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dem Zwange erlöst, den ihm die Gegenwart der an- der Bundschuh aufgeworfen wird, ich werd' nit fehlen, wo ich deren auferlegte, sich seinem gährenden Gefühl frei überlassen dann auch sein mag, das glaube mir."

fonnte.

Am Sonntag vor Fastnacht, welche auf den letzten Februar fiel, ging Hans mit einem festen Entschlusse nach Ohrenbach   und Kaspar begleitete ihn. Es war noch früh und die Luft so gefänftigt, als ob das Jahr schon bis tief in den März vorgerückt wäre. Die Wintersaaten fleideten die Felder in ein helles Grün, das den düsteren Ernst der Tannenwälder auszulachen schien. Die beiden Freunde verfolgten die große Heerstraße, die manchen Bogen schlug, nur eine kurze Strecke, worauf sie den näheren Weg nahmen, der links gerade aus zum Steinbachthale und jenseits nach dem Dorfe Gatten­hofen führte. Hans ging sinnend dahin und Kaspar ließ ihn ungestört. Er war es von ihren Spaziergängen her gewöhnt, daß Hans wenig sprach. Er pfiff und sang für sich, bis sie an den Stäffleinsbrunnen kamen, bei dem fich das wild- schöne Steinnachthal vor ihnen aufthat. Der Brunnen zeugte allein noch davon, daß hier einst das Dorf Obersteinbach gestanden. Der Rath hatte es einige achtzig Jahre vorher abbrechen lassen, um die Ein­wohnerschaft der Stadt zu vermehren. Kaspar trank von dem köstlichen, durch Sandstein quellenden Wasser. Trink auch, Hänslein, das macht den Kopf frisch und klar," forderte er den Freund auf, indem er sich von der Brunnenröhre auf­richtete. Was sinnirest Du so an dem schönen Tag?"

Hans verspürte keinen Durst. Ich dachte so, ob ich diesen Weg noch oft machen werde," gab er zur Antwort. " Ich glaub' halt nit."

" Ja, wie meinst Du denn das? Warum nit?" Kaspar erstaunt.

Komm nur!"

fragte

3d Sie stiegen in die stille Wildniß hinunter, durch welche die beiden Lindach- oder Lindleinseen, von denen der größere nunmehr trocken gelegt ist, zur Tauber abflossen.

In dem Thal hier bin ich manchen schönen Sonntags­morgen herumgestrichen," äußerte Hans. Ist gar so wunder­sam einsam hier, daß nur selten einmal ein Mensch zu schauen ist und nichts zu hören, als der Wind in den Baum­wipfeln, der Vögelein Sang und das Murmeln des Baches."

,, Und dann kriegtest Du Deine Pfeife her und spieltest darauf, just so, als wie ich Dich auf unserer Wanderschaft traf," fiel Kaspar ein.

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,, Wohl auch," lächelte Hans. Es geht einem da manches durch den Sinn, was gar nicht zu sagen ist, selbst wenn es einer wollte. Zuweilen hab' ich es mir ausgesonnen, wie das herrlich sein müßte, wenn es auf der Welt keine Fürsten und Herren, teine Pfaffen und Junker, keine Leibeigenen und Hörigen mehr gäbe, sondern lauter freie Menschen. Was meinst Du, Kasperl, ob eine solche Zeit wohl mal kommen wird?" ,, Nein, das giebt's nit," verfekte dieser, ohne sich zu be­finnen. Denn es ist was Teuflisches im Menschen, das ihn immer dazu stößt, den Schwächeren unter die Füße zu treten. Schau, wie's unter den Meistern rumort! Wie sie das Maul voll nehmen und nach Freiheit schreien! Aber sie meinen halt nur die eigene Freiheit, und wenn sie wirklich in den Rath gelangen, nachher können wir Gesellen uns den Mund wischen."

GRAB

" Ich glaub's doch," sagte Hans mit einem finnenden Aus­bruck in seinen blauen Augen. Es wird kommen, wie es die Ahne prophezeit hat, und Du wirst es noch erleben, daß es besser wird."

Und Du nicht?" fragte Kaspar mit einem Anflug von Ungeduld. #Ich weiß nit; wenigstens nicht in Rothenburg  ," ant­wortete Hans mit einem tiefen Athemzuge. Als mir gestern der Meister meinen Wochenlohn zahlte, hab' ich ihm aufgefagt. Meine Zeit hier ist um."

Rafpar blieb wie erstarrt stehen. Wa- as?" Iallte er. Ich kann hier nichts mehr lernen," wandte Hans vor. " Wann der Pokal fertig ist, schnür' ich mein Bündel. So lang' noch hab' ich dem Meister zu bleiben versprochen."

" Nichts mehr lernen?" wiederholte Kaspar noch wie be­täubt; dann aber brach er heftig los. Und alle Gewalt, die an Deinen Leuten geschehen ist, die soll ungerochen

bleiben, was?"

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Nein, lieber Bruder," versicherte Hans. Aber mir denkt, daß ich noch länger Geduld haben muß. t, wo von wegen dem Herzog Ulrich der Bund rüstet, ist die Gelegen­heit für uns wahrlich nit gut. Aber das thut nir. Wann

" Ja, das glaub' ich Dir; aber das von wegen dem Lernen, das glaub' ich nit!"

,, Laß' uns weiter gehen," forderte Hans ihn auf, seinem scharfen Blicke ausweichend.

Freilich, freilich," murmelte Kaspar, indem er sich in Be­wegung fegte, und nach einer Weile fügte er borivutssvoll hinzu: Daß Du mir das anthun kannst, Hänselin! Szt ist meine ganze Sonntagsfreud' hin. Und ich hab' Dich alle­wege gewarnt vor der der-"

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Sei still, ich bitt' Dich," unterbrach Hans ihn schnell. Schon gut," murrte Kaspar.

Jenseits des Baches, den sie von Stein zu Stein über­sprangen, blieb Kaspar wieder stehen. Und Käthe?" fragte er.

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Die schmalen Wangen des jungen Goldschmiedes wurden dunkelroth. Das ist's just, was mir am schwersten auf dem Herzen liegt," seufzte er.

"

"

Du darfst nicht fort," rief Staspar mit Entschiedenheit. um ihretwillen darfst Du nit. Ich bitt' Dich um Gottes willen, Hänselin, thu' ihr das nicht an. Sie hat Dich ja ganz, in ihr Herz geschlossen. Schon am Dreikönigstag hab' ich's gemerkt."

Hans sah ihm mit einem langen, tiefen Blick in die Augen; dann sagte er leise: Und damals hätt' ich auch merken können, daß Du Ich war halt blind."

,, Ach was, ich!" rief Kaspar ärgerlich. Ich pass' nit zu ihr und ich gönne Dir ihre Lieb' von Herzen. Meinst Du etwan, daß es nicht noch saubere Maidelin genug auf der Welt giebt? Ich kenn' schon noch manche." Er lachte.

Hans ergriff und schüttelte bewegt seine Hand. Du bist ein guter Rerl! Ich hätt ihre Lieb' nimmer annehmen sollen. Vielleicht, wann ich sie früher gekannt hätte! Jetzt war's gefehlt." d

( Fortsetzung folgt.)

Sonntagsplauderet.

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Wie herrlich weit hat es doch das Berliner   Bürgerthum in den letzten fünfzig Jahren gebracht! Jm tollen Jahre" hatte es noch der eine oder andere von ihnen gewagt, mit Einsatz seines Lebens für die Freiheit einzutretender Rajen im Friedrichshain   deckt tatsächlich einige Bürger" anno 1898, als der Schandwisch der Reaktion, die treuz- 3tg.", ihr Jubiläum feierte, riefen die Berliner  Freisinnigen Junker und Mucker an, um zwei Arbeiterkandidaten, hinter denen thatsächlich die Mehrheit der Bevölkerung stand, zu verdrängen. Wenn die Todten im Friedrichshain   aufstehen könnten, sie würden sich baß verwundern, welchen Wechselbälgen sie durch ihr Handeln Nutzen gebracht. Aber nein! Und wenn sie es fönnten, sie würden gar nicht einmal aufstehen. Sie müßten sich ja bis in die Haut hinein schämen. Sie gaben ihr Leben dahin, und man gönnte ihnen nicht einmal einen Stein der Er­innerung. Die Denkmalsverweigerung für die Märzgefallenen wird ein Blatt der Schande bleiben in der Geschichte Berlins  . Als man damals vor dem ersten Widerstand zurückivich, überlegte man lange hin und her; endlich entschloß man sich, 6500 M. zu wagen, um den Begräbnißplak im Friedrichshain   in einen bei den Berliner   Kirch­höfen üblichen Zustand zu versetzen". Also 6500 M. schienen diesen politischen Hosen Haufirern die Errungenschaften der Märztage werth?! Und einen Kirchhof nennen sie, was eine Nationalstätte, eine Schädelstätte der Freiheit ist! Liegen etwa da draußen vor dem Landsberger   Thor einige Dußend Geheimräthe und andere Baumwollheilige? Ende Dezember vorigen Jahres wurde der Kirchhofs- Zustand" beschlossen, heute ist ein halbes Jahr herum, aber die Gräber der Märzgefallenen zeigen noch dasselbe Aeußere wie vor Jahr und Tag. Allerdings, man hat die Sache" bereits in die Hand genommen", in die richtigen Wege geleitet" ist sie auch schon. Sogar die Vorarbeiten sind schon erledigt. Man hat ein ziemlich nüchternes" Portal in romanischem Stil entwerfen laffen, eine Eigangspforte mit beiderseits anschließendem" Thiergartengitter". Und auf einem die beiden Thorpfeiler abschließenden Aufsatze soll die Bezeichnung des Friedhofes oder der Ruhestätte der März gefallenen angebracht worden. Von einer Umfassungsmauer hat mant Abstand genommen". Dies alles hat man gethan und dem Polizeipräsidium hat man bereits vor längerer Zeit den Entwurf eingereicht, um die Bau- Erlaubniß" zu erhalten. Erflossen" ist aber noch nichts. Aengstliche Gemüther ziehen", wie bürgerliche Blätter melden, aus dieser Verzögerung den Schluß, daß diese Er laubniß überhaupt nicht ertheilt oder der Entwurf zum mindesten beanstandet werden wird." Die ängstlichen Gemüther", können die jemand anders angehören als dem Freisinn, diesem Vogel, der vorn die Drehkrankheit hat und hinten mit der Cholera behaftet ist? und klingt dieser Schluß" nicht wie eine stille, aber desto freudigere Hoffnung?

"