Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Str. 123.

Sonntag, den 26. Juni.

1898

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Um die Freiheit.

( Nachdruck verboten.) und waren froh, daß die Ehrbaren ihnen die Scherereien ab­nahmen. Merkten nicht, wie sie durch deren Brattiken und Listen allmälig beiseite geschoben wurden. Witterte dieser oder Bürgerschaft keine Einheit. Auf solche Art ist die Verfassung damals in Vergessenheit gerathen."

Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. jener auch einmal Unrath, so war's ist zu spät und unter der

Von Robert Schweichel  .

,, Denn wir sind das Gemeinwesen," fügte Lorenz Diem hinzu, und tragen alle Lasten, während dem daß die Ehr­baren wie die Motten im Pelz leben."

,, Also klopf' sie heraus, Kürschner," äußerte Raspar, der, des Schänkenamtes waltend, hinter den Stühlen stand, halblaut. Unter dem Lachen, das darüber entstand, bemächtigte Melchior Mader sich wieder der Rede. Die Ehrbaren allein find's nicht; wir Bürger sind also beschweret, daß wir vor Junkern und Pfaffen nimmer genesen mögen. Gewerb' und Handel können vor ihnen nit aufkommen."

" Ist sie in Vergessenheit gerathen, so müssen Rath und Bürgerschaft halt wieder daran erinnert werden," rief der Kürschner   mit glühendem Gesicht.

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,, Und das mit Nachdruck," schnob Friz Dalk und hieb mit seiner herkulischen Haust auf den Tisch, daß es krachte. Wenn die Bürgerschaft ihr verbrieftes Recht mit Nach­druck zurückfordert, dann wird es ihr nicht entstehen, deß bin ich gewiß," nickte Stephan von Menzingen den Meistern zu. Dann wird auch Meister Etschlich zu seinem Recht gelangen, und an den Zünften wird es sein, die mancherlei Uebelstände, Sie schöpfen von allem das Fett ab," rief Frik Dalf. an denen das Junkerregiment leidet, auf dem Wege Rechtens Das ist leider wahr," bestätigte der Ritter. Doch abzustellen. Bei Gott, die Mißwirthschaft des Rathes währet davon reden wir wohl noch später ein Ausführliches. Zuerst schon allzu lange, und mir läuft die Galle über, so ich's be­fragt es sich, wie wir der Redlichkeit zu dem vorenthaltenen Recht verhelfen?"

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Es geht halt eines mit dem anderen," sagte der Kürschner Lorenz Diem.

Hätten die Zünfte Sig und Stimme im großen Rath," begann der Mekler Frik Dalt und der Schuster vollendete: " Ja, das ist's, es ist alles ein Draht, auch das mit den geist­lichen Häusern."

Und warum sind die Zünfte nicht im Rath vertreten, Ihr werthen Meister?" fragte Stephan von Menzingen, indem feine breitgeliderten Augen an dem Tische umrollten.

" it halt eine harte Nuß!" meinte der stiernackige Dalf. " Ich will sie an Eurer Statt fnacken, Meister!" antwortete Ritter Stephan. Die Zünfte haben sich von den Ehrbaren hinausdrängen lassen, denn sie haben früher im Aeußeren Rath gesessen."

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Die Meister schüttelten mit ungläubiger Verwunderung, selbst mit Mißtrauen die Köpfe. Sie hatten nie etwas davon gehört. Dennoch ist es so," versicherte Herr Stephan. Anno 1450 ist es gewesen, also noch nicht gar so lange her. Just so, wie Ihr vorhin sagtet, Meister Mader, so fühlten sich damals Bürgerschaft und Hintersassen von den Geschlechtern bedrückt, daß sie sich wider deren Herrschaft mit Gewalt erhoben, und sie zwangen, den Zünften Sitz und Stimme im Aeußeren Rath einzuräumen. Der Pakt, so damals von beiden Parteien ge­schlossen wurde, liegt im Archiv des Rathhauses."

denke."

Die in Hige gerathenen Meister redeten und schrien durch­einander und Kaspar schänkte ihnen fleißig ein. Nur Kilian Etschlich sprach kein Wort, aber in seinen Augen leuchtete es.

,, Es ist spät geworden und wir reden darüber ein ander­mal wohl ein mehreres," erhob Stephan von Menzingen seine Stimme. Wie wäre es, Meister Etschlich, wenn Ihr uns eine Stube gönntet, etwa nach dem Hof hinaus?" Es soll gelten," willigte dieser entschlossen ein.

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,, Nun dann, am blauen Montag nächster Woche, wenn den ehrenfesten Meistern recht ist," schlug der Ritter vor. Sie waren damit einverstanden.

" Diese Stube ist ohnehin zu klein; denn es hat manchen in der Bürgerschaft, der unseres Sinnes ist," äußerte Melchior Mader.

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Also, behüt' Euch Gott  , liebe Freunde," winkte der Ritter von Menzingen den Meistern vertraulich zu und griff nach Hut und Mantel Ich bin Euch gern mit meinem Rath zu Diensten." Meister Stilian begleitete ihn bis zur Hausthüre. Jekt ist mir nimmer bang um mein Recht," sagte er dabei.

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Ein hohler Westwind schnob durch die Nacht und wälzte die Wolken, zwischen denen nur selten ein Stern hindurch­blickte, vor fich her. Die Wetterfahnen auf den Dächern und die Schilder an den in die Straße sich vorstreckenden Eisen­stangen fnarrten und kreischten. Wartet nur," dachte der Ritter, indem er, den Mantel fester um sich ziehend, Mit angehaltenem Athem horchten die Meister auf, und die Rödergasse hinaufschritt, über ein kleines wird ein ihre Augen hingen noch an dem Munde des Ritters, als er stärkerer daherbrausen und die ganze morsche Herrlichkeit durch schon schwieg. Dann schauten sie einander an und es herrschte die Luft wirbeln!" Plöglich blieb er aufhorchend stehen. Der eine Stille, daß man das Bohren des Holzwurmes in dem Wind trug ihm ein wüftes Gelärm zu, in dem er das Mirren Deckengebält vernahm. Stephan von Menzingen weidete sich von Eisen zu unterscheiden, glaubte. Es erscholl aus dem eine fleine Weile an ihrer Verzauberung, worauf er mit Paradiesgäßlein, das unmittelbar vor dem inneren Röderthor einem Anhauch von Geringschäßung bemerkte:" Damals hatte sich rechts abzweigte. Dort stand das Frauenhaus nicht weit die Bürgerschaft noch Mark in den Knochen, von den Kriegen von den Badstuben, heute der Juden Tanzhaus genannt. Es der Städte gegen den Landadel. Der Frieden hat's ver- war so selten eben nicht, daß bei jenem die Patriziersöhne zehrt." mit den Handwerksgesellen in Zant und hellen Streit ge­riethen, wobei dann wohl die Schwerter das entscheidende Wort sprachen, nicht immer zu gunsten der adligen Jugend, die solcher Art auf die Regierung sich vorbereitete. Mit einem halblauten Auflachen tauchte der Ritter in den finsteren Thor­bogen, der zum Herzen der Stadt führte.

" Oho!" rief Frik Dalt, und wies seine gewaltigen Metzgerfäuste.

Um so besser, wenn ich mich irre, lieber Meister," be­gütigte Herr Stephan. Meiner Treu," fuhr er fort und drehte seinen Schnauzbart in die Höhe, hätten Eure Groß­väter und Väter besser acht gehabt, der Rath hätte dem Meister Etschlich nicht mitspielen können, wie es geschehen ist."

" Ja, wie soll einer das jetzt verstehen? Es flingt halt wie ein Märlein," rief Lorenz Diem und fuhr sich mit beiden Händen in das Stirnhaar, das in einem geraden Strich über den Augen verschnitten war.

Achtes Kapitel.

Der Thauwind schnob von West und Süd, und die Wolfen ballten sich am Horizont. Es mochte Acht haben, wen es an­ging, gleichviel ob mit Güte oder Gewalt; auch wußten die Herren in Rothenburg  , daß des Kaifers Bruder, Erzherzog Das ist so schwer just nicht," antwortete Herr Stephan. Ferdinand von Desterreich, von den Welsern zu Augsburg  ,, Die Bürgerschaft vermeinte, daß mit ihrem Siege über die ein Darlehen aufgenommen und den Truchseß Georg von Geschlechter halt alles abgethan sei, hatte sie doch ihr Recht Waldburg   beauftragt hatte, Kriegsvolk zu werben, um die verbrieft und feierlich beschworen. Was meinet Ihr, Meister habsburgische Besizung am Oberrhein und in Württemberg Etschlich, daß ein Recht auf dem Papier werth ist, so Euch zu schützen. Aber Rothenburg   trug deß nicht Sorge. Gabriel die Macht fehlt, es zu behaupten?" Kilian Etschlich machte Langenberger erschien nicht wieder vor dem gestrengen Herrn eine zornige Geberde. Der Ritter fuhr fort: Nun, die Bürger Bürgermeister, obgleich die Bauern fortfuhren, in seinem kehrten zu ihrer Arbeit zurück, schafften und verdienten, und Wirthshause an den Markttagen zu rathschlagen; er war schlugen ihr eigenes Wohl höher an, als das Gemeinwohl. fortan taub auf beiden Ohren. Die Entrüstung und Hize Verstanden auch wohl nicht viel von den öffentlichen Geschäften der Bürgerschaft aber über den Schimpf, so die Junker von