Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 160.

56]

Mittwoch, den 17. August.

( Nachdruck verboten.)

Um die Freiheit.

1898

,, Der Götz? Der Mekler? Wirklich?" riefen die Männer

erregt.

Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. ihnen," berichtete sie. Gott sucht die Sünden der Väter

Von Robert Schweichel .

Sie schlagen just ihr Lager zu Höchberg ; ich kam mit heim bis ins vierte und fünfte Glied, und ich will draußen auf dem Tell ein letztes Mal beten, daß sein schwerster Wie der helle Haufen von Bischofsheim an der Tauber Fluch auf die da droben falle und sie zermalme. Kein Ritter­herauffam, erhob die Vorhut, die das Dorf Höchberg erreicht schwert und kein Krummstab hält die Rache länger auf. Gott hatte, ein lautes Jauchzen und feuerte ihre Büchsen ab. Vor will es!" ihr, kaum eine Viertelstunde entfernt, lag im Goldglanz der Der Graukopf, der seines Zeichens ein Böttcher war, sinkenden Sonne der Marienberg mit dem bischöflichen gab Mathäus Merz einen Wink und rief, während dieser die Schlosse. In vier Stockwerken erhob sich der stolze Bau, Hofmännin durch das Pförtlein im Thor hinaus ließ: Lauf der sein großes längliches Rechteck von Osten nach einer und fünds in der Stadt, daß der Göz da ist. Heiliger Westen hinstreckte. Vier- und fünfeckige Thürme mit ver- St. Stilian!"

schiedenartig gestalteten Kuppelaufsäßen bildeten die Kanten," Ist die unheimlich," äußerte der Fischer zu seinen und in der Mitte des Schlosses erhob sich rund und schlank Kameraden. Mir dünft, sie weiß einen Zauber, den sie gegen und die anderen Thürme überragend, der freistehende das Schloß brauchen will." Er schlug ein Kreuz. Berchfrit , in dessen verjüngtem Aufsatz hoch droben der Schloß - Sich umschauend stand die schwarze Hofmännin auf dem wächter seine Wohnung hatte. Von dem Berchfrit flatterte Tell, wie die sanfte Erhebung des Bodens auf der nördlichen das Banner des Bisthums, das im blauen Felde ein schräg Breitſeite des Schlosses genannt wurde. Hätte sie etwas von schiebendes, von Roth und Silber quadrirtes Fähnlein an der Striegskunst verstanden, so würden ihr die Bastionen, einer goldenen Lanze zeigte. An die westliche Schmalseite des Laufgräben, Pallisaden und die durch Thürme geschütte Ring­Schlosses fügte sich, durch ein Thurmthor mit ihm verbunden, mauer dahinter gesagt haben, daß es wohl gar harte Arbeit die etwas niedriger liegende Vorburg mit den Wohnungen kosten dürfte," Unsere lieben Frauen Burg" selbst von für das Gesinde und die reisigen Knechte, den Ställen und dieser noch am zugänglichsten Seite zu erobern. Es war in Fruchtböden. Den Main und die Stadt auf dessen rechtem der That eine der festesten Zwingburgen und als eine solche Ufer, denen das Schloß seine östliche Giebelfeite zukehrte, hatte sie den Bischöfen seit Jahrhunderten gegen das durch berbarg der Marienberg den Blicken der Bauern. Seine feinen Weinbau schon früh zu Reichthum gelangte Würzburg im Süden steil abfallende Flanke krönte die gezahnte und Ostfranken gedient. Von Liebe und Vertrauen war Umfassungsmauer, die wie eine Fortsetzung des Felsens zwischen beiden Theilen kaum je die Rede gewesen und der erschien. Eine breite Schlucht, die Kuhbachschlucht, sondert Ehrgeiz und die Habsucht des Krummstabes hatte die Kriegs­den Marienberg von dem St. Nikolausberge, zu dem von fackel nur selten erlöschen lassen. Doch hatte die aufstrebende Süden her der große Guttenberger Wald heraufdringt. Durch Bürgerschaft sich die Schädel stets vergebens an den Mauern diese Schlucht lief der Weg von dem Dorfe Höchberg zur des Schlosses eingerannt, das aus jedem Sturm nur fester Vorstadt von Würzburg , die zwischen dem Marienberge und hervorgegangen war. dem linken Ufer des Main's sich entlang zwängt.

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Die schwarze Hofmännin prüfte jedoch das Schloß, von Auf diesem Wege wanderte einsam ein Weib. Es war dem der Thurmknopf des Berchfrit allein noch in der Sonne die schwarze Hofmännin. Ungehindert gelangte sie in die glänzte, nur mit einem flüchtigen Blick. Sie schaute nach hauptsächlich von Fischern und Häckern oder Weinbauern be- etwas anderem aus. Dort war es, etwas zur Rechten, gegen wohnte Vorstadt. Die Wache des festen Thores saß bei Kannen das Schottenkloster zu, was sie suchte. Mit langen, lang­und Würfelbechern und achtete ihrer nicht. Es waren arme samen Schritten ging sie dorthin und starrte auf die Stelle Handwerker, die für ihren Dienst von der Stadt entlohnt vor ihren Füßen mit einem Gesicht, aus dem alles Blut ent­wurden, und es war Sonntag. Der Sonntag belebte auch wichen war. Ja, hier war es gewesen, hier hatten die die lange Burkharder Straße, die vom Thore unter dem Chor Flammen des Scheiterhaufens den Geliebten, den göttlichen der Kirche gleichen Namens hindurchläuft. Es fiel wohl manch Jüngling verzehrt. Erst aber hatte er Zeuge sein müssen, neugieriger oder verwunderter Blick auf die große, schwarze wie seine beiden Unglücksgefährten, die mit ihm gefangen ge Gestalt, die mit gleichmäßigen Schritten, ohne Haft, ihren legen, durch das Schwert hingerichtet wurden. Tag für Tag Weg verfolgte; jedoch ließ man sie unbehelligt gehen und sie war sie zum Schlosse hinaufgegangen und hatte vor dem Thor selbst schaute nicht rechts, nicht links. Jenseits der kurzen, gelegen wie ein Hund und gewinselt, daß man sie nur ein ein­breiten Straße, die zur Mainbrücke führt, wandte sie sich ziges Mal den Geliebten sehen lasse. Immer aber war die Mege links, die frumme Zeller Gasse aufwärts. Das Thor an ihrem des Paukers" von den Kriegsknechten mit rohem Spott fort oberen Ende war geschlossen. Ein Mann in Krebs und Eisenhut gejagt worden. Erst auf seinem letzten Gange hatte sie ihn stand, auf seinen Spieß gelehnt, davor; seine Kameraden saßen wiedergesehen, allein auch jetzt nur aus der Ferne; sein gold­auf dem Bänklein vor der Wachtstube. Jener rief ihr die lockig Haupt hatte am Brandpfahl den Ring der Reisigen über Fragen entgegen, wohin sie wolle, wer sie sei.? ragt, hinter dem sie stand. Seine blauen Augen hatten fie herausgefunden und ihr zugelächelt in den aufpraffelnden Flammen. Das schreckliche Bild hatte immer vor ihr ge­standen; aber jetzt, an Ort und Stelle, ward es ihr in jedem Zuge zur gräßlichen Gegenwart, alle Schmerzen zerfleischten wie damals ihre Brust und mit einem gellenden Schrei warf sie sich auf den Boden und füßte ihn. Ihre Glieder zudten. Thränen löften endlich den Krampf. Sie setzte sich mühsam aufrecht und weinte laut, in das Schluchzen der Wenn ich eine wär', würd' ich mich gar fein ausweisen Nachtigallen aus der Ferne. Allmälig wurde auch ihr Weinen können, oder einen andern Weg zum Schloß gewußt haben," leiser, sanfter. Sie stüßte die Arme auf die angezogenen bersetzte die Hofmännin, die ruhig dastand und des Spottes Kniee und barg das Gesicht in den Händen. Und aus der der andern nicht geachtet hatte. Ich bin am Neckar daheim augenblicklichen Stille und Leere der Erschöpfung tauchten Zug und wollt' mich draußen auf dem Tell bloß einmal umschauen, um Zug, Bild um Bild die Erinnerungen an ihre Liebe zu dieweil ich den Ort von Alters her kenne. Auf dem Schloß Hans Böheim auf. Sie durchlebte sie wieder Stunde um hab' ich nichts zu schaffen. Oder doch, wenn sie mich halt Stunde in allen Schauern und Wonnen die einzig glückliche, nur einließen." ach, so turze Zeit ihres langen elenden Daseins. Spannen die Erinnerungen in einem Traum der Seligen sich fort?

Hat der Thes ein Glück", scherzte ein Graukopf, der auf der Bank saß. Was ein feiner Fisch ihm ins Nek gegangen ist!"

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Laß sie' naus!" rief ein Anderer. Siehst doch, ihr Liebster im Schloß droben sie auf die Nacht erwartet." Alle lachten. Thes Merk, der Fischer, aber sagte: Jch laz' Dich nit durch. Es hat vom Schloß gar so viel Kund­schafter in der Stadt, und Du bist auch eine."

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Was dann? Was willst?" fragten die andern, standen von der Bank auf und umringten sie.

,, Künden wollt ich ihnen, daß ihr lehtes Stündlein nah' ist," entgegnete sie aufwallend. Denn die Rächer von Weins­ berg sind da, die vom Odenwald und Neckar ."

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Es fröstelte sie. Sie hob den Kopf. Es tagte. Sie langte nach ihrem Stabe und erhob sich mit seiner Hilfe mühsam vom Boden. Ihre alten Glieder waren steif. Breit und flar floß in der Tiefe der Main . Eine lange, steinerne Brücke,