Zlnterhaltungsblatt des JorwärlsNr. 144.Dienstag, den 26. Juli.1898(Nachdruck verboten.)401 Mm die Fveitzett.Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525.Von Robert Schweichs l.„Man muß es dem Menzingen lassen, er ist raschzur Schot," äußerte der erste Bürgermeister mit einemcigenthümlichen Lächeln. Es war das letzte laute Wort,das in der Rathsstube gesprochen wurde. Des Kommendenharrend, Msterten die Herren nur dann und wann miteinander.Sie niußten lange warten. Endlich stieß, ein Rathsdiener dieThür auf und meldete:„Gesandte vom Ausschuß bitten umgeneigtes Gehör."Herr Erasmus neigte sein Haupt. Die Rathsherren, diebisher auf und ab gegangen waren oder in den Fenster-nischen beieinander gestanden, nahmen ihre Sitze wieder ein.Hcreintratcu Ritter Stephan, Valentin Jckclsamer, der Rektorder Lateinschule und etliche bürgerliche Mitglieder des Aus-schusses. Ihre Mienen waren noch erhitzt von den Redenund Debatten aus dem Juden-Kirchhofe. Stephan von Men-gingen ergriff als Obmann des Ausschusses das Wort undsprach mit laut schallender Stimme:„Ehrsame, günstige undliebe Herren I Die von dem Ausschuß berufene Gemeinde derStadt hat beschlossen und thut Euch kund und zu wiffen durchseine Abgesandten: In Erwägung, daß der Aeußere Rathdie Gemeinde vertreten soll, so muß er nunmehro aufgehenim Ausschusse und mit ihm sitzen, rathen und bestem. DiesenSchluß auszuführen, gewährt die Gemeinde den beiden Rütheneine Frist von 2i Stunden."Die Rathsherren sprangen zornig von ihren Stühlen auf.Der erste Bürgermeister aber winkte ihnen mit der Hand zurStille. Seine Mienen zeigten unerschütterte Ruhe.„DieRäthe werden erwägen und beschließen," erwiderte er trocken.„Fahret fort!"„Weiter begehret die Gemeinde von dem Innern Rathe,daß er die Beschwerden der Bauern ohne Verzug vornehmeund durch Zugeständnisse sie beschwichte, ehe sie der Stadt zustark werden. Mit ihnen einen Vergleich zu schließen, dazu,so ist der Gemeinde Begehr, soll der Innere Rath uns, demAusschuß, allsogleich Vollmacht ertheilen."„Das wird nimmer geschehen," rief Konrad Eberhardmit kalt schneidender Stimme, und die Mehrzahl der Raths-Herren rief es ihm nach.„Haben's die Herren so hitzig, ei, so sperret die Fensterauf," drohte Jos Schab, der Gerber, der hinter dem Ritterstand.„Auf dieses Verlangen, Herr Ritter, kann der Rath nichteingehen," sagte von Muslor fest.„Es ist unmöglich."„Dem Willen ist nichts Menschliches unmöglich," äußerteder alte Rektor Bestenmayer.„Es handelt sich hier nicht um unseren Willen, nicht umRothenburg allein," nahm der erste Bürgermeister wiederdas Wort.„Es wäre ein böses Beispiel, das wirmit unserer Nachgiebigkeit den Bauern der benach-borten Herrschaften gäben. Es würde unserer Stadtgar übel gerathen, wann die fremden Hintersassen sich aufdas Beispiel Rothenburgs bemfen könnten, und ihre Herrenwürden uns darob feindlich ansehen."„Umgekehrt wird ein Schuh d'raus," mischte sich LorenzKnobloch vorwitzig ein.„Brot können die Herren essen, aberkcins backen."„Donnerwetter," fuhr ihn der Rathsherr Hassel mit kirsch-rothem Gesicht an.„es thäte noth, daß dem Kerl einer überdas ungewaschene Maul führe!"„Wahret den eigenen Mund, Herr, daß Euch der Aus-schuß nicht wegen Beleidigung zur Rechenschaft zieht,"donnerte Stephan von Menzingen ihn an.„Recht aber hater; denn schon brennt es ringsum, und darum ist es noth-wendig, daß die Stadt mit ihren Bauern rasch sich vergleicht,ansonst bei uns eine Wuth senffteht, die uns alle verzehrt."Mit einem Anflug von Pathos erwiderte aber HerrErasmus:„Der Himmel behüte, daß der Rath von denRechten der Stadt, die von den Altvordern her sind, einTüpfelchen vergiebt, es sei denn, daß der Schiedsspruch deskaiserlichen Gerichts es ihm aberkennt."„Quoa Deus perdere vult, demewat priua,"*) murmelteValentin Jckelsamer, und Kilian Etschlich rief:„Gott's Tod,ich Hab' ein Urtel des Kammergerichts erstritten, und meinRecht ist mir zur Stund' nit worden vom Rath."„Ja, das ist's," ließ sich der Ritter wieder vernehmenund straffte seine ansehnliche Gestalt.„Zu viel des Unheilshat der Rath schon durch seine ungerechten und falschen Maß-regeln über die Stadt gebracht. Der Ausschuß kann und darfihn deshalb in jetzigen gefährlichen Läufen nicht handeln lasten."Bei dieser unverhohlenen Drohung, welche einen all-gemeinen Sturm erzeugte, in dem alle gegen einanderschrien, erhob sich der Altbürgermeister. Es trieb EhrenfriedKumps, dem bedrängten Rathe beizustehen. Er wüßte wohleinen Mann, der geeignet wäre, zwischen der Stadt und denBauern Frieden zu stiften. Er verhalte sich in seinem Hause;ihn solle man zu den Bauern schicken.„Und wer ist dieser Wundermann?" fragte Konrad Eberhard.„Der Dr. Karlstadt ist's," antwortete Herr Ehrenfriedunerschrocken.Da geschah es, daß bei dem Namen, der die allgemeineVerwunderung der Rathsherren erregte und dem zweitenBürgermeister ein grimmes Hohnlachen entlockte, Erasmusvon Muslor zum ersten Male seine Selbstbeherrschung verlor.Er schnellte wie eine Feder von seinem Stuhle auf und riefmit gerötheter Stirn:„Wie, das böse ABC ist in der Stadtund in Eurem Hause verborgen, trotzdem er bei strengerStrafe ausgewiesen wurde? Wie wollet Ihr, ein Rathsherr,diese gröbliche Verletzung der Gesetze und Eurer beschworenenPflichten rechtfertigen? Wie sollen andere die Gebote desRuthes achten, wenn Ihr, der einst die höchste Würdeunserer Stadt bekleidet hat, sie mit Füßen tritt? Bein»Himmel, das ist stark!"Herr Ehrenfried erwiderte uneingeschüchtert:„Ich hab'sgewagt, im Dienste Gottes und für Gottes Sache ihn zuschützen und zu Herbergen. Karlstadt ist ein frommer undunglücklicher Mann und vorzüglich geschickt und vom Himmelbegabt, um die Irrungen zwischen einem Rath, der Gemeindeund den Bauern zu schlichten. Ich kenne meine Pflichtengegen den Rath, ich erachte mich aber nicht gebunden, wo esgegen Gottes Wort und daL Evangelium geht. Denn ichbin ein Christ und werde diesem allein gehorchen, so weitLeib und Gut reicht."„Höllenelement, wir flnd so gute Christen wie Ihr,"schnaufte der dicke Herr von Winterbach, und Konrad Eberhardsetzte spitz hinzu:„Aber wir treiben keinen Priester aus demTempel und schänden ihn nicht durch Bilderstürmerei."Damit erhoben sich die Herren vom Rathe und schicktensich an, die Stube zu verlosten. Der Altbürgermeister vertratihnen jedoch den Weg.„Ich laste Euch mit Nichten, es seidenn, daß Ihr die Ausweisung aufhebet," rief er.„Dasmöget Ihr von einem Rath am jüngsten Tage erwarten,"beschicd ihn Herr Erasmus.„Muthet uns nicht zu, daß wirüber unsere gute Stadt die Ungnade und Strafe des Kaffers,der Fürsten und Reichsstände bringen, noch soll er den ge-meinen Mann vollends zum Ausruhr anstiften, wie er esallerwärts gethan, wo er gewohnt und gepredigt hat. WendetEuch an den Ausschuß, der hat ja jetzt die Gewalt."„Ist das Eure Meinung, Herr Bürgermeister?" riefStephan von Menzingen und entfaltete seine Arme, die erbisher über der Brust gekreuzt hatte.„Wohl, wohl! Ichbürge Euch dafür, Herr Ehrenfried, daß der Ausschuß denDr. Karlstadt in der Stadt umgehen und sein Abenteuer be-stehen lassen werde, so er sich zu Recht erbietet."„Wir aber, der Rath, waschen unsere Hände in Unschuld,"erklärte Erasmus von Muslor und eilte mit seinen Kollegenaus der Rathsstube.Fünftes Kapitel.Frau von Muslor wartete mit dem Mittagessen schonlänger als eine Stunde auf ihren Gemahl. Während sie,zuweilen seufzend, die Daumen ihrer fleischigen Hände umein-ander drehte, schaute ihre Tochter vom Fenster des Speise-zimmers nach dem Vater aus. Vor dem Rathhause stand ein•) Denjenigen, welche Gott verderben will, verwirrt er vorherden Verstand.