Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 128.

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Sonntag, den 3. Juli.

( Nachdruck verboten.)

Um die Freiheit.

Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. Von Robert Schweichel  .

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,, Ach, Ihr machet die Rechnung ohne den Vater," seufzte Frau von Menzingen   bewegten Herzens. Er muß erst ge­wonnen werden und dazu bedarf es der Zeit. Jetzt mit ihm reden, würde alles verderben. Ihr müsset Eure Ungeduld noch zügeln. Mein Segen entgehet Euch nicht, lieber Doktor, und ich weiß, daß mein Gatte ein großes Vertrauen auf Euch hat, aber Ihr werdet einsehen, daß es ihm widerstreben muß, schon jezt sein Jawort zu geben und Euch dadurch vor der Welt an sein Interesse zu ketten, während dieser unselige Rechtshandel, der einen Schatten auf seine Ehre geworfen hat, noch nicht beendet ist. Das leidet sein Stolz nicht."

1898

mögenslage. Nein, er durfte die Hände jetzt nicht in den Schooß legen. Triumphirte der Herzog, so war es immer noch Zeit für ihn, zurückzutreten; unterlag er, so hatte er an der Bürgerschaft einen Rückhalt.

Mittlerweile verbreitete sich die Kunde von dem Abenteuer des Herzogs und drang auch in die Werkstatt auf dem Kapellenplage, wo Hans Lautner an dem Modell eines Pokals bosselte, den, in Silber getrieben, die Hauptleute der sechs Wachen dem Stadthauptmann Albrecht von Adelsheim zu seiner Hochzeit verehren wollten. Es versprach ein sauberes Stück zu werden, mit Laubgewinden, Früchten, Masken und Figürchen geziert. Meister Ellwanger beschäftigte außer dem blonden Schwaben noch zwei Gesellen und zwei Lehr­linge. Hans aber war von ihnen der geschickteste und fleißigste, und seit den letzten Wochen besonders gönnte er sich nicht Ruhe noch Raft. Er wollte an nichts anderes als an seine Kunst denken, aber es gelang ihm schlecht. Käthe hatte den Zauber der schönen Gabriele nicht zu brechen ver­Mar mußte diesen Grund gelten lassen, wie sehr es seinem mocht. Das frische, in sich selbst sichere Wesen Käthe's that offenen Charakter widerstrebte, sein Verhältniß zu Else vor ihm so wohl wie dem Wanderer ein kühler Labetrunk an der Welt zu verschleiern. Er zog die Hand, in der nun seiner schwülem Tage. Er war ihr gut, daran kein Zweifel, und Liebe Geschick ruhte, mit Dank und Ehrfurcht an seine Lippen. wenn er in Ohrenbach   an ihrer Seite saß, ihrem Geplauder Elfe aber umarmte die Mutter, deren Augen feucht wurden, zuhörte, sie ihn aus ihren mußbraunen Augen mit inniger und küßte sie zärtlich. Dann warf sie sich verschämt und ver- Zärtlichkeit anblickte, ihm die jugendlich kernigen Lippen zum flärt in die Arme des Geliebten, der sie mit stummem Glück Stusse bot, er ihre Gestalt an sich drückte, dann glaubte er an sich drückte. wohl selbst, daß er sie liebte. Stehrte er aber nach Rothen­Stephan von Menzingen störte die Liebenden nicht, deren burg   zurück, athmete er wieder dieselbe Luft wie Gabriele, sah Schifflein die Mutter einstweilen vor dem Scheitern bewahrt er diese gar, dann war alles weggelöscht und ber­hatte. Der Mann, der ihn zu sprechen begehrte, hatte ihm gessen. Ach, und nicht nur dann! Geschah es doch, ein Schreiben aus Kaufbeuern überbracht und war, mit einem daß in seinen Gedanken an Käthe diese in Gabriele reichlichen Botenlohn bedankt, wieder fortgeritten. Der Brief sich verwandelte, daß er deren Busen an seiner Brust kam von dem Kanzler des Herzogs, dem Ritter und Doktor fühlte, ihren Mund füßte, während er Käthe liebkoste. Und Johannes von Fuchsstein, und Herr Stephan erbrach ihn hastig. vollends gestern! So verführerisch schön wie gestern in ihrem Der Inhalt war wenig erbaulich. Die Ungeduld, wieder in goldgelben Atlaskleide und den nackten Schultern war Gabriele den Besitz seines Landes zu kommen, und hauptsächlich Geld- ihm nie vorgekommen. Wie sollte das enden? Wie aus mangel hätten den Herzog sein Spiel vor der Zeit anheben seiner Schuld gegen Käthe er sich lösen? Nicht zum ersten Lassen. König Franz hätte seine Zusagen nicht ganz zu er- Male grübelte er darüber, ob es nicht am besten wäre, daß füllen vermocht, da er selbst des Geldes zu seinen Rüstungen er Rothenburg   verließ und nach Nürnberg  , wohin ihn seine wider Kaiser Karl bedürfe, und von den Juden sei nicht ein Stunst von Anfang an gelockt hatte, weiter wanderte? Pfund Heller zu erlangen gewesen. Herzog Ulrich sei außer Ueber diesem Grübeln vernahm er die quakende Stimme stande, die geworbenen Striegsvölker noch bis zum Beginn des Wilhelm Bräunlein's, eines biederen Spezereihändlers, der Frühjahrs zu besolden und hätte befürchten müssen, daß die feinem Gevatter, Meister Ellwanger, von der Kriegsfahrt des Schweizer   abzogen und seine ganze Macht wie Schnee in der Herzogs erzählte. Aeh, äh, äh," schloß er seinen Bericht Sonne   zerschmolzen wäre, wenn er jetzt nicht losschlüge. So und schüttelte seinen spizzulaufenden Stopf, der auf einem sei er denn mit 6000 Fußknechten und 200 Reitern, mit 3 großen langen Halse saß, nimmer was Gutes, nichts wie Unruhen. Karthauen, 3 Schlangen und 4 Falkonettlein von Hohentwiel Wie sollen dabei Handel und Wandel gedeihen?" aufgebrochen und zöge unmittelbar auf Württemberg  , wo ,, Nu, man muß sich halt in die Zeitläufte schicken, Ge­er sicher sei, mit offenen Armen empfangen zu werden. Auch vatter," erwiderte der Meister philosophisch. Raufen ist' mal sei noch in den letzten Tagen ein Bündniß mit dem Führer die Art großer Herren; es liegt ihnen im Blut." der Schwarzwaldbauern zu stande gekommen. Noch ehe der ,, Und wir Bürger müssen dabei die Haare lassen," quakte Bund auf sein könnte, würde der Herzog in Stuttgart   ein- der Krämer. Was wir brauchen, ist Ruhe; Ruhe, fag' ich, ziehen, no er die Fastnacht zu feiern gedenke und sich auf Gevatter!" Giftig fuhr er fort, während das Glöcklein der dem Schlosse bereits ein Bett bestellt habe. So Euch dieses Marienkapelle das Ave- Maria läutete: Aber diesmal sollte Schreiben zu Händen kommt," schloß der Fuchssteiner, bin der Schwäbische Bund   an dem Friedensbrecher ein Erempel ich bereits im Lager Sr. Gnaden, des Herzogs; von dort von einem Beispiel aufstellen. Und überhaupt, was unter­oder spätestens von Stuttgart   aus erhaltet Ihr weitere Nach- Handeln die Obrigkeiten hier und dort mit den widerhaarigen richt." Bauern? Ueber die Köpfe gehauen, gespießt, geviertheilt, so gehört sich's."

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Der Empfänger warf das Schreiben mit bitterem Verdruß auf den Tisch. Alles, was das Unternehmen des Herzogs hatte ,, Um Gott  , Gevatter, die Furcht macht Euch ja zu einem unterstützen sollen, war erst im Werden begriffen, die Lunte blutdürftigen Tyrannen," rief der Goldschmied belustigt. Feier­angezündet, ehe noch die Mine geladen war. Fuchsstein hatte abend! Stommt in mein Stübele und löschet Euren Durst, anstatt wohl Recht, das Gewebe, das er in Kaufbeuren   begonnen, in Fürsten  - und Bauernblut, mit einem Becher Schaltsberger!" fallen zu lassen. Denn gelang es dem Herzog, spätestens in Damit führte er ihn über den Hof in das Vorderhaus.4 vierzehn Tagen in Stuttgart   zu sein, dann bedurfte es der Hans erinnerte sich, wie er vor sechs Jahren mit der überall hingesponnenen Intriguen nicht mehr, und mißglückte Ahne in Böckingen   bei Jäcklein Rohrbach's Wirthshaus ge­das Abenteuer, dann konnte ihn das unfertige Gewebe nicht standen und die von Florian Geyer   befehligten Fähnlein gen retten. Stephan von Menzingen sann in schweren Sorgen. Stuttgart   hatte vorüberziehen sehen, nachdem sie den Wider­Alle seine persönlichen Interessen wiesen ihn darauf hin, von stand der Herzoglichen bei Möckmühl   gebrochen und Göz von dem in Rothenburg   begonnenen Werke die Hand nicht ab- Berlichingen gefangen genommen hatten. Die Ahne hatte mit zuziehen. Wenn er es übernommen hatte, das Regiment der wildem Gebet ihre Waffen gesegnet und ihnen zugerufen, daß Geschlechter zu stürzen, so war es, um an diesen für den Un- sie den Herzog nicht lebend auslassen sollten. Und jetzt war glimps, den er einst von ihnen erfahren hatte, Vergeltung er wie der da und das furchtbare Ende seines Vaters, der zu üben, indem er die Sache des Herzogs förderte. Tod seiner Mutter, schrieen noch immer ungefühnt gen Dem Beispiele des Fuchssteiners folgen, hieß der Rache Himmel. Es war ihm, als ob er das grimme Hohnlachen entsagen und vor dem Rathe sich demüthigen. Das war feiner Großmutter hörte. Er räumte hastig seinen Werktisch seinem hochfahrenden Sinne ebenso unmöglich, wie seiner Ver- lauf und sprang zu seiner Dachkammer hinauf, wo er, von