Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Mittwoch, den 10. August.
Nr. 155.
( Nachdruck verboten.)
Um die Freiheit.
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1898
stützt. Ihr sehet, wie schwach diese scheinbar so starken Pfeiler der Macht sind. Was mich aber betrifft, edle Frau, so spricht Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernfriege 1525. mich mein höchster Richter, mein Gewissen, frei. Ich erfülle nur meine Menschenpflicht."
Die Gräfin nahm ihr Söhnlein von den Armen seiner wärterin und drückte es mit schmerzlicher Miene an ihren Busen. Florian Geyer wollte sich entfernen, als die Thür aufgestoßen wurde und Simon Neuffer hereinrief:„ Sieg, Sieg! Die Stadt ist unser, die Ritter sind gefangen, auch der Obervogt!"
Die Eroberung von Burg und Stadt hatte kaum eine Stunde Zeit erfordert. Die Gräfin von Helfenstein, bereits zum Osterfeste geschmückt, hatte sich mit dem Kinde und ihren Frauenzimmern in die Burgkapelle geflüchtet, als die Schwarze Schaar das Schloß erstürmte. Das Gekreisch der Frauen lockte Florian Geyer herbei, der die Gräfin Frau Margarethe stieß einen Schrei aus; ihre stolze suchte, um sie zu beschützen. Etliche von seiner Schaar, die Haltung erzitterte und schwankte. Mit bleichen Lippen bat fich bereits plündernd im Schlosse verbreitete, waren in die sie, die Haft ihres Gatten theilen zu dürfen. Florian Geyer Kapelle gedrungen, hatten die einen die heiligen Geräthe, die willfahrte ihr voll Mitleid. Er selbst führte sie nach dem anderen die gestickte Altardecke an sich gerissen, den Priester, Thurm. Ihr Kind ließ sie nicht mehr von den Armen. der ihnen wehren wollte, gewaltsam von den Stufen ge- In der Stadt war das Plündern ebenfalls in vollem Gange. stoßen. Jörg Megler und seine Leute hatten es jedoch durchgesezt, daß mir die Häuser der Geistlichen, des Kellers, des Schultheißen und Stadtschreibers den Bauern preisgegeben wurden. Die Häuser der übrigen Bürger wurden verschont, ihnen dafür aber zur Bedingung gemacht, die Verwundeten zu pflegen und die Sieger mit Wein und Lebensmitteln zu versorgen. Auch in der Kirche wurden alle Truhen erbrochen; das Geld der Armen, Wittwen und Waisen rührten aber die Bauern nicht ,, Krieg nennt Ihr dies wüste Rauben, Brennen nnd an. Die reichste Beute ergab das Schloß. Diese trugen Morden?" fragte sie mit einem Gemisch von Zorn und Ver- silberne Becher, Kannen, Schüssel, Löffel, jene seidene Decken achtung. und seidene Gewande, Leinwand, Zinngeräthe davon. Ein " Dieses Plündern und Verbrennen der Klöster und Bauer aus dem Weinsberger Thale erbeutete an 300 Gulden Stifte, diese rohe Gewalt wider die Geweihten des Herrn," Werth und verkaufte später noch für 200 Gulden Ringe und fiel der Kaplan mit zum Himmel erhobenen Händen ein. Kleinodien an einen Goldschmied in Nürnberg . Ein anderer gewann so viel, daß er lachend sagte, Lukas schriebe nicht davon. Es war ein solches Zerren und Reißen um die Kostbarkeiten, daß oft das Beste übersehen, oder achtlos mit den Füßen fortgestoßen wurde, bis dann ein Glücklicherer zufällig den Schatz hob. Ueber dem Plündern ging das alte Welfenschloß in Flammen auf.
Bleich, doch stolz trat die Gräfin Herrn Florian entgegen. " Ich bin Eure Gefangene," sagte sie, und er versette, indem er fich vor ihr verneigte: hr irret, edle Frau, wir führen mur mit Männern Strieg. Ihr seid frei, doch bitte ich Euch, wollet Euch in Euer Gemach begeben; eine Wache wird für Eure Sicherheit sorgen. Das Schloß und was darin ist, gehört nach Kriegsrecht meinen Leuten."
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" Ihr beliebt es so zu nennen, Frau Gräfin ," erwiderte Florian Geyer und richtete seine großen ernsten Augen fest auf fie. Dennoch, es giebt keinen heiligeren Krieg als diesen, den der Unterdrückte, weil er auf Erden nirgends Recht finden tann, gegen seine Tyrannen erhoben hat. Der Verrath des Grafen von Helfenstein zwingt uns zu dieser Gewalt."
Die Gräfin erbebte und Florian Geyer wandte sich Fädlein Rohrbach hatte sein Hauptquartier in der Mühle zürnend gegen den Geistlichen:„ Einen Geweihten des Herrn am oberen Thor aufgeschlagen. Er saß mit seinen Freunden nennt Ihr Euch? Ei, so sagt doch an, wann hätten Bischof und den Vertrautesten beim Wein und rathschlagte mit ihnen und Mönch seine Gebote befolgt? Euren Nächsten habt Ihr über die Gefangenen. Die schwarze Hofmännin saß unter zu Eurem Knecht und Leibeigenen erniedrigt; auf den Himmel ihnen. Sie alle trugen noch die Spuren des Kampfes an habt Ihr die Armen verwiesen und Euch der Güter dieser Erde sich. Das wirre Haar war bestäubt, die Gesichter, die Hände bemächtigt. Höhlen des Raubes, der Schlemmerei und der von Pulver geschwärzt und auch von geronnenem Blute, Unzucht sind Euere Klöster. Darum müssen sie ausgetilgt manches Wams zerschlissen und von Kugeln durchlöchert. werden, auf daß die lauteren Lehren des Evangeliums wieder Der Durst nach dem heißen Streite war groß; was aber aus Raum auf der Erde gewinne. Wie Christus ant heutigen ihren Augen glühte, flackerte, war nicht der Geist des Weines, Tage auferstanden ist von den Todten, so ist das Volk auf- sondern der Nache. erstanden zum wahren Glauben und zur Freiheit."
„ Er lästert Gott ," rief der Staplan mit purpurrothem Gesicht, und wer Gott lästert-
" Der soll sterben," vollendete für ihn ein Lanzfnecht und er hätte das Wort an dem Geistlichen wahr gemacht, wenn Florian Geyer nicht die schon erhobene Hellebarde bei Seite geschlagen hätte. Der Kaplan fiel vor Schreck zu Boden und die Schwarzen lachten. Florian Geyer wandte sich wieder an die Gräfin und ersuchte sie, ihm nach ihren Gemächern zu folgen. Paul Jckelsamer, den das Gerücht von den Vorgängen in der Kapelle eben dorthin zog, erhielt den Auftrag, mit einigen zuverlässigen Leuten das Zimmer der Gräfin, der sich ihre Frauen anschlossen, gegen alle Eindringlinge zu schützen. Auf allen Treppen, in allen Gängen und Gemächern schwärmte es von Beutesuchenden.
,, Lebte mein hochseliger Herr Vater noch, dieser Tag wäre nimmer gekommen," seufzte die Gräfin Margarethe, als ste ihr Gemach erreicht hatte, und sie fügte, zu Florian Geyer sich wendend, mit bebenden Lippen hinzu:" Ihr waret ihm werth, Herr Geyer von Geyersberg; wie wollet Ihr, nicht vor mir, sondern vor dem Richter droben, den doppelten Abfall von Eurem Glauben und Eurer Ritterpflicht verantworten?"
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Es ist wahr, seine Hochselige Majestät war mir ein gnädiger Herr, so lange ich in seinen Diensten stand," versetzte Florian Geyer mit ruhigem Ernst. Aber glaubet mir, Frau Gräfin , er hätte diesen Tag nicht verhindern können, ebenso wenig wie Kaiser Karl es fonnte. Kein Monarch kann es, der sich nicht auf das Volk, sondern auf Adel und Geistlichkeit
„ Das Blut unserer heimtückisch überfallenen Brüder schreit nach Blut," rief Jäcklein Rohrbach , indem er seinen Sinnbecher heftig auf den Tisch stieß, und Hans Winter vom Odenwalde fügte hinzu:" Es wird nit anders, lieben Freunde, denn wir jagen dem Adel ein sonderbar Entseßen und Furcht ein."
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Wir wollen ihnen zeigen, daß wir mit gleicher Münze zahlen können", rief der grimmige Mathias Ritter, welcher den Forstmeister Schmelz vom Thurm gestürzt hatte. Schießen fie unsere Herolde nieder, so sollen sie lernen, daß edle Geburt feinen Freibrief giebt."
Beckerhans aus Brackenheim , der den jungen Weiler erschlagen hatte, rief mit einem Fauftschlag auf den Tisch:„ Wir dürfen keinen Fürsten , Grafen , Herren und was sonst Sporen anträgt, desgleichen keinen Pfaffen, Mönch noch Müssiggänger leben lassen."
Jäcklein Rohrbach rollte seine Augen im Kreise umher und rief: Tod den Gefangenen!"
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Der Ruf tlang in furchtbarer Einstimmigkeit von allen Lippen wieder. Die schwarze Hofmännin aber zischte:„ Das ist ein eitel Gerede. Das Urtheil steht bei den gesammten Hauptleuten und der Hipler, in dessen Hand der Jörg Megler ein Rohr ist, wird sie beschwatzen, die Gefangenen um ein Lösegeld zu erledigen."
Ein stürmischer mit Flüchen untermischter Widerspruch unterbrach sie. Mit erhobener Stimme fuhr sie fort: Hat der lange Lienhart nicht den Mörder meines Enkels in seiner Gewalt gehabt? Aber der Schwarze von Leuzenbronn und die Stadtherren haben ihn laufen lassen. Also wird's auch