Hlnterhaltimgsblatl des Dorwärls Nr. 156. Donnerstag, den 11. August. 1898 (Nachdruck Verbote».) Am die Fveiheik. Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. Bon Robert Schweichs l. Der auf dem Stadthause versammelte Bauernrath erfuhr von dem blutigen Trauerspiel erst, als es zu Ende war. Pater Eusebius , den das kriegerische Gelärm auf die Wiese gelockt hatte, brachte die Nachricht. In seiner Stimme malte sich noch das Entsetzen, das ihn wie eine Lähmung dort festgehalten hatte. Die Hauptleute hielten ihn anfangs für geistig gestört und konnten ihm nur stückweise seinen Bericht entreißen. „Aber das ist fürchterlich", rief Wendel Hipler erschüttert. „Grasenblut für Bauernblut!" Wagenhans aus Lehren rief es, als ob zwei harte Steine auf einander knirschten. Pater Eusebius schwankte unterdessen davon. Als das Heer von Schönthal aufgebrochen, hatte er in dem verwüsteten Kloster nicht allein zurückbleiben mögen. Mit rostigem Spieß und Harnisch aus der Waffenkammer der Klosterbrüder war er guten Muthes mitgezogen und es war ihm gewesen, als ob er bisher nicht gelebt hätte. Nun war sein Kriegsfeuer verraucht. Er verließ Weinsberg und wanderte nach seinem Kloster zurück, wo er wieder zum Karst griff. Auf dem Rathhause übertönte Florian Geyer's kraftvolle Stimme das Durcheinanderreden.„Den Grafen von Helfen- stein und seine Edelleute hat ihr verdientes Schicksal ereilt." sprach er mit Festigkeit...Rahrbach ist nur zu tadeln, daß er dem Urtheil des Bauernraths vorgegriffen hat. Nach Kriegsrecht hätten auch wir sie zu dem gleichen Tode vcrurtheilen müssen. Wir hätten nicht einmal Gnade für Recht ergehen lassen dürfen; es iväre ein Verbrechen gegen uns selbst gewesen. Denn jetzt werden es die Herren begreifen, daß.wir keine Horde, sondern ein Feind sind, den auch sie auf gleichem Kriegsfuß behandeln müssen." „Da aber Rahrbach dem Urtheile unseres Kriegsrathes vorgegriffen hat, so wird seine unselige That uns als schnöder Mord angerechnet werden," wandte Hipler ein.„Unsere Sache ist dadurch schwer geschädigt. Niemand wird mehr ein Bündniß mit uns eingehen mögen, wohl aber die Zahl unserer Feinde sich unendlich vermehren." „Aber der Schrecken, der vor uns hergeht, wird sie lähmen," rief der lange Lienhart. „Im Gcgentheil, und gerade der Adel wird jetzt vollends in Haß gegen uns auflodern," erwiderte Wendel Hipler . „Der Adel?" rief Florian Geyer. „Haben wir denn zu einem Possenspiel das Schwert gezogen? Beide Bäume, vor denen die junge Pflanze der Freiheit nicht auskoinmen kann, müssen nicht nur umgehauen, sondern mit der Wurzel ausgerissen werden, daß keiner einen Schoß mehr treibt. Es ge- niigt nicht, daß wir blos die Römlinge abthun und blas die Mönche hacken und reuten. Wir beide sind darüber einig und wir alle sind es, daß es fortan nur einen Stand ans deutscher Erde geben darf: den Stand der Gemein- freien. Aber dann muß auch der Adel dem Bauern gleich gemacht werden und es darf keine Burgen mehr geben und kein Haus mehr denn eine Thür haben wie das des Bauern." „Ja, die Gemeinfreiheit ist mein Ziel wie das Deine; aber Du schüttest das Kind mit dem Bad' aus", entgegnete Wendel Hipler. „Der niedere Adel wünschet sie ebenso sehn- lich wie wir. Und ihn hätten wir ohne diese Blutthat gar leicht für uns gewinnen können. Jetzt wird er sich zu unseren Feinden schlagen, wenn wir nicht fürsorgen, da es noch Zeit ist. Ich weiß es bestimmt, daß er noch heut ebenso gesonnen ist wie damals, als er sich dem Unternehmen des Franz von Sickingen anschloß." „Du weißt es bestimmt?" fragte Florian Geyer mit hoch- gezogenen Brauen. „Götz von Berlichingen sagte es mir, als er wegen des Schutzbriefes in Schönthal war", versicherte Hipler.„Auch bedeutete er mich, daß er den Adel zu uns bringen könnte, wenn wir es wollten. Demnach wäre er der rechte Mann, in anbetracht der sährlichen Lage, in die uns die Voreiligkeit Rohrbach's versetzt, den wir brauchen könnten. Bruder Jörg wird es mir daher nicht übel nehmen, wenn ich rathe, Götz neben ihm zu unserem Feldhauptmann zu machen, so wir ihn gewinnen können." Die Ueberraschung war allgemein und Florian Geyer schlug ein zoringes Hohnlachen auf. Jörg Metzler jedoch, den Hipler wohl schon in Schönthal für seine, bei der jetzigen günstigen Gelegenheit offen hervortretenden Absicht gestimmt haben mochte, sagte:„Ich bin's zufrieden. Wenn einer den Karren aus dem Dreck ziehen kann, in den ihn der Jäcklein gestoßen hat, dann ist's der Götz. Und daß er ein Herz für das Volk hat, das hat er schon mehr wie einmal bewiesen. Wir wissen ja alle, daß er schon manchem armen Teufel wider die großen Hansen zu seinem Recht verholfen hat." „Weil er einen Vorwand zu seinen ewigen Raufereien brauchte," rief Florian Geyer , dessen edles Antlitz finster wie die Nacht geworden war.„Das ist's, was ihm ein falsches Ansehen ini Volk verschafft hat. Wie von ihm, so erzählt es sich von Konz Wirth auf der Halden und anderen Frei- beutern und rühmt sie. Der Götz ist sein Lebtag nichts besseres als ein Wegelagerer und Straßenräuber gewesen. Und der soll unserer gerechten Sache ein Ansehen vor der Welt geben?" „Und weiter als Dreinschlagen kann er nix", grollte der lange Lienhart.„Von Heer- und Kriegsführung versteht er halt nix. Fort mit ihm." Er stieß nachdrücklich sein Schwert gegen den Fußboden. „Und noch eines, Ihr Brüder," ergriff Florian Geyer wieder das Wort.„Ist der Adel noch heut gesonnen wie zu Sichstlgen's Zeit, um so schlimmer für uns. Wir sollen die Katze spielen, mit deren Pfoten der Affe sich die Kastanier ans dem Feuer holt, Ja. die Freiheit will der Adel, aber nur für sich allein; eine Republik will er, aber außer ihm soll kein anderer Mensch darein ein Recht haben. Das hat er damals gewollt, das will er noch heut. Ich bitte und be- schwöre Euch daher, lieben Brüder, stürzet Euch durch solche Wahl nicht selbst ins Verderben." Seine Worte machten Eindruck auf viele Hauptleute, das verrieth die Bewegung, die unter ihnen entstand. Wende! Hipler beeilte sich daher, ihn zu widerlegen.„Heut' zeigt die Sache ein ander Gesicht," äußerte er. Ohne uns vermag der Adel nichts. Er ist daher gezwungen, unsere Bedingungen anzunehmen und danach zu handeln. Darüber aber brauch' ich kein Wort weiter zu verlieren, daß wir den Götz nicht als Feldhauptmann annehmen werden, wenn er auf unsere zwölf Artikel nicht einen körperlichen Eid schwört." „O, er lvird ihn schwören," rief Florian Geyer gering- chätzig.„Denn um oben auf zu bleiben, würd' der Adel sich selbst dem Teufel verschreiben. Was hilft es, dem Falken die Fänge beschneiden, oder Wölfe zu zähmen versuchen? Die Fänge wachsen dem Federspiel wieder und die Wölfe lassen das Würgen nicht, und der Götz hat sie stets als seine lieben Gesellen erachtet." „Dli siehst wirklich zu schwarz, Bruder Florian," meinte der Kanzler. „Und Du willst es gar zu klug anstellen," antwortete jener und stand auf. Mit umwölkten Blicken fügte er hinzu: Magst Du es nimmer bereuen. Vor Würzburg sehen wir uns wieder, Ihr Freunde. Ich will mit dem Götz nichts zu chaffen haben." Er verließ mit seinen Hauptleuten die Stube. Eine Stille herrschte. Der lange Lienhart ließ seine runden Augen grimmig über die Zurückgebliebenen blitzen und rief:„Himmel, Herrgott, ist es denn möglich, daß Ihr den einzigen kriegs- kundigen Atann, den wir haben, von Euch stoßet? Ja, das ist er, und er macht kein Aufhebens von sich und fürchtet den Teufel nicht. Er begehrt weder Ruhm noch Ehren, sondern unsere Sache ist ihm das Höchste. Hat er auch nur mit einem Ton verlautbart, daß sich der Götz ihm bei Möckmühl hat er- geben müssen, und der soll itzt sein Oberster sein!" „Sorge Dich nicht, er bleibt uns unverloren." tröstete Wendel Hipler und vertagte die Sitzung. Florian Geher aber verließ mit seiner Schwarzen Schaar in der Frühe des Ostermontags Weinsberg . Der lange Lien- hart brach ebenfalls auf, uni sich mit den Rothenburgern zu dem Zuge nach Würzburg zu vereinigen. Der Schrecken über
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15 (11.8.1898) 156
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