Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Donnerstag, den 14. Juli.
Nr. 136.
( Nachdruck verboten.)
Um die Freiheit.
1898
schönen Mädchen hin, das auf einem niedrigen Schemel vor ihr saß; ihre Augen, ihre Lippen schlürften mit ihren Ohren, und ihr weiß und rosig glänzendes Gesicht verklärte sich.
32] Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. Eine Entführung, welche Näscherei!
Von Robert SchweicheI.
Die Greisin lachte bitter. Freilich, mit dem Geschlecht fing's an; aber das ist blos eines. Sie müssen alle ausgenichtet werden, die Sporen und die Glazen. Gott will es und er hat mich ausgeschickt, seine Nache zu vollziehen. Verschlungen sollen sie werden von der Erde und gefressen von dem Feuer des Herrn, wie die Rotte Korah." Ihre hagere Gestalt reckte sich in die Höhe, drohend ballte sich ihre knöcherne Faust, während ihre Augen fanatisch glühten. Ein Grauen überfam die Männer.
3weites Kapitel.
Die fromme Schwester lehnte sich in ihrem Polsterstuhl zurück und schloß die Augen.„ Aber die Geschichte hat noch ein Nachspiel," störte Gabriele sie auf.
,, Ach, Du meinst die Anklage? Ich habe davon gehört," antwortete die Nonne mit großer Seelenruhe.
" Ich habe bisher niemand davon erzählt, daß ich dem Junker zuvor hier begegnet bin," äußerte Gabriele und fuhr erregt fort:" Jezt wird es an das Licht kommen und man wird Schlüsse daraus ziehen, die dem Kloster ebenso nachtheilig sein werden, wie meinem Rufe. Und ist es nicht schon schrecklich genug, daß mein Namen durch diesen Prozeß in aller Leute Mund kommt? Daß er alle Lästerzungen wider mich in Bewegung fett?"
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Gegenüber der durch Karlstadt's Grabrede gesteigerten ,, Rege Dich nicht unnöthig auf, Liebste," beschwichtigte sie Aufregung der Bürgerschaft hatte der Innere Rath nicht ge- Schwester Lamperta. Man wird es gar nicht wagen, wagt, dem Interdikt des Bischofs Nachdruck zu geben, und gegen ein Mitglied der reichsunmittelbaren Ritterschaft zu der Kommenthur Christan und Dr. Deutschlin predigten unbehandeln."
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helligt weiter. Um so unzugänglicher waren Erasmus von Die schöne Gabriele schnellte von ihrem Size auf.„ Also Muslor und Konrad Eberhard den Vorstellungen der schönen durfte der Junker es wagen, meine weibliche Ehre ungeahndet Gabriele geblieben. geblieben. Die Anklage Die Anklage wider Zeisolf von zu beschimpfen?" rief sie zornig. Rosenberg, von Stadtschreiber Thomas Zweifel ,, Nicht doch, nicht doch!" suchte die fromme Schwester sie abgefaßt, war an das Reichs Kammergericht abge- zu beruhigen. Wenn man eine Schönheit ist wie Du, mein sandt. In ihrer Unruhe darüber entschloß sie sich, der süßes Kind, dann ist es wohl verzeihlich, daß ein Mann durch Schwester Lamperta einen Besuch abzustatten. Viel sie zu Thorheiten verführt wird. So heißes Blut Zeisolf auch leicht erfuhr sie von ihr, wie ihr Neffe über den Handel haben mag, er ist ein Edelmann und wird Deine Ehre nicht dachte; vielleicht konnte sie durch dieselbe auf ihn einivirken. bloßstellen. Er hat aus großer Leidenschaft für Dich gefehlt, Es war Samstag vor Mittfasten und Wochenmarkt in der und Du zürnst ihm darob natürlich. Er soll Dich um VerStadt, als sie ihren Vorsatz ausführte. Bei ihrem Gange zeihung bitten. Laß mich nur machen." über den Marktplatz wurde von den Weibern und Töchtern Während Schwester Lamperta ihre glatte Zunge brauchte, der Bauern, die dort ihre ländlichen Erzeugnisse feilboten, manche Aeußerung, die keineswegs schmeichelhaft war, über ihren reichen Anzug und ihre stolzen Mienen ganz laut gethan. Sie achtete derselben nicht, bezog sie auch kaum auf sich. Denn wie sollten die sonst so demüthigen und unter thänigen Weiber es wagen, ihre Erscheinung zu betritteln, ja zu verspotten?
erwiesen sich die der Marktweiber voller Stacheln. Sie thaten Aeußerungen von einem Freimuth, die, wenn ein Mann sie so laut und offen ausgesprochen hätte, ihm sicher den Straf thurm erschlossen haben würden. Sie hänselten den Stadtdiener, der die Marktgroschen von ihnen einzog und sich schlagfertig durch Grobheit rächte. Sie riefen einander anzügliche Bemerkungen über die Patrizierfrauen zu, welche EinSchwester Lamperta empfing den ehemaligen Kloster fäufe machen wollten, waren kurz angebunden und grob, zögling in ihrer Zelle, wenn man ein helles, freundliches und zwei ältere Bäuerinnen unterhielten sich laut darüber, Zimmer, das aus zwei Fenstern auf den Garten schaute, so welches von den Geschlechterhäusern am Markte sie sich nennen will. Die nach dem damaligen Zeitgeschmack eleganten künftig als Wohnung nehmen sollten. Ein Dämon schien Möbel, die vielen Stickereien, Arbeiten und Geschenke ihrer mit dem ungewöhnlich frühen Lenz in die Weiber gefahren Schülerinnen, die frommen Nippes auf zierlichen Wand- zu sein.
brettern, der von künstlichen weißen Rosen umkränzte Käthe, die mit Butter und Eiern zu Markt gekommen schwärmerisch schöne Christuskopf über dem Betschemel durften war, kannte diesen Dämon gar wohl, hielt sich aber still an auch nicht gerade klösterlich genannt werden. Schwester ihr Geschäft. Seit dem Tode Lautner's war eine Veränderung Lamperta ruhte in einem hohen weichen Lehnstuhle, ein ge- mit ihr vorgegangen. Ihre kirschrothen Lippen hatten einen sticktes Polster unter den Füßen, von den Anstrengungen herben Zug erhalten, den Kaspar Etschlich vergebens wegihrer frommen Pflichten aus. Sie empfing ihren Besuch mit zuscherzen versuchte, wann er nach Ohrenbach fam. Sein einer sauer- süßen Miene, und streckte ihm die fette weiße Humor brachte Käthe nicht zum Lachen, nicht einmal zu einem Hand nachlässig herablassend zum Kusse hin. Ihr füßes flüchtigen Lächeln. Wenn er das Gespräch auf Hans leiten Stind" war ersichtlich bei ihr in Ungnade gefallen. wollte, bat sie ihn, davon still zu sein. Sie redete überhaupt Allerdings war es ihres Neffen Schuld, daß ihr Plan, ihm nur das Nothwendige, selbst mit den Hausgenossen. den Reichthum Gabriele's zuzuwenden, gescheitert war; aber Dagegen schaffte sie mit einer Rastlosigkeit, als Tode arbeiten. diese kam ihr gelegen, um ihren Verdruß darüber an ihr aus- wollte sie sich zu Die geschlossene zulassen. Ruhe ihres Wesens wurde nur einmal durchbrochen. Und nicht nur hierüber, sondern auch, daß sie des persön- Das geschah, als Simon nach seiner Rückkehr von Ballenlichen Verkehrs mit ihrem Neffen beraubt war. Denn sein berg ihr von der schwarzen Hofmännin erzählte. Ihr rund brutaler Zynismus war für ihr frommes Gemüth stets ein liches Gesicht wurde feuerroth, ihre nußbraunen Augen blißten töstlicher Leckerbissen gewesen. Da der Rath die Gartenpforte und ihre breite Brust athmete, als ob es ihr an Luft nach dem Tauberthale hatte vermauern lassen, so konnte der gebräche. Junker Zeisolf selbst nicht mehr heimlich das Kloster besuchen. Sie wurde ihre Vorräthe schneller los als sonst. Denn Die fromme Frau ließ das alles durch ihren fühlen Ton und das Benehmen der meisten Verkäuferinnen trieb ihr die manch' eingestreute Bemerkung die schöne Gabriele entgelten. Kunden zu, die für ihr gutes Geld nicht Grobheiten oder Eines war jedoch mächtiger in ihr als ihr heimlicher Verdruß: Stachelreden mit in den Rauf nehmen wollten. Bevor sie die die Neugierde, von Gabriele selbst alles über die von ihrem Stadt verließ, besuchte sie das Grab ihres Freundes. Noch Neffen beabsichtigte Entführung zu erfahren. Junker Zeisolf stand sie mit Thränen an dem jungen Hügel, als das Knistern hatte ihr nichts darüber geschrieben, und der Klatsch, und Rascheln schwerer Gewänder sie den Kopf zu wenden der in das Kloster gedrungen war, nicht wie ein veranlaßte. Die schöne Gabriele kam von ihrem BeSie wollte an mit Gold beladener Esel in eine Festung, sondern durch weit such in dem Dominikanerinnen- Kloster. geöffnete Pforten, befriedigte Schwester Lamperta nicht. Käthe vorüberrauschen, ohne ihrer zu achten. Kannte Gabriele konnte ihr nicht ausführlich genug sein, und sie ge- sie doch auch die arme Dirne nicht. Diese vertrat ihr den noß mit allen Sinnen. Ganz nahe beugte sie sich zu dem Weg." Du? Du kommst just recht," rief sie.„ Schau her,