderen lachten.

Kaspar Etschlich hatte unterdessen Hans und sich ein­geschenkt. Jet rief er ausspuckend, nachdem er gekostet hatte:" Ist das ein Säuerling! Höre, Langenberger, ich wollte, daß Du ein Amt hättest! Dann wüßte jeder, was Du werth bist."

Wie so denn?" fragte der Wirth mit umherflatternden Augen.

Ei, ist Dir unser fränkisch Sprüchwort nicht bekannt und bist doch im Wildbad   da unten ans Licht der Welt gekrochen?" bersezte Kaspar. Ist ein gut und wahr Sprüchlein, lose: Es ist kein Amt so klein, es ist henkenswerth."

Bist Du aber spaßig!" mederte Langenberger und ent­wischte nach dem Schankverschlag.i

Die Anderen lachten, Jörg Buchwalder aber machte ein ernstes Gesicht und warnte den kecken Burschen:" Wer eine Lose Zunge hat, dem fällt fie gar leicht vor die Füße. Weißt Du denn nicht, daß jeder Bürger bei seinem Eid gehalten ist, es dem Rath anzuzeigen, so er Uebeles von der Oberkeit sprechen hört?"

Kaspar entgegnete jedoch gleichmüthig: Wenn die Bürger dem nachleben wollten, dann hätten sie alle Füße voll zu thun. Von wegen solcher Kleinigkeit setzt der Langenberger seine Kundschaft nicht aufs Spiel, so wenig ich ihm trau'. Er lebt ja von den Bürgern, und die Geschlechter machen ihnen wenig Lust, ihnen gefällig zu sein. Haben just auf dem Markt ein sauber Stüdlein von ihnen mit angeschaut."

,, Ach ja, wie die übermüthig sind, das ist nit zu sagen," rief Räthe, die in Erwartung des Krautes ein Stück Weiß­brot, ein Klöpfel, das Kaspar ihr berehrt, aus der Tasche gezogen hatte, und daran knusperte. Sie erzählte von den Reitern.

Simon und seine Freunde machten finstere Gesichter. Hans schaute in seinen Becher.

Nu, ists nicht eine große Ehre für uns, von den für nehmen Pferden zertreten zu werden?" rief Kaspar mit einem scharfen Lachen.

Du mußt über alles Deinen Spaß haben," zürnte Räthe. Dein Freund hat gleich nach dem Schwert gegriffen."

"

Um so wüster schlemmen und prassen die Herrenleute," rief Leonhard Megler, der Weinbauer, mit gerunzelter Stirn. Und wir, die wir uns für sie schaben und schinden müssen, haben kaum das Leben. Mancher muß froh sein, wenn er täglich ein Stück trocken Brot hat, und mancher ist's schon, wenn er es nur am Sonntag hat. Fleisch? Wer kann's noch erschwingen, seitdem der Rath die Klauensteuer aufgelegt hat. Und dazu jezt die Bed, die Getränkesteuer, die uns Wein­bauern sammt und sonders zu grunde richtet! Der Etschlich schimpft auf dem Langenberger feinen Säuerling, übers Jahr wird er ihn mit Gold aufwiegen müssen."

"

Was hilft es uns," grollte Simon Neuffer, daß wir unsere Schriften von alten Zeiten haben, wo alles ist auf­geschrieben, was wir zu leisten schuldig find an Steuern, Binfen und Frohnden? Es achtet's teiner, weder die weltlichen noch die geistlichen Herren. Wollen wir klagen wegen der ungerechten Beschwerden, wo finden wir Gerechtigkeit? Denn diejenigen, so wir verklagen, sind zugleich unsere Richter. Und jegt das neue Recht, das ist vollends des Teufels! Außer den Advokaten kennt sich keiner darin aus, und die machen Schwarz aus Weiß und Weiß aus Schwarz. Aus Recht wird Unrecht, und uns foster's Haus und Hof."

Der Last wird allzuschwer!" seufzte Jörg Buchwalder, und der Dorfmeister rief mit blizenden Augen:" Darum müssen wir ein Fürsehen haben, lieben Freunde, che daß sic uns auch das letzte Tröpflein Mark aus den Knochen pressen. Meines Meinens bedeutete der Stern mit dem feurigen Schweif, wo im August zu sehen war, nicht blos ein gut Weinjahr, was ja eingetroffen ist. Er stellet wohl den Besen für, der die Raupennester der Ritter und Pfaffen, die Klöster und Burgen ins Feuer fehren wird."

Ein Besen, aber keine Hand, die ihn führt," sagte Buch­walder mit gedämpfter Stimme. Wir werden zu Grund gehen, wie schon vor etlichen Jahren ist geweissagt worden: Wer im 1523sten Jahr nicht stirbt, 1524 nicht in Wasser ver­dirbt und 1525 nicht wird erschlagen, der darf wohl von Wundern sagen."

Hans Lautner, der bisher mit schweigender Aufmerksamkeit zugehört hatte, schöpfte tief Athem und sagte mit höher gerötheten Wangen: Mit Verlaub, wenn ich ein Wörtlein reden darf: Meine Ahne hat zwei Ringe um den Mond geschaut, und in dem Mond stand ein Kreuz. Das bedeutet, sagt sie, daß über ein kleines das Kreuz von uns genommen werden wird. Denn sagt sic, die Zeit ist nahe, wo die Welt erneuert und die Gottlosen mit dem Schwerte   von der Erde gethan werden sollen."

"

So ist's recht," rief der Dorfmeister, ergriff seinen Holz­becher und leerte ihn auf einen Zug.

Jörg Buchwalder schüttelte den ergrauenden Kopf und meinte bedächtig: Wer nur daran glauben könnte!"

Das könnet Ihr gewiß," versette Hans eifrig. Die Ahne versteht mehr als andere Frauen, und daheim weiß jeder, daß allemal eintrifft, was sie vorhersagt."

"

Und wer ist Deine Ahne?" fragte Käthe neugierig. " Das ist die schwarze Hofmännin zu Böckingen   bei Heil­ bronn  ." In diesem Augenblicke betrat ein Bauer die Schänkstube, sich unter der Thür bücken mußte, so groß war er, der Dorfmeister rief:" Der lange Lienhart!" Dieser

Ließ es aber doch weislich stecken," neckte sie der der Vetter und warf dabei einen verschmitten Blick auf Hans, lund