Anterhaltungsblatt des HorwMs Nr. Z59. Dienstag, den 16. August. 1898 (Nachdruck verboten.) Mm die Freiheik. Geschichtlicher Roman aus dem deutschen   Bauernkriege 1325. Von Robert Schweichs l. Hans Berle wußte dem Kanzler einen Ausweg aus seiner Verlegenheit anzugeben. Nein, ändern konnte man den Artikel- brief nicht; aber man konnte ihn auslegen. Und sie setzten sich hin und verfaßten einen Nachtrag zu demselben in acht Paragraphen, welchen sieDeklaration der zwölf Artikel" nannten. Darnach sollte die Abstellung der meisten Beschwerden, die der Artikel- brief sofort verlangte, bis zur Reichsreform vertagt werden. Andere erfuhren eine Einschränkung. Am wichtigsten waren die Zusätze, wonach Zinsen, Gülten und Schulden bis zur Reichsreform weiter bezahlt und besonders das geistliche Besitz- thum von der weltlichen Obrigkeit jeder Gemeinde sorglich geschützt werden sollte. Es kostete Wendel Hipler   die größten Anstrengungen, um für dieseDeklaration" im Siebenerrath eine geringe Mehrheit zu erhalten. Sie aber sogleich vor den hellen Hausen zu bringen, wagte man nicht. Hans Berle nahm sie auf seiner Rückkehr nach Heilbronn   mit, um ihre Wirkung erst bei einigen verbündeten Gemeinden zu versuchen. So kam die Sache in Aniorbach aus und schlug wie ein Funken in ein Pulverfaß. Das Heer trat ohne die Haupt- leute zu einer Gemeinde zusammen. Ihre Wuth traf Haupt- sächlich Götz von Berlichingen  . Er sei ein Pfaffenfreund, erscholl es aus dem Tumulte, es thäte nit anders gut, als daß man ihn durch die Spieße jage. Ihm, der kein Raubnest zerstören lassen wolle, zum Trotze wurde beschlossen, die in der Nähe gelegenen Schlösser Wildenberg   und Limbach zu ver- brennen, und es stürmte auch gleich eine Schaar zu diesem Zwecke fort. Die Odcnwälder schlugen vor, die Geschütze zu nehmen, umzukehren und alle Geistlichen auszuplündern. Andere drangen darauf, daß alle diejenigen, die zu der Deklara- tion geholfen hätten, todtgeschlagen würden.Zuerst den Hans Berle, denn der ist an allem schuld," schrien die Heilbronner  . Andere verlangten, daß alle Fürsten  , Herren und Junker, die nicht auf die zwölf Artikel schwören, erschlagen würden. Hans Berle hatte längst das Lager verlassen, Wendel Hipler   war zufällig abwesend. Als sie nicht gefunden wurden, erhob sich das Geschrei:Götz I Götz I" Ein wilder Haufen lief zu dessen Herberge und plünderte sie aus. Götz war dem Grafen Georg von Wertheim entgegen- geritten, mit dem er ein Stelldichein verabredet, um die Be- dingungen seines Vertrages mit den Bauern festzustellen. Auf dem Rückwege kam ihm Hans Flux entgegen und warnte ihn. Er aber ritt achtlos weiter. Die Flammen des Schlosses Wildenberg   erregten seinen Zorn. Wer hat das befohlen?" fuhr er die Hauptleute an, und da von ihnen niemand darum wußte, schalt er die Bauern aufs heftigste wegen ihrer Treulosigkeit.Er selbst ist treulos," scholl es ihm mit funkelnden Augen entgegen.Stecht ihn vom Gaul herunter." Die Spieße fällten sich gegen ihn. Mit Mühe gelang es den Hauptleutcn, ihn zu retten. Von Stund an hatte er das Vertrauen der Bauern ver- loren, und sie überwachten ihn auf Schritt und Tritt, wie einen Gefangenen. Zehntes Kapitel. Dicht geschaart umgaben die Bauern den Erzähler. Er war ein alter Mann, weißes, langes Haar umflatterte das braune Gesicht mit den tiefen Krähenfüßen an den Augen. Für seine Jahre erschien er ungewöhnlich kräftig und es zeigte sich, während er redete, daß er den Mund noch voll weißer Zähne hatte. Wams und Hosen waren vielfach geflickt und das Wetter hatte ihre ursprüngliche Farbe ungleich mäßig ausgezogen. Ucber dem Rucken hing ihm ein Dudclsack. Es war derselbe Spielmann, der vor etlichen Monaten den Stiefsohn des Konz   Hart als Führer gemiethet hatte. Der Knabe war ihm entlaufen. Der Athem der Freiheit, der durch die Welt wehte, hatte auch den Buben berührt. Er schämte sich, daß er mithalf, das Mitleid zu betrügen, indem er für einen Blinden bettelte, der vortrefflich sehen konnte. Er war zur Schwarzen Schaar gelaufen und trommelte lustig dem Fähnlein Simon Neuffer's voran. Um den Spieß zu führen, war er noch nicht stark genug. Benz Frank, der Dudelsackpfeifer, war als Briefbote Würzburgs an das evangelische Heer des Odenwalds und Neckars gekommen und hatte dasselbe bei Miltenberg   ge-- troffen, bis wohin es inzwischen von Amorbach   vorgerückt war. Die Stadt Würzburg   hatte sich empört und mahnte die Bauern zu eilendem Zuzuge. Die Aufforderung trug die Unterschriften Hans Bermcter und Georg Grünewald. Der erstere war ein Vetter des Rathsherrn Bermeter zu Rothenburg  , ein großer Künstler auf der Pfeife und der Laute, als lustiger Geselle und vor- trefflicher Sprecher bekannt und angesehen. Georg Grüne- Wald, gewöhnlich Meister Till genannt, entstammte ebenfalls einem alten Hause und war ein geschätzter Maler und Bild- schnitzer. Diese beiden hatten, wie Benz Frank erzählte, die Revolution in der Stadt erhoben und sie waren nicht die einzigen Künstler, die in der großen Bewegung mitHerz undHand auf feiten der Unterdrückten standen. Aus ihren Freudengelagen waren die Flammen aufgeschlagen, so daß sich der Bischof Konrad von Thüngen   von dem Marienberge kaum noch her- unter in die Stadt wagte. Der Spielmann war weit im Lande Franken  , dessen Herzog sich der Bischof von Würzburg   nannte, umhergekommen, und, wie er seinen Zuhörern zu berichten wußte, überall waren die Bauern und Bürger aufgestanden, legten die Klöster und Schlöffer nieder und wälzten, in einen furchtbaren Strom zusammenfließend, der sich das Fränkische Heer nannte, seine empörten Wogen gegen die Bischofsstadt.Auf nach Würz- bürg l", rief die schwarze Hofmännin und schüttelte drohend die Faust gen Osten. Die Bauern, die den Erzähler wieder- holt mit stürmischen Zurufen unterbrochen hatten, stimmten in den Ruf des unglücklichen Weibes ein und sich fortpflanzend durchbrauste er das ganze Lager. Benz Frank nahm seinen Dudelsack her und entlockte ihm einen Marsch in quiekenden. schnarrenden Tönen. Dann fiel er in einen Tanz und alles drehte sich, Bauern und Dirnen, und sprang und stampfte und stieß in den aufwirbelnden Staub seine gellenden Jauchzer. Götz von Berlichingen   kam eben mit Wendel Hipler   aus dem Rathe, wo das Schreiben aus Würzburg   verlesen worden und Götz nochmals vergebens auf seinen früheren Vorschlag zurückgekommen war, dem Truchseß von Waldburg   im offenen Felde entgegenzutreten.Loset, sie toben als wie die wilden Bestien", sprach er zu seinem Begleiter, wie er das Lärmen vernahm.Sie sind nicht anders zu bändigen als mit der Schärfe. Was hat's geholfen, daß ich ihnen zu Amorbach   wegen ihres Wortbruchs ins Gewissen geredet habe? Haben sie nicht auch hier in Miltenberg   wieder geplündert?" Leider, und obendarein meines eigenen Freundes, des Friedrich Weigand Haus," gab Wendel Hipler   mit einem Seufzer zu.Sie wissen nicht, wie viel er schon lange zur Befreiung der armen Leute beigetragen hat. Offen hervor- getreten ist er freilich nimmer, denn er ist ein schwächlicher Mann und besitzt nicht die Gabe der Rede. Aber mit der Feder, die in seiner Hand ist wie ein flammend Schwert. Er ist der klarste Verstand und wenn einer, so ist er's, der weiß» was dem Reich noth thut. Zahllos sind die fliegenden Blätter, die er seit Jahren hat ausgehen lassen in das Volk, und sie haben allerwärts entzündet. Weil er auf meine Bitte zu einer Berathung nach Amorbach   kam, vermeinten die Leute, daß er zu der Deklaration mitgeholfen habe, und haben es ihn in ihrer Weise entgelten lassen." Ja, in ihrer Weise," rief Götz bitter.Und die Weise wird fortdauern bis ans End'." Ich Hab' ein besser Vertrauen," erwiderte der Kanzler. Um der großen Aufgabe willen, zu der Ihr uns Eure eiserne Faust geboten habt, lasset Euch durch die Gährung nicht irren. Wer Großes will, darf das Unrecht, so ihm widerfährt, nicht nach Quent und Loth abwägen. Ich kenne einen, dessen Wahlspruch lautet: Keine Krone ohne Kreuz l Das gemarterte und gekreuzigte Volk ist auferstanden." Es war auferstanden. Wie ein Steppenbrand, von einem Punkte ausgehend, mit feurigen Armen nach allen Seiten weiter und weiter um sich greift, so hatte sich die Revolution von den Quellen des Neckars und der Donau   und vom Main   an bis zum Harz   im Norden und den julischen Alpen im Süden