MnterHaltungsblatt des Vorwärts Nr. 122. Freitag, den 24. Juni. 1898 (Nachdruck verboten.) Zltn die Fvviheit. Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. Von Robert Schweichel  . Ich bin kein Gewaltmensch." widersprach jener.Wie aber nennet Jhr's, Herr Altbürgermeister, daß der Doktor im Elend umirren muß von wegen seinem Glauben? Ist das auch Rechtens, daß einer deswegen verfolgt wird? Der lateinische Schulmeister hat mir alles erzählt. Mein Weib Gott Hab' es selig! war wie er aus Ohrenbach  , daher kenn' ich ihn. Was hilft mir mein Glauben, wenn ich ihn nicht bekennen darf? Was hilft mir ein Recht, wenn ich's nicht kriegen kann? Was hilft da alle Geduld und alles Warten?" Sie waren mittlerweile im untern Hausflur angekommen und der Altbürgermeister fragte, indem er stehen blieb, mit Thcilnahme:So ist die alte Wunde immer noch nicht ge- heilt? Ihr seid doch heute ein Mann, der gut im Stande ist." Das derbe Gesicht des Tuchscheerers schaute unfreund- lichcr als vorher, und tiefer drückte die Stirnfalte seine Brauen herab, als er antwortete:Das Geld Hab' ich längst verschmerzt, aber nicht das schreiende Unrecht, so mir geschehen ist. Das grimmt fort und fort. Von meinem Recht lass' ich nimmer, es mag biegen oder brechen." Ein verständiger Mann muß sich in die Verhältnisse schicken, die er nicht zu ändern vermag," hielt ihm der Alt- bürgermcister vor.Ihr verhätschelt Euern Groll wie ein krankes fluid und macht es dadurch erst recht krank." Ich will mein Recht," murrte flilian verstockt und schloß die Hausthür auf. Herr Ehrensried legte ihm die Hand auf die Schulter und sprach eindringlich:Der Stadt Wohl hat auch Rechte an Euch. Begrabet die Vergangenheit und gesundet l Gute Nacht, Meister!" Er'schritt in die Dunkelheit hinaus. Die Mahnung blieb auf Mian Etschlich wirkungslos. Sein Leben war ihm durch die erlittene Ungerechtigkeit ver- gällt. Immer nur darüber bei seinen Webstühlen grübelnd, war er fast menschenscheu geworden. Nun berührte es in neuester Zeit den wunden Fleck wieder schmerzhafter, daß er überzeugt war, der Rath werde die Exekution gegen Stephan von Mcnzingen eben so wenig ausführen, wie die gegen das Geschlecht der Trüb. Er selbst hatte ihn eines Tages so stolz durch die Gassen schreiten sehen, als gebiete er über die ganze Welt. Einige Tage später kamen in der Dämmerstunde einige Bekannte zu ihm, die in dem Rothen Hahnen auf der Schmied- gaffe, St. Johannis gegenüber, bei dem Vespertrunksich zusammen- gefunden hatten. Der Rothe Hahnen, dessen Wirth Hans Krätzer die Schwester des langen Licnhart zur Frau hatte, war die Trinkstube der Bürger. Es waren drei in ihren Zünften etwas geltende Meisler, die den Tuchscheerer in seinem Hause aufsuchten. Kaum in der Stube und während Kaspar die Schnabellampe auf dem schweren Eichentisch anzündet, so rief schon der bewegliche Meister Lorenz Dieni von den Kürschnern, indem er selbst lachte:Heut kannst Du lachen, Etschlich" Denn der Roscnberg und der Finsterlohr   haben den Rath mit derselben Münze bezahlt, wie er Dich!" fiel ihm der Schuster Melchior Mader mit einer knarrenden Stimme in die Rede. Mit seiner großen Nase und der hohen, breiten Stirn, unter der die Augen wie in sich gekehrt schauten, hätte man den Meister für einen Gelehrten halten können. Ist halt wahr. Du kannst lachen." bestätigte der dritte Gast, der in feinem gedrungeneu, kraftstrotzenden Gliederbau wie ein Herkules unter den anderen erschien. Der Metzlcr- nieister Fritz Dalk war wegen seiner Stärke in ganz Rothen- bürg bekannt. Aber was giebt's denn?" fragte flilian Etschlich, den Besuch der Reihe nach anblickend.Doch setzet Euch, und einen Trunk werdet Ihr hoffentlich auch nicht verschmähen." Nie," versicherte Fritz Dalk, obwohl sie eben vom Wein kamen, und Kaspar verschwand mit einem dickbäuchigen Krug im Keller, nachdem er zuvor die Fensterläden geschlossen hatte. Er weiß wirklich noch nichts," verwunderte sich der ge« schmeidig schlanke Kürschner Lorenz Dient. Nämlich der Rathsbote ist seit einer guten Stund' herein," erklärte Melchior Mader.Und jetzt lärmt und rumort es auf dem Markt und in den Schänkcn. Die Stadt darf den Schimpf nit auf sich sitzen lassen; der Rath soll die Rüstkammern der Zunfthäuser öffnen. Im Rothen Hahnen fing einer sogar das alte Kriegslied zu krächzen an von dazu- malen, als die Stadt gegen den Wilhelm von Elem und seine adeligen Raubgesellen auf Ingolstadt   auszog." Ein Schneider war's: aber mehr als den Anfang wußte er nicht," lachte Lorenz Diem.Nu also! Der Rath hatte den Fingerling ausgeschickt, daß er von den beiden Junkern Strafe und Schadenersatz von wegen dem Rummel am Drei- königstag einziehen sollte. Der Fingerling als ein kluger Hahn, der er ist, klopft zuerst in Laudenbach an. Der Junker Philipp aber nimmt das Mandat garnicht an, sondern lacht ihm ins Gesicht und höhnt, daß er dem wohlweisen Rath einen Gulden zur Verehrung geben wolle, wenn er ihm die Dirn des Seilschwimmers auf die Burg schicken wolle." Fritz Dalk, der Mctzler, schlug ein etwas fettklingendes Lachen auf, so daß sein dickes, schon von Natur rothes Gesicht wie ein Feuerbrand loderte. Kaspar hatte unterdessen Wein und Becher gebracht und eingeschenkt. Der Kürschner feuchtete sich die Lippen an und fuhr fort:Der wilde Zeisolf auf Haltenbergstedten nimmt das Mandat zwar, aber er zerreißt es und wirft dem Finger- ling die Fetzen ins Gesicht und läßt ihn mit den Hunden vom Hof hetzen. Die haben ihn übel zugerichtet und der Junker und die Knechte lachten hinter ihm her wie die Teufel, sagt er." Kilian Etschlich, der mit der größten Spannung zugehört hatte, stieß ein langgezogenes dreiinaligesAh I" aus.Und jetzt?" fragte er. Der Metzler Dalk hob mit einer kehlenden Stimme zu singen an und es klang greulich: An einem Sonntag es geschah, Daß man das Panner ausziehn sah Zu Rothenburg   aus den Mauern. Sie zogen über die Landwehr hinaus, Die Bürger und die Bauern." Lachend brach er ab und Kaspar bemerkte trocken:Heut würden sie schwerlich auch nur so weit kommen." Es wär' auch gefehlt, wenn's die Stadt wollte," sprach Melchior Mader, der Schuhmacher.Sie würde sich den Schwäbischen Bund   auf den Hals ziehen. Die beiden Junker sind reichsunmittelbar. Der Rath müßte beim Reichsgericht Wider sie klagen." Der Tuchscheerer schlug eine höhnische Lache auf.Ich weiß an mir, was dabei herauskommt," rief er.Eine Krähe hackt der anderen nicht die Augen aus. Nur dem Schwachen weist der Rath die Zähne; der Bürger mag tausendmal im Recht sein Wider die Ehrbaren, den zertritt er. Jetzt haben es die günstigen lieben Herren an sich selbst erfahren, wie's thut, und ich will lachen, lachen." Er wiederholte sein Hohngelächter. Ja, dennoch ist's und bleibt's ein Schimpf für die Stadt," knarrte der Schuster. Und was nur geschehen ist, ist kein Schimpf für die Stadt?" zischte der Tuchscheerer. Beim Teufel, das ist's," rief Fritz Dalk und schlug mit seiner gewaltigen Faust auf den Tisch.Der Rath ist selbst schuld, daß er was abgekriegt hat. Hätt' er am Dreikönigstag die Junker aus dem Kloster herausgreifen lassen, so wär's nit dazu gekommen." Und überhaupt die Klöster und Stifte," sprach Melchior Mader.Sie genießen von allem, was wir Bürger mit unserem sauern Schweiß zu der Stadt Bestem schaffen; aber sie tragen keinen Heller dazu bei. Sie müssen zu den Steuern und Lasten herangezogen werden." Wahr, wahr," stimmte der lebhafte Lorenz Diem ihm bei.Aber was brauchen wir denn die Klöster und Stifte? Meines Dafürhaltens sollten sie als unnütz und schädlich ab- gethan werden." Und wer hindert's, wenn nicht der Rath?" fragte Kilian Etschlich.Wer ändert's, daß ich mit meinem Recht auf den St. Nimmertag warten muß, wie mein Neffe sagt, was der Dorfmeister in Ohrenbach   ist?" Und zu dem Schimpf haben wir den Spott, daß wir Rothenburger   mit dem neuen Glauben hinter den anderen freien Reichsstädten nachhinken," bemerkte der Kürschner  .