Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 143.
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Sonntag, den 24. Juli.
( Nachdruck verboten.)
Um die Freiheit.
1898
Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. waltthätigkeiten gewarnt hatte, war um des Glaubens willen
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Freunden in die Pfarrkirche von St. Jakob, stieß den Priester vom Pulte hinweg, warf das Meßbuch auf den Boden und jagte die Chorknaben aus der Kirche. Er, der stets vor Geselbst gewaltthätig geworden, vielleicht ohne sich dessen vollkommen bewußt zu sein. Andächtig lauschte er der Orgel, die von dem hohen Chor das protestantische Kampflied durch die Wölbungen brausen ließ: ,, Ein' feste Burg ist unser Gott."
Kaspar's gute Laune machte die Mahlzeit so heiter, wie feit langer Zeit keine auf dem Hofe gehalten worden. Erst sein Abschied mahnte wieder an die stürmische Zeit, in der man lebte. Er wollte nach Rothenburg zurück, trok der Auf katholische Weise wurde derselbe fortan nicht mehr Gefahr, die ihm drohte, und ließ sich davon auch durch Käthe's in St. Jakob verehrt, und einige Tage später ward die Vorstellungen, die ihm das Herz warm machten, nicht abhalten. Marien- Kapelle auf dem Judenkirchhofe dem Boden gleich Wär's Dir leid, wenn sie mich griffen?" fragte er sie schlau. gemacht. ,, Nu, sie werden nicht, sie haben wichtigeres auf den Armen. Die Frommen, die in der Kirche anwesend waren, und Aber heim muß ich halt, von wegen des Geschäfts. Mein Alter seine Freunde gaben Herrn Ehrenfried das Geleit zum Rathhat jetzt fein Zeit, sich darum zu kümmern, er muß ja im hause. Von dem Inneren Rathe ward er mit manch Ausschuß regieren helfen." Lachend sprach er die letzten Worte. grimmigem Blicke empfangen. Sie prallten von ihm ab, so Er faßte Käthe um die Hüften und sie füßte ihn rasch auf siegesfroh und mit jugendlich strahlenden Augen schaute er den Mund, ließ sich aber von ihm nicht festhalten. Das ist sich um. Selbst Konrad Eberhard fühlte sich nicht geneigt, mein Dant," sagte sie und entwand sich seinent Arm.„ Ein ihn anzugreifen, zumal man den Abgesandten der Bauern zu Dant wie Gottes Lohn," rief er halb ärgerlich, halb lachend. Gebsattel erwartete. Ihr Führer, Leonhard Mehler, selbst Eine kleine Weile nach ihm verließ die Jungfer Apollonia überbrachte. im Vertrauen auf das freie Geleit die Beschwerden ebenfalls das Dorf. Sie schlug aber nicht den Weg zur Heer- der Bauern, und Stephan von Menzingen trat damit ats straße ein wie er, sondern beschritt den Fußpfad, der linker Obmann des Ausschusses vor den Rath. Das Siegel der Hand durchs Holz nach Endsee führte. Schrift wies eine Pflugschar, über der sich Dreschflegel darunter Kaspar tam unaufgehalten in die Stadt, in der es gar und Mistgabel kreuzten, einen Bundschuh unruhig herging. In der Nacht waren auf dem Kirchhof zur mit der Jahreszahl 1525. Ritter Stephan von Menzingen ließ reinen Maria, zu dem Dr. Deutschlin einst den Judenkirchhof seine großen schweren Augen über die Rathsmitglieder hingeweiht hatte, dem großen Marterbilde Kopf und Arme ab- rollen und verlas felbst die Beschwerdeschrift. Darin hieß es, geschlagen worden. Am Morgen hatten die Müller im Beschwernisse, die wider Gott und sein Wort und die NächstenTauberthal das zierlich gothische Wallfahrtskirchlein Unserer liebe seien, haben sie, die Bauern, als Brüder vereinigt. Sie lieben Frau zu Robolzell verwüstet, die schönen gematten seien beladen mit Hauptrecht und Handlohn, mit Steuern Fenster eingeschlagen, die Altäre und Heiligenbilder zer- und neuerdings mit Klauengeld, Tranksteuer und anderem; trümmert und zerfekt und in die Tauber geworfen. Am sei es doch ein jämmerlich Ding, daß keiner in der Nachmittage war in der Stadt selbst Tumult entstanden. ganzen Landwehr eine eigene Stuh haben solle. Und Bürger waren in die Häuser der Geistlichen gefallen, hatten nachdem sie doch alle an einen ewigen, wahren, einigen sie mißhandelt, etlichen auch den Wein ausgetrunken. Gott glauben, mit einer Taufe getauft seien und ein einiges ewiges zufünftiges Leben hoffen, habe der Teufel durch seine tausendfältige Liſt einen großen Greuel in die Christenheit eingeführt, also daß einer des anderen eigen sein solle. Seien doch alle ein Körper, eine geistliche Gemeinde, deren Haupt Christus der Erlöser sei.
Dann kam die Nachricht, daß zu Mergentheim die Bürgerschaft unter Fritz Büttner sich erhoben hätte und den Hochmeister des Deutschen Ordens in seinem Schlosse belagere, daß das Schloß trotz seiner Festigkeit nicht zu halten sei, wenn Rothenburg nicht Hilfe schicke.
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Erasmus von Muslor reichte das Schreiben mit einem Nicht minder beschwert seien sie durch den großen und bitteren Lachen dem zweiten Bürgermeister. Hilfe! Woher fleinen Zehnten, und doch seien gar viele Pfarrherren von sollte er Hilfe nehmen? Und während sie noch beriethen ihren Pfründen abwesend und thun garnichts, als daß sie es dunkelte schon- traf ein Bote des Schultheißen ihre Kapläne verursachen, das Volk täglich zu schinden und von Endsee ein. Er sandte einen ausführlichen Be- zu schaben mit ihren Lügen und mit ihrem Menschentod. richt über das Bauernlager zu Reichardtsrode ein. So Die, welche bei ihm die Mühe tragen, wollen sie belohnen; genau zeigte er sich über die dortigen Vorgänge unterrichtet, wer aber nicht arbeite, solle auch nicht genießen. Weitere daß die Vermuthung nahe lag, er habe seine Spione unter und kleinere Beschwerden, wie unbillige Zölle, wollten sie sich den Bauern. Eben seien ihnen, so schrieb er, die Hintersassen vorbehalten. der Junker von Rosenberg und Finsterlohr mit fliegenden" Ehrbare und günstige Herren," sprach darauf Stephan Fahnen zugezogen, so daß sie schlecht gezählt 4000 Mann start von Menzingen, das Schriftstück auf dem Rathstische nieder seien. Bauern, die sich weigerten, zu ihnen zu treten, zwängen legend, hr habet vernommen, wessen sich die armen Leute sie dazu, indem sie ihre Häuser plünderten und den Pfarrern die beschwert fühlen, und zwar, wie ich hinzufügen muß, leider Weinfuhren abfingen. Auch das feste Haus des Ritters Kaspar mit vollwichtigem Rechte. Der Ausschuß lebet der Hoffnung, von Stein hätten sie rein ausgeplündert. Beutemeister, die sie daß Ihr ein Einsehen haben werdet und er hat mich be eingesezt, nähmen aber alle Beute an sich und verkauften sie, auftragt, Euch in anbetracht der schweren Zeitläufte seine Verund der Erlös käme in eine Striegskasse, daraus sie Wirthe, mittelung anzubieten, daß es zu einem friedlichen Vergleich Boten, Lebensmittel und alle Bedürfnisse zahlten. An Leib und komme. Unsere Brüder, denn als solche betrachten wir die Leben sei bisher niemand von ihnen geschädigt worden. In uns durch den evangelischen Glauben verknüpften Bauern, einer kurzen Nachschrift bemerkte der Schultheiß Wernizer, daß, haben unsere Vermittelung angenommen." wie er eben erfahre, die aus Rothenburg flüchtige Käthe Neuffer sich zu Ohrenbach im Hause ihres Bruders aufhalte.
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Wenn er das weiß, warum nimmt er sie nicht gefänglich an?" rief Konrad Eberhard. Von dem Verbrechen abgesehen, das die Dirne begangen hat, war sie uns eine Geißel für das Wohlverhalten ihres Bruders. Wir müssen daher trachten, sie wieder in unsere Gewalt zu bekommen."
Um dadurch die Bauern noch mehr wider uns aufzu reizen. Der Wernizer würde in ein Wespennest greifen, fürcht' ich. Morgen ist auch noch ein Tag, lautet das Sprichwort; sorgen wir nur, daß wir heut' den Stopf oben behalten." So entgegnete Erasmus von Muslor.
Der folgende Zag brachte neuen Sturm. Von ihm er griffen tam am Morgen Ehrenfried Kumpf mit einigen
Eine Todtenstille folgte diesen Worten. Während dessen griff der Rathsherr Leonhard Denner nach dem Schriftstücke; sobald er aber einen Blick hineingethan, warf er es wieder hin, als ob er in Nesseln gegriffen hätte. Er kannte die Handschrift nur zu gut: es war die feines Sohnes Leonhard, des Pfarrverwesers in Leuzenbronn. Nun erhob sich der Bürgermeister Erasmus von Muslor mit Bürde und sprach dem Ausschusse den Dank für die angebotene Vermittelung aus. Es sei der Rath jedoch des Meinens, daß er derselben nicht bedürfen werde, um sich mit seinen Unterthanen in Güte zu verständigen. Die Zornader auf der spik zulaufenden Stirn des Ritters schwoll dick an. Herr Erasmus hatte deffen jedoch nicht Acht, sondern wandte sich zu Leonhard Mezler. Der Rath wolle der Empörung der Bauern und ihres Meineids nicht im