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berührte:" Ich bitte Dich, Stephan, lasse die Kinder nicht| hinaus, dann strich er seinen Schnurrbart in die Höhe und entgelten, was allein meine Schuld ist. Komm, ich will es wandte fich. Er wollte etwas sagen, wie seine Augen jedoch Dir erklären!" denen der Gattin begegneten, schwieg er, so traurig vorwurfs­voll waren sie auf ihn gerichtet. Er ging.

Er sah sie mit einem bösen Blick an, indem er ihre Hand von sich schüttelte. Ich bedarf keiner Erklärung, ich fehe," grollte er. Mar aber rief:" Nein, ich allein bin zu tadeln, Herr Stephan, daß ich nicht sogleich vor Euch hintrat und, so ungünstig auch die Umstände für mich lagen, Euch um die Hand der Geliebten bat. Verzeiht es!"

" In der That," begann jener, brach ab und strich sich über die spit zulaufende Stirn, auf der die Bornader ange­schwollen war.

Vater!" flehte Else ängstlich. Er beachtete es nicht, sondern fuhr zu May Eberhard fort: Es ist wahr, Herr Doktor, ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet; darauf aber war ich nicht vorbereitet, daß Ihr Euch hinter meinem Rücken bezahlt machen würdet."

Herr von Menzingen," fuhr May auf. Elfe faßte jedoch feine Hand und ihr bittender Blick dämpfte seine Hike. Noch mals vergebt mir. Konnte ich Euch einen Dienst leisten, bei meiner Ehre, ich dachte an keinen Lohn. Und welcher Dienst wäre auch groß genug, um ein Kleinod aufzuwiegen, wie das Herz Eurer Tochter? Nun ist es mein, mir geschenkt in freier Zuneigung, und ich bitte Euch inständig, gebet uns des Vaters Segen zu dem der Mutter."

Diese trat wieder zu dem Gatten, während Else mit flehenden Augen und gefalteten Händen zu ihm ausschaute und sprach bewegt: Erhalte Dir die treue und feste Stütze, die Du an ihm hast. Du weißt es selbst am besten, Stephan, was ein solcher Mann in dieser schrecklichen Zeit werth ist. Du kannst ihn nicht von Dir stoßen, nicht Nein sagen wollen." ,, O, Vater! Vater!" rief Else mit Thränen in den seelen­vollen Augen.

,, Dennoch muß ich Nein sagen," erwiderte der Ritter. Wir leben nicht in der Zeit der Jdyllen und bukolischen Gedichte. Diese Liebe ist eine Thorheit. Je unruhiger die Zeit ist, je fester müssen die Grundmauern sein, auf die ich das Glück meines Kindes stelle. Ihr wie ich, Herr Doktor, wir sind beide ohne Vermögen. Es wäre unverantwortlich bon mir, wenn ich zulassen wollte, daß meine Tochter in ver­geblichen Hoffnungen welfte. Nein, Herr Doktor, dazu ward meine Tochter nicht geboren."

Dr. Mar Eberhard schickte seine Kostenrechnung nicht. Statt dessen gelangte aus Neusit ein Schreiben an den Aus­schuß, worin die Bauern erklärten, daß sie ihre ganze Sache diesem anheimſtellten. Er möchte es sich nicht befremden lassen, daß sie einstweilen weiter rückten. Denn ihre Brüder in den benachbarten Herrschaften bedürften ihres Rathes und ihrer Vermittelung. Abweisen könnten sie dieselben nicht, hofften aber die Angelegenheiten in wenigen Tagen zu endigen.

Schon waren sie von Neusik aufgebrochen und auf das linke Ufer der Tauber übergegangen. Hätte Kaspar sie ziehen sehen, dann würde er unter den Bauern der Junker von Rosenberg und Finsterlohr den Lorenz Knobloch als einen ihrer Hauptleute haben stolziren sehen. Durch Thaten hatte er sich ihnen nicht empfehlen können, es sei denn durch seine erstaunliche Trinkhaftigkeit. Sein Mund­wert hatte ihm das Vertrauen der junkerlichen Hinter­faffen gewonnen, deren dürftige Bekleidung und ausgemergelte Gestalten noch von den Leiden ihrer Leibeigenschaft zeugten. Wie ein Mühlrad das Wasser zu Schaum schlägt und umher­sprigt, so wußte Knobloch zu reden, zu prahlen, zu schmeicheln, aufzuregen, den Durst nach Rache an den Junkern zu reizen. Diese Unglücklichen, in denen die Edelleute das Menschthum frech geschändet hatten, drängten ungeduldig nach dem Vor­bach, der sich bei dem Frauenkloster Schäftersheim , unterhalb dem weingesegneten Städtchen Weikersheim , in die Tauber er­gießt. An den Bergen, zwischen denen der Vorbach sich hin­windet, klebten die Burgställe von Haltenbergstetten und Laudenbach . ( Fortsetzung folgt.)

Sonntagsplauderet.

Betrol- Naphtha- Motors betriebenes Post- Kariol zu sehen sein. Und Am 1. September wird in den Straßen Berlins ein mittels eines das neue Behitel wird ganz einem der bekannten gelben Einspänners Wagen gleichen, nur oberhalb der Vorderräder wird ein Kasten sein, ,, Aber ich will ja gern warten, liebster, bester Vater," bat in dem der Motor steckt. Thatsächlich ist es auch ein alter Post­Elfe mit ihrer weichesten Stimme. Mar aber rief mit wogender wagen, nur der Motor ist neu eingebaut. Der neue Selbstläufer Brust: Ihr höret es, Herr von Menzingen, Else liebt mich. wird in den Berliner Straßen manchem älteren und größeren Ihr dürfet ihrem und meinem Glücke nicht entgegenstehen. größere Geschäfte, auch eine Brauerei ist darunter, Motorwagen Kameraden begegnen. Schon seit einiger Zeit lassen einige Ihr sehet Eure ganze Kraft, ja vielleicht selbst das Leben ein, laufen; wenn erst eine Staatsanstalt das Gleiche thut, wird die um die Unterdrückten zu befreien, wie könntet Ihr da Eurem Zahl dieser Wagen schnell sich mehren. Das wird ein Fortschritt eigenen Rinde zum Tyrannen werden, es dem Manne ver- jein, ohne Zweifel. Aber in der fapitalistischen Gesellschaft schlägt weigern wollen, den ihr Herz gewählt hat?"

Das Weiße in den Augen des Ritters wurde von Blut unterlaufen. Wenn ich ein Träumer wäre wie Ihr," rief er, von den Worten des jungen Eberhard getroffen, mit mühsamer Selbstbeherrschung. Der verdieut die Freiheit nicht, der nicht zu gehorchen versteht. Was Ihr Freiheit nennt, ist das Nach­geben den Gelüften der Willtür, ist Schwäche eines verzärtelten Herzens. Ich muß bei meiner Weigerung bleiben und Else wird ihre Pflichten gegen ihren Vater erfüllen. Schicket mir Eure Sportelrechnung, Herr Doktor, ich werde sie begleichen."

jeder technische Fortschritt zum Nachtheil jener Gruppen aus, die aus wirthschaftlichen Gründen sich die neue Errungenschaft nicht dienstbar machen können; sie kommen ins Hintertreffen, werden ruinirt, gehen wirthschaftlich zu grunde. Das Berliner Droschkengewerbe ist am Niedergehen. Die Zahl der kleinen, selbständigen Betriebe mindert ich mehr und mehr. Besonders zeigt sich das bei den Droschken Stapital, um sich selbständig zu machen. II. Klasse. Hier brauchte Einer nur ein verhältnißmäßig fleines Einen Wagen und zwei Pferde oder zwei Wagen und drei Pferde, das war so das Gewöhn­liche. Den zweiten Wagen fuhr in diesem Falle oft der Sohn. Und man theilte das so ein, daß der Vater als Nachtkutscher, der Sohn Mar zudte empor. Frau von Menzingen taumelte faft bei Tage fuhr. Die Nacht deckt alles zu; da konnte der eine Wagen auf den nächsten Stuhl. Else aber schrie auf und umschlang schon etwas flapprig sein, wenn die Liese" ab und zu stolperte, weit den Hals des Geliebten mit beiden Armen: Nein, einem schönen neuen Mantel Eroberungen machen wollte. Kam kein ging das was an, und so jung war man auch nicht mehr, daß man mit ich lasse ihn nicht! Ich lasse nicht von Dir, Geliebter!" Unglüdsfall dazwischen, dann ging's wohl so la- la. Aber dann Max preßte die zarte Gestalt an sich. ,, Nein, mein wuchsen die Pferdebahnlinien, eine nach der andern, tausende und holdes Leben," rief er von Schmerz durchschüttert. Mein abertausende Fahrräder tauchten auf, die Milchtöpfe" erschienen. Herz ist Dein für alle Zeit. Die Grausamkeit Deines Vaters Jezt kommt die Elektrische", und die Motorwagen stehen in Aus­fann uns trennen, aber nicht die Liebe aus meiner Brust reißen. Gehen muß ich jetzt wohl!"

Herr Stephan war an ein Fenster getreten, hatte die Arme über der Brust verschlungen und fah finster auf den Marktplatz hinunter. May bedeckte den Mund der Geliebten mit unzähligen Küssen, nahm ihren Lockenkopf zwischen seine Hände und füßte sie auf die in Thränen schwimmenden Augen, auf die reine, weiße Stirn. Mit Gewalt riß er sich los, ergriff und küßte die Hand der weinenden Mutter und eilte fort. Lebe wohl, Geliebte!" Er rief es noch unter der Thür..

May!" schrie Else verzweifelt auf. Mutter!" und sie stürzte vor dieser nieder und barg, leidenschaftlich weinend, ihr Gesicht in deren Schooß.

Ritter Stephan schaute noch eine Minute lang zum Fenster

ſicht. Und eine Klage feufzt und gellt auf allen Halteplägen: Es wird nichts mehr verdient!" Und alle Tage wird es schlechter. Einer nach dem andern von den Selbständigen ", den" Fuhrherren" geht dem Fourage- Frißen, dem Stellmacher und Schmied zu zittern und als Kutscher . Er hat es satt, Tag für Tag vor dem Pferdehändler, noch als schlechter Kerl angesehen zu werden. Aber auch als Sutscher verdient er nichts. Todtfroh ist er, wenn er seinem Herrn" jeden Tag, an dem er gefahren, 2,50 M. abliefern fann, mit dem, was übrig bleibt, getraut er sich faum vor seine Frau. Der weltbekannte Wit und Humor der Berliner Droschkentutscher, wo ist er noch zu spüren? Reporter erzählen ja noch von ihm. Aber die haben allweil eine Kuhhaut statt eines Trommelfells gehabt. Wohl, eine Sorte Humor macht sich auf den Haltepläßen und in den kleinen Stutscherkneipen schon noch bemerkbar; aber es ist der ähende Galgen­humor, der sich über sich selbst lustig macht, weil ja doch alles gleich ist. Wenn einer fünf, sechs und mehr Stunden stehen" muß und bekommt dann eine Geschäftsfuhre zu sechzig Pfennigen, und muß