Mnterhaltungsblatt des vorwärtsNr. 142.Freitag, den 22. Juli.1898(Nachdruck verboteil.)Mm die Freiheit.Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1523.Von Robert Schweichel.Käthe erwiderte mit einem vorwurfsvollen Blick:„Red'nit so ungefcheidt. Was Du wegen mir gethan und gewagtHaft, das vergess' ich Dir in meinem ganzen Leben nicht."Sie reichte ihm die Hand, die er beschämt festhielt.„Muh ichnoch warten, bis es dunkelt. Kaspar, daß ich aus der Stadtkomme? Ich möcht' gar zu gern heim!"„Ja. Käthelein, Du mußt Dich noch gedulden, vielleichtgar bis morgen," versetzte er, ihre Hand immer noch in derseinigen haltend.„Der Menzingen hat die Thorc schließenlassen, so daß keiner aus noch ein kann. Der Ansbacher solldraußen lauern, um in die Stadt zu brechen. Wir müssenwarten, bis der Vater vom Rathhaus kommt; der wird wissen,wie's steht. Einstweilen sitzen wir wie zwei Mäuslein in derFalle. Nu, es soll uns an Speck nicht fehlen, bis daß dieThür sich aufthut. Sitz daher in dem Großvaterstuhl, ich hol'was zum Knuspern."Sie fügte sich mit einem kleinen Seufzer. Er dachte, daßihr die Neugierde der alten Gundel lästig fallen müßte undbediente sie daher selbst. Sie sah ihm mit Grübchen in den braunenWangen zu, wie er einen Schinkenknochen, Brot, Messer, Tellerund einen irdenen Krug mit Wein nacheinander mlftrug. Eingeschickter Truchseß war er eben nicht und er selbst spotteteüber sein Ungeschick.„Nu, ich bin im Gefängnitz halt nit ver-wöhnt worden," tröstete sie ihn, und wie sie hinzusügte,wäre die Kost so schlecht und unsauber gewesen, daß sie sichdie ganze Zeit über vor Ekel nicht habe sattessen mögen. Umso besser schmeckte es ihr jetzt, und Kaspar, der ihr mit Ver-gnügen zusah, fand darüber seinen Humor wieder. SeineBemerkungen riefen mehr als einmal das Lächeln auf ihrekerkerblassen Lippen, das von ihnen seit Lautner's Tod ver-schwunden war. Beide vergaßen die Gefahr, in der sieschwebten, und über Käthe kam nach all den Aufregungender letzten Zeit etwas Weiches, wohlig Abgespanntes, dasihren Vetter wie ein Frühlingshauch anwehte.Ein Pochen an der Hausthür, die Kaspar vorsichtig ver-schlössen hatte, schreckte sie in die drohende Gefahr zurück.Schon war die Abenddämmerung hereingebrochen. Kasparschlich zum Fenster.„Es ist mein Alter," beruhigte er Käthe,die aufgesprungen war und jetzt das Messer, nach dem siegegriffen hatte, wieder auf den Tisch fallen ließ.„Dacht' ich's doch, daß ich den Vogel hier finden würde."rief Kilian Etschlich, als er seiner Nichte ansichtig wurde, miteinem so heiteren Tone, wie ihn der Sohn noch nie vonseinem Vater gehört hatte.„Schließ' die Läden, Kaspar, und laß' uns in die Hinter-stub' gehen und Licht machen! Sab da einen Kerl an unseremHaus vorüberschleichen, der mir gar übel gefiel. In derNacht laß' ich Dich nit aus, Mädel; ist keines MenschenFreund, wenn auch der Markgraf nit draußen lauerte." Ernahm den Weintrug voni Tische und that einen tüchtigen Zugdaraus.„Dem Rath geschäh' übrigens kein Gefallen, wennDich die Knechte griffen," fuhr er fort, indem sie in die Hinter-stube gingen, wo die Lampe angezündet wurde.„Der Rath willja in Güte mit den Bauern handeln." Er ließ sich mit einemleisen Lachen hinter dem Tische nieder. Kaspar betrachtete ihnmit einer stillen Verwunderung. Das Griesgrämliche war ausseinen Mienen verschwunden.„Ja, guck mich nur recht an,"sagte der Alte, es bemerkend.„So schaut einer aus, der imAusschuß sitzt. Der Krätzer, der Leupold, der Schad, derKnobloch, Kern der Buchdrucker, der lateinische Schulmeisterund der alte Rektor Bessenmayer sind auch darin und derMenzingen ist unser Obmann. Nu, was sagst Du? Ja, undder Ausschuß hat den Rath gezwungen, daß beide gemeinsammorgen früh eine Gesandtschast an die Bauern nach Brettheimschicken. Nichts Gewaltsames, hat'mal der Herr Ehrenfriedhier in meinem Haus zu mir gesagt. Ne, nichts Gewaltsames.Hab' ich ihm geantwortet, aber Recht muß Recht bleiben!Und jetzt krieg' ich mein Recht."„Nun, es wird der Baum wohl rechtschaffen geschütteltwerden müssen, bis daß die Pflaunien runterfallen," meinteKaspar trocken. Der Vater aber fragte in fast übermüthigerLaune, indem er ihm seine Fäuste entgegenstreckte:„Wasmeinst, ob wir Rothenburg«! Meister den Baum ordentlichzu schütteln im stand sind?"Viertes Kapitel.Käthe verließ am frühen Morgen in Begleitung Kaspar'sund des Ohms das gastliche Dach. Um sich einigermaßen un-kenntlich zu machen, hatte sie von Gundel ein großes Tuchentliehen, das Kopf und Oberkörper verhüllte. Kaspar hatteerst auf der Gasse Umschau gehalten, bevor sie das Haus ver-ließen. Auf den Rath des Vaters richteten sie ihre Schrittenicht nach dem Galgenthor, wo möglicherweise Häscher aufKäthe lauerten; sondern auf Umwegen nach der unterenSchmiedergasse und durch den Siebersthurm nach den: Spittcl-thor, durch welches die Gesandtschast an die Bauern aus-reiten mußte. Der alte Etschlich rechnete darauf, daß esan dem letzteren nicht an Neugierigen fehlen würde, so daßKäthe und Kaspar weniger bemerkt hinauskommenkönnten. Seine Voraussetzung traf auch zu, undwährend die Aufmerksamkeit der Leute wie die der Wachedurch Huffchlag nach dem Siebersthurm gelenkt wurde,schlenderten Käthe und ihr Vetter über die bereits herab-gelassene Zugbrücke. Jenseits derselben wandten sie sichsogleich links und schritten nun rasch auf Fuß- und Feld-wegen weiter. Käthe warf ihrem Vetter nur einen Blick zu,aus dem ihr ganzes Frohgefühl leuchtete, daß sie freiwar. Mit einem inneren Jauchzen flog ihr Auge über Wiesenund Felder, die sich wie eine grüne Woge vor ihnengegen Nordosten erhoben. Es hatte in der Nacht geregnet,der Märzstaub, der für den Bauern Goldstaub ist, war nieder-geschlagen, frischer grünten die Halme von Gras und Saat,an denen die Nässe noch wie Edelgestein funkelte. Dick ge-schwellt waren die Knospen der Bäume, und die Hecken hattenbereits kleine grüne Blätter.Während das Herz Käthe's mit den Lerchen um dieWette jubilirte, ritten über den Kappenzipfel die Männer,welche versuchen sollten, den Bauern in Güte die ergriffenenWaffen aus der Hand zu winden. Unter dem Spittel-thor stürzte auf dem noch nassen Pflaster das Roßdes Georg Bermeter, der mit Hieronymus Hassel vomRathe in die Gesandtschaft gewählt worden. Der Sturz desPferdes galt für ein übles Anzeichen, Franz Knobloch aber.dessen bleiches Gesicht es deutlich verrieth, daß er die Nachtverschwärnn hatte, rief ganz laut:„Hochmuth kommt vor demFall!" Valenttn Jckelsamer, der gleich ihm mit dem HasnerMartin Hufnagel und Jos Schad den Ausschuß vertrat, ver-wies es ihm mit einein unwilligen Blicke. Knobloch lachtehöhnisch, so daß der Rathsherr Hassel Lust verspürte, ihm mitder Faust ins Gesicht zu schlagen. Der Wirth zum RothenHahnen, welcher wegen seiner Verschwägerung mit dem langenLienhart der Boffchast beigegeben war, um ihr bei denBauern freies Geleit zu verschaffen, hob, nicht just wohl-klingend, zu singen an:„Ducke Dich, Hensel,Duck Dich, laß fürüber gan!DaS Wetter will sein Willen hau.Ducke Dich, gut Gsell,Duck Dich, laß fürüber gan!Das Unglück will sein Willen hau.Ducke Dich, Simon.Duck Dich, laß fürüber gan!Die Frau will ihren Willen hau."Der weite Weg nach Brettheim wurde der Gesandtschasterspart. Denn schon bei dem hochgelegenen Dorfe Gebsattelstießen sie aus die Bauen:, die dort eben ihr Lager schlugen.Es waren ihrer nicht viel über hundert Mann und LeonhardMetzler führte sie als ihr Hauptmann. Ihre geringe Zahl mochtedazu beitragen, daß der Rathsherr Hieronymus Hassel esnicht für nöthig erachtete, seinem brutalen Hochmuth einenZügel anzulegen. Er sprach sie bei seiner Ankunft in einerWeise an, die nicht übler gewählt sein konnte. Es düntteihn kein Wort hart genug, um die Empörung der Bauern,welche in ihren Wehren die Abgesandten umschlossen, zustrafen. Wenn sie sogleich ruhig zu ihren Hütten heimgingen,