Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 113.
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Sonntag, den 12. Juni.
( Nachdruck verboten.)
Um die Freiheit.
1898
so hatte auch Kilian Etschlich gleich manchem anderen des Glaubens sich getröstet, daß Joas ein sicherer Mann sei. Noch am Morgen seines Todes hatte er mit Stilian abgerechnet, Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. das heißt, er hatte seine Schulden bei ihm auf hundert Gulden abgerundet und war dann fröhlich zur Herren- TrintVon Robert Schweichel. stube gewandert. Aber das Oberhaupt der Familie weigerte Da lachten einige von den Ehrbaren laut auf; andere sich, die Schulden des Erschlagenen zu bezahlen. Der riefen zornig: Schadenersatz von der Stadt? Reitet sie der Alte war nicht nur geizig, sondern sondern spielte sich auch Teufel? Schickt sie zu den Junkern; die müssen zahlen." auf den Cato hinaus, und als der Tuchscheerer klagte, Es ist dessen kein Zweifel, daß die Junker für den rief er die Moral zur Hilfe. Die Verderbniß der Jugend, Schaden zu haften haben," sprach der erste Bürgermeister. Aber über die man allgemein flage, so machte er geltend, habe die Leute haben sich mit Fug an den Rath gewendet. Im ihren Grund lediglich in der Liebedienerei des Bürgerthums, Vertrauen auf den gebotenen Frieden sind sie nach Rothen- welche der Leichtfertigkeit unbedenklich Kredit gewähre. Was burg gekommen und haben auch den Marktgroschen erlegt aus dem Gemeinwohl, was aus dem Staate werden solle, zur Ausübung ihres Gewerbes. Ein wohlweiser Rath wird wenn die Obrigkeit ruhig zusehe, daß die Jugend, die doch mit mir einverstanden sein, daß wir ihre Ansprüche prüfen eines Tages an der Väter Stelle zum Regiment gelange, lassen und demgemäß entscheiden. Dem Narren aber mögen also verderbt würde? Der Quell des Uebels müßte verstopft, wir für die ausgestandene Angst sogleich einen Viertelgulden ein Beispiel aufgestellt werden. Der Kläger müßte daher mit aus der Stadtkasse zubilligen. Da es nun erwiesen ist, daß seiner Forderung nicht nur abgewiesen, sondern obendrein die Junker von Rosenberg und Finsterlohr . den gebotenen als Verführer der Jugend und Verderber der guten Sitten Frieden der Stadt gebrochen haben, so dünket mich billig, daß mit Strafe belegt werden. Der Rath schloß sich jedem von ihnen eine Pön von fünf Gulden auferlegt werde diesen Gründen an; denn es lag ihm daran, zwischen dem und außerdem die Stadt sich an ihnen des Schadens erhole einflußreichen Geschlecht der Trüb und dem der Wernizer und der Kosten, so ihr aus dem gestrigen Tumult erwachsen eine Aussöhnung zu stande zu bringen, sollte das Patriziat sind und etwa noch erwachsen werden." nicht in zwei feindliche Parteien gespalten werden. Die Wernizer ihrerseits drangen ungestüm auf die Begnadigung des Todtschlägers, der entflohen und auf zwanzig Meilen Wegs verbannt war. Was wog unter solchen Umständen das Recht eines Handwerksmeisters? Kilian Etschlich erstritt zwar von dem Reichstammergericht in Nürnberg einen günstigen Spruch, allein auf dessen Vollstreckung durch den Rath wartete er noch zur Stunde vergebens, während dem Georg Wernizer für eine Summe, die er an das Spital zum heiligen Geiste gezahlt, die Thore der Vaterstadt längst wieder sich erschlossen hatten.
Ein Murmeln der Zustimmung lief um den grünen Tisch, und der Stadtrichter wurde beauftragt, von den Klägern eine schriftliche Angabe ihres Schadens einzufordern. Der jungen Patrizier, die mit den Junkern gemeinsame Sache gemacht hatten, geschah mit keiner Silbe Erwähnung.
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Konrad Eberhard aber bemerkte falt: So einig ein Rath in der Sache selbst ist, so einig ist er wohl auch in der Ueberzeugung, daß die Junker auf Haltenbergstedten und auf Laudenbach weder Schadenersatz noch Strafe leisten werden. Bin daher der Meinung, daß wir übel thaten, sie entreiten zu lassen. Auf handhafter That ergriffen, unterstanden sie der Stadt Gerichtsbarkeit. Der Rath hat das verbriefte Recht, jeden bösen Mann, so sich in die geistlichen Häuser, Klöster und Kirchen flüchtet, von dort wegholen zu Lassen, selbst vom Altar."
Herr Erasmus neigte bestätigend sein Haupt. Dieses Recht stehet Rothenburg vertragsmäßig zu. Aber, lieber Herr Kollega , wenn wir in diesem Falle von ihm Gebrauch gemacht hätten, würde es nicht geheißen haben, daß wir der Kezeret Vorschub leisten, wo es Noth thut, den heiligen Glauben zu stüßen? Das Ansehen der frommen Frauen würde im Volte schwerlich dadurch gewonnen haben, und es kann nicht unseres Amtes sein hier streiften seine Blicke den Altbürgermeister Wasser auf fremde Mühlen zu leiten. Ich denke, daß die Junter zahlen werden; denn sie werden sich die Stadt nicht just zu den Faschingsluftbarkeiten verschließen wollen, was wir ja sehr bedauern würden. Sollte ich mich täuschen, nun, so bleibt uns ja noch die Berufung an das Reichs- Kammergericht."
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" Das Reichs- Kammergericht!" zuckte der Altbürgermeister Ehrenfried Kumpf empor. Er bezwang sich jedoch und fuhr mit äußerer Ruhe fort:„ Es freut mich, daß der Rath dem Buchführer und Seilschwimmer gerecht worden ist. Destomehr darf ich der Hoffnung leben, daß er einem eingesessenen Bürger dieser Stadt endlich zu seinem durch des Kaisers Gericht bestätigten Rechte verhelfen werde."
Die Rathsherren sahen einander verwundert an. Wen konnte er meinen?
" Ich spreche von Kilian Etschlich, dem Tuchscheerer," flärte Herr Ehrenfried.
Erasmus von Muslor ermahnte den Altbürgermeister feierlich, die Todten ruhen zu lassen. Dazu war dieser mit nichten bereit und er erwiderte, indem er seine hagere Gestalt streckte:" Todt ist das Recht; das Unrecht schreitet durch die Gassen. Wie mögen wir auf die Liebe, den Gehorsam, die Treue der Bürgerschaft zählen, wenn wir ihr den Glauben an die Gerechtigkeit des Rathes nehmen?"
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Nun schrien alle gegen ihn. Georg von Bermeter suchte vermitteln; es hörte aber keiner auf ihn.
,, Was schiert uns die Bürgerschaft?" rief der Rathsherr von Winterbach .„ Was der Kaiser in Hispanien? Hier ist Rothenburg und wir sind die Herren." Krachend hieb er mit der Faust auf den Tisch.
Was uns der Kaiser angeht?" fragte Herr Ehrenfried mit blizenden Augen.„ Ei, Ihr Herren, sehnet Ihr Euch so sehr darnach, daß der Ansbach - Bayreuther unsere freie Stadt übertomme? Der Markgraf Kasimir paßt nur auf die Gelegenheit."
Schäße, daß unsere Mauern härter sind als sein brandenburgischer Schädel," schnob der Nathsherr von Seyboth verächtlich.
" Ja, so lange die Bürgerschaft zu den Geschlechtern steht," warnte Ehrenfried Kumpf.
Ein fast allgemeines Hohngelächter war die Antwort. Der erste Bürgermeister versicherte kurz und nachdrücklich:„ Das thut sie." Ja, das thut sie," krähte der kleine Rathsherr von Hipler ihm nach. Auch dann noch," fragte Herr Ehrenfried uneingeschüchtert, ,, wann sie durch Eure Ungerechtigkeit daran erinnert wird, er- daß sie ein verbrieftes Recht auf die Mitregierung der Stadt hat?" Da erhob sich ein Murren unter den Herren, und der Das traf die Herren wie ein Keulenschlag. Der zweite erste Bürgermeister richtete Stopf und Oberleib steif auf. Es Bürgermeister fuhr jedoch mit seiner harten Stimme rasch kannte Jeder den Handel. Zehn Jahre waren es her, da hinein: Was streiten wir? Die Sache ist lang vor uns hatte Georg von Wernizer, der jezige Schultheiß von Endsee, durch Rathsschluß abgethan. Wir haben nichts mit ihr zu auf der Herren- Trinkstube seinen Vetter Joas Trüb beim schaffen." Spiel erstochen. Joas Trüb hatte gleich der Mehr- Was? was? was?" entgegnete der Altbürgermeister zahl der jungen Patrizier seinen wilden Hafer mit hißig. Ein solcher Schluß ist nie gefaßt worden, konnte nie bollen Händen ausgefäet. Darüber mit seiner Familie gefaßt werden. Wo hätte ein Rath das Recht, einen Entzerfallen, hatte er geborgt, 100 immer nur sein scheid des Reichskammergerichts aufzuheben? Vetterschaftslustig Wesen ihm die Beutel geöffnet. Die Trüb gehörten rücksichten haben das Urtheil von der Rathstafel verschwinden nächst den Wernizer zu den ältesten Familien der Stadt, und lassen, ja Vetterschaftsrücksichten!"
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